Einheitliche Regeln für den Umgang mit Menschen ohne gültige Papiere will sich die EU verordnen. Für viele Staaten kann das eine Verschärfung der bisherigen Abschiebe- und Schubhaftpraxis bedeuten.
Abschiebungsrichtlinie vor Beschlußfassung
Die Beschlußfassung der geplanten “Rückführungsrichtlinie” der EU im EU-Parlament ist für die Zeit um den 18.Juni vorgesehen, eine Mehrheit dafür soll sich abzeichnen. Dabei ist aber noch so einiges unklar. Zum einen, ob es sich tatsächlich um eine echte EU-Richtlinie handelt. Schließlich soll sie nicht die EU, sondern die Schengenstaaten betreffen, also einige EU-Staaten nicht, dafür aber einige Nicht-EU-Staaten. Zum anderen spricht beispielsweise die ÖVP von einem akkordierten Entwurf zwischen Justiz- und Innenministern einerseits und einem Parlamentsausschuß andererseits. Die Europäischen Grünen und die “taz” bezeichnen es jedoch als Einigung nur der Minister untereinander.
Klar ist aber für Menschenrechtsorganisationen sowie kritische Parlamentsfraktionen, daß hier Menschenrechtsstandards nach unten nivelliert werden sollen. So übten Kritik an den Plänen Abgeordnete von der Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament (SPE), der Vereinigten Linken und den Grünen im Europaparlament. Die italienischen Parlamentarier Claudio Fava (SPE) und Giusto Catania (Vereinigte Linke) kritisierten die massive Eingriffe in die Freiheitsrechte der Zuwanderer als unverhältnismäßig. Der Grüne Raúl Romeva erklärte: “Diese Direktive ist ein Freifahrtschein für Menschenrechtsverletzungen”.
18 Monate Schubhaft
Besonders krass erscheint die Bestimmung, die Maximaldauer für die Schubhaft illegal aufhältiger Personen auf sechs Monate, in Sonderfällen bis zu 18 Monaten festzusetzen. Damit passt sich die EU der deutschen Rechtslage an. Nur: Bei “außergewöhnlich hohen Zahlen” von Abzuschiebenden könnten auch diese Obergrenzen ausgesetzt werden.
Zwar, so merken auch Kritiker an, ist die prinzipielle Festsetzung einer Obergrenze insofern zu begrüßen, als es in einer Reihe von Ländern bislang eine solche gar nicht gibt. Umgekehrt kann diese Festsetzung in vielen Ländern das diesbezügliche Niveau anheben: In Frankreich und Zypern ist derzeit eine solche Haftzeit auf 32 Tage begrenzt, in Spanien auf 40. In Österreich ist das Maximum für Erwachsene mit zehn Monaten binnen zwei Jahren schon recht hoch, aber immer noch geringer als in der Richtlinie vorgesehen.
Diese 18 Monate sollen zwar nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen, ein Kommentator auf “telepolis” meint dazu allerdings: “Die Ausnahmeregelung dürfte schnell zum Regelfall werden, denn sie soll zur Anwendung kommen, wenn die Abschiebung nicht durchgeführt werden kann und ‘Fluchtgefahr’ bestehe. Nach deutschem Vorbild heißt es in der Richtlinie, dass die Ausweitung der Haftzeit auf 18 Monate möglich ist, wenn sich die Rückführung wegen mangelnder Kooperation des Abschiebehäftlings oder wegen Problemen bei der Feststellung seiner Nationalität verzögert.” Sprich: Nicht nur bei Widerstand des “Schüblings” sondern auch, wenn beispielsweise die Bürokratie des tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Herkunftslands langsam arbeitet.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise zwischen sieben und 30 Tagen sei nach der Richtlinie möglich, kann aber bei Fluchtgefahr, bei Ablehnung eines “unbegründeten” Antrags auf Aufenthalt oder bei einem “Risiko für die öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung oder nationale Sicherheit” auch wegfallen. Falls keine freiwillige Ausreise erfolgt, “sollen Mitgliedstaaten alle notwendigen Maßnahmen treffen, um den Rückkehrbescheid durchzusetzen” — sprich: im Regelfall Schubhaft verhängen. Die Ausweisung unbegleiteter Minderjähriger wird ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Nach einer Abschiebung gibt es ein Rückreiseverbot für die gesamte EU, das “im Prinzip nicht länger als fünf Jahre” gilt, außer bei “ernster Bedrohung der öffentlichen Politik, der öffentlichen Sicherheit oder nationalen Sicherheit”.
Ausweisungspflicht
Vielleicht noch ein größerer Hammer ist die Pflicht der Staaten zur Ausweisung: “Klare, transparente und faire Regeln müssen aufgestellt werden, um eine effektive Rückführungspolitik als notwendiges Element einer gut organisierten Migrationspolitik zu ermöglichen”, heißt es in der Richtlinie. Sie verpflichtet die Regierungen zur Ausweisung aller “Illegalen”: “Mitgliedstaaten sollen jedem Bürger eines Drittlandes, der sich illegal auf ihrem Territorium aufhält, einen Rückkehrbescheid ausstellen.” Der taz-Kommentator meint dazu: Damit entfalle “für europäische Regierungen das lästige Nachdenken darüber, ob sie ihre Illegalen nicht einfach in Ruhe lassen könnten.”
Allerdings gibt es da angeblich doch noch einen gewissen Spielraum. Darüber freut sich der ÖVP-Sicherheitssprecher Hubert Pirker in einer Aussendung: “Es liegt jedoch auch weiterhin allein in den Händen der Mitgliedstaaten, ob ein Aufenthaltstitel erteilt wird oder ob im Falle der Illegalität konsequent und nach einheitlichen europäischen Mindeststandards eine Abschiebung durchzuführen ist”. Das kann zwar durchaus so manchem Menschen den Aufenthalt in der EU (und damit vielleicht sogar das Leben) retten, wenn allerdings dies von Seiten der ÖVP als positiv gesehen wird, kann das auch heißen: Wer vor Platters Augen keine Gnade erhält, kann auch in kein anderes EU-Land mehr, obwohl es dort vielleicht eine Chance zum Verbleiben gegeben hätte.
Vorreiter Italien
Daß der Zug weiter in Richtung Verschärfung geht, hat jetzt Italien vorgeführt. Die Regierung Berlusconi beschloß letzen Monat gleich in ihrer ersten Kabinettssitzung eine Reihe radikaler Verschärfungen des Fremdenrechts. Eine neue Bestimmung stuft die illegale Einreise nach Italien von einer Ordnungswidrigkeit zu einem Verbrechen hoch und liefert so einen Haftgrund. In Italien soll dieses Verbrechen nun mit mindestens sechs Monaten und maximal vier Jahren Haft geahndet werden. Die reine Abschiebehaft soll dort künftig ebenfalls bis zu 18 Monate betragen.
Auch gegen „Scheinehen“ mit italienischen Staatsangehörigen soll schärfer vorgegangen werden. Wohnungen sollen konfisziert werden können, wenn sie an Papierlose vermietet wurden. Den Besitzern drohen Haftstrafen bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis zu 50 000 Euro.
Selbst EU-Bürger sollen nicht verschont bleiben. Wer nach drei Monaten nicht über ein eigenes Einkommen verfügt oder eine Straftat begeht, werde abgeschoben — eine Folge der allseits beliebten Hatz auf Rumänen. Auch jenen, die als “eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit” eingestuft werden, droht der Rauswurf. (taz, telepolis, EU-Grüne u.a./akin)
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27989/1.html
http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/die-festung-steht/
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