Man könnte die spezielle politische Situation nutzen, um die Sache eines Linksprojekts ohne Verkrampfungen anzugehen, meint Bernhard Redl.
Das Linksprojekt steht unter Druck. Plötzlich sind Neuwahlen angesagt und es stellt sich die Frage des Handelns. Ich hab mich in dieser Debatte schon mehrmals damit zu Wort gemeldet, um meine Skepsis auszudrücken. Wir hatten schon so viele ambitionierte Versuche in dieser Richtung, die immer wieder sang- und klanglos an den Urnen untergingen - mit einer Ausnahme, den Grünen nämlich, und unter diesem Erfolg leiden wir noch heute. Das heißt: Eine ordentliche Partei mit ordentlichen Strukturen, die in den Nationalrat mit Hilfe systemkonformer Kräfte einzieht, brauchen wir genausowenig wie die krampfhafte Konstruktion eines politisch korrekten, aber dauerhaft erfolglosen Bündnisses, das einfach nur politische und menschliche Ressourcen schluckt.
Jedoch: Ich gebe der SLP sehr recht, wenn sie meint, daß für eine erfolgreiche Kandidatur die Chancen jetzt zwar nicht gut sind, aber sie wohl nie besser werden, also man es auch gleich versuchen kann und auch sollte.
Ich habe bekrittelt, daß keine Bewegung vorhanden ist, die eine solche Partei ins Parlament bringen könnte. Und ich habe mich besorgt gezeigt, daß beim Vorhandensein einer solchen Bewegung diese durch eine Partei kaputtgemacht werden könnte - auch dafür sind die Grünen ein mahnendes Beispiel.
Doch mit der jetzigen, kurzfristig veränderten Situation der Neuwahlansage, wo einfach eine große Frustriertheit in der Bevölkerung vorhanden ist, andererseits aber auch keine Bewegung da ist, die von so einer Partei kaputtgemacht werden könnte, kann man eine Kandidatur ruhig versuchen.
Machen wir uns nichts vor, wir können lediglich eine Chance nutzen, die wir nicht haben. Die Wahrscheinlichkeit, als Wahlalternative ernstgenommen zu werden, tendiert gegen Null. Eine solche Kandidatur kann höchstens den Wahlkampf bisserl nutzen, um Öffentlichkeit für unsere Anliegen zu gewinnen.
Ein Einzug in den Nationalrat ist also ziemlich unwahrscheinlich. Da brauchen wir also auch keine großen Struktur- oder Programmdebatten. Wir müssen das ganze nicht so bierernst nehmen, sondern können locker-lässig einfach zwei Monate Wahlkampf machen - wahrscheinlich verschwindet das Projekt am 28.September sowieso wieder in der Versenkung, aber dann haben die Beteiligten nicht jahrelange Vorbereitungen in den Sand gesetzt, sondern höchstens sich den Sommer vermiest. Wenn man das Projekt aber eben eher als lustvolle Protestform ansieht, kann man die Arbeit in diesen beiden heißen Monate sogar mit so einigem an Spaß verbinden.
Ich weiß schon, Dadaismus, Spaßguerrilla und Chaos sind nicht Sache von KPÖ, SLP oder LSR, aber ich schlage vor, vergessen wir diesen ganzen Organisationsoverhead, sondern nutzen wir die vorhandenen Strukturen und die vorhandene Dynamik ohne große interne ideologische Debatten. Überspitzt formuliert: Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur einen lustvollen linken Haufen!
Zur Struktur
Es kann ja dann doch passieren: Dieser Haufen schafft einen Einzug ins Parlament mit drei oder vier Abgeordneten. Wer soll das dann sein? Trotz meines Votums für eine ernsthafte Spaßkandidatur muß man über diese Möglichkeit reden. Dann wäre es wohl am Besten, wir stellen ohne irgendwelche Quoten bezüglich Geschlecht, Alter oder Organisationszugehörigkeit Menschen auf unsere Liste, von denen wir wissen, daß sie den Job gerne machen möchten, dennoch aber keine Karriereambitionen haben. Sie sollten einen eigenen Kopf haben und nicht irgendwen vertreten wollen - niemand will ein Mandat ausüben, um andere zu vertreten, sondern man macht das, um was im eigenen Sinn zu verändern. Das imperative Mandat funktioniert einfach nicht, also braucht man das gar nicht zu versuchen - mir ist lieber ein kluger linker Kopf im Parlament, in dem es manchmal ein bisserl anders tickt als in meinem Kopf, als ein Vor- und Rücksichtl, der möglichst irgendwie alle vertreten soll. Wichtig ist nur, daß es Menschen sind, die man im Falle der Kritik anrufen kann und die einem dann auch zuhören.
Deswegen halte ich auch nichts von der jederzeitigen Abwählbarkeit - wer ein Mandat annimmt, nimmt auch einen Fulltime-Job auf Zeit an, den er oder sie mit der eigenen Lebensplanung verbinden können muß. Abgeordnete, die ständig Angst haben müssen, ihren Job zu verlieren, können keine gute Arbeit leisten. Zur Kontrolle reicht meines Erachtens eine strikte Rotationspolitik ohne Ausnahmemöglichkeit, denn dann können sich die Mandatare darauf einstellen.
Ich weiß schon, nach ein paar Jahren wird die Spitze dieser Partei wie bei den Grünen auch die Rotation aushebeln. Aber ehrlich: Nach 10 Jahren im Nationalrat ist diese Partei sowieso vollkommen korrupt, das ist einfach der Struktur des Systems zu verdanken. Eine Zeitlang werden wir uns dann noch Hoffnung machen, daß dieser Prozeß umkehrbar wäre, aber sollte diese Partei sogar 20 Jahre im Parlament aushalten, werden wir sie genauso ablehnen wie heute die Grünen. Das heißt: Selbst wenn diese Partei bei Wahlen erfolgreich sein könnte, ist es politisch nur ein Projekt auf Zeit, das aber in eben dieser Zeit vielleicht in unserem Sinne ein bisserl was an der Stimmung im Land verändern kann. Mehr braucht man sich da gar nicht erhoffen, aber in Österreich wäre das schon ziemlich viel. Wirklich etwas verändern kann man sowieso nur von unten und nicht durch einen Haufen Volkstribunen.
Also mein Vorschlag: Machen wir jetzt ohne großes bürokratisches oder pathetisches Brimborium eine lustvoll-chaotische Kandidatur und schauen wir mal, was passiert. Denn mit hochwichtiger Ernsthaftigkeit haben wir es schon probiert - das hats noch nie gebracht...
|