Betriebsrätin Rosalia Krenn protestiert gegen überkommene Moralvorstellungen.
Sex im Dienst ist unmoralisch und führte in einer Wohneinheit eines sozialökonomischen Betriebes diese Woche zur fristlosen Entlassung eines Mitarbeiters, der sich dieses Vergnügens schuldig gemacht hat. Er hatte während seiner Arbeitsbereitschaft, einem ruhenden Nachtdienst, seine Freundin bei sich im Dienstzimmer übernachten lassen. Eine Arbeitskollegin kommentierte den Vorgang folgendermaßen: „Das ist das Schönste, was in diesem Haus seit längerer Zeit passiert ist“. Die Geschäftsführung des Betriebes sieht das anders. Es würde dieses Verhalten Respektlosigkeit den zu betreuenden Menschen beinhalten, das Vertrauen wäre dauerhaft gestört. Die betroffenen Menschen im Umfeld sind erschüttert. Die hätten sich gedacht, dass es fair, bereichernd und pädagogisch wertvoll ist, wenn MitarbeiterInnen ihrerseits ihr Privatleben preisgeben, ganz besonders Menschen gegenüber, von deren Färbung ihres Stuhlgangs sie sogar genauestens Bescheid wissen.
Also merket, liebe SozialarbeiterInnen: wir haben jedes Recht, das Privatleben der Menschen, die wir begleiten bis in ihre intimsten Bereiche hinein mitzugestalten, umgekehrt sollten wir aber schon eine einem wahrscheinlich „professionellen Berufsverständnis“ entsprechende Haltung entwickeln, die Menschen, um die wir uns bemühen vor eine sie zurückstoßende Mauer zu stellen, indem wir vermitteln: ja bitte, das Leben der SozialarbeiterInnen, mit denen Du lachst und weinst, die Du umarmst und die Dich ins Bett bringen, geht Dich nichts an! Ach, wie professionell. Ist das menschlich? Und ist die Liebe unmenschlich? Es ist etwas passiert. Zwei Menschen haben sich geliebt Während der Dienstzeit. Sogar der NS-Vernichtungsmaschinerie erschien es erforderlich, auf die körperlichen Bedürfnisse der Menschen, die sie in ein Vernichtungslager wie Mauthausen dem Tod entgegengetrieben haben, Räume zu gestalten, um ihren körperlichen Bedürfnissen Befriedigung zu verschaffen. Damit sollen in keinster Weise die geschlechtsspezifischen Qualen der zwangsverpflichteten Frauen verharmlost werden, auch nicht die Verhaltensweisen der Männer, die diese unfreiwillig geleisteten Dienste in Anspruch genommen haben, es soll nur ausgedrückt werden, dass sogar dieses diktatorisches Regime in seinen Vernichtungsanstalten für die Ebene der Sexualität ein gewisses Verständnis aufgebracht hat, Menschen gegenüber, deren Dasein so definiert wurde, dass sie zu erniedrigen, zu quälen und dem Tod auszuliefern sind.
Diese Zeiten sind vorbei, heute leben wir in geordneten, sauberen, demokratischen Verhältnissen. Ein Kriterium dieser Sauberkeit ist es, dass sich SozialarbeiterInnen in ihren Begegnungen mit den Menschen, die sie betreuen, bitte in asexuelle aliens zu verwandeln haben. Gibt es dafür demnächst Ausbildungsmodule? Und was passiert, wenn sich die Frau Direktorin einer Bildungsstätte halt blöderweise in einen Lehrer verliebt hat, mit dem sie sich ihrer Leidenschaft folgend, in ein Dienstzimmer zurückzieht? Werden die Weisheiten, die der betreffende Lehrer in seinen darauffolgenden Einheiten zu verbreitern versucht, mehr oder weniger Aufmerksamkeit nach sich ziehen? Sie werden von Liebe, Zuwendung, Empathie und der Bedeutsamkeit gegenseitigen Verstehens wesentlich mehr getragen sein als von der Debatte der Abgrenzung. So gesehen ist es wünschenswert, wenn bereits in den Bildungseinrichtungen sich die Lehrkräfte ineinander verlieben, sich kuschelige Zimmer einrichten, um den auszubildenden SozialarbeiterInnen bereits mit auf den Weg geben zu können: die Basis aller pädagogischen Konzeption beruht auf Menschlichkeit, Zuwendung und Zärtlichkeit. Sex im Dienst: ja, bitte.
(Vorauspublikation aus akin 29/2007) |