Samstag, 24. Januar 2009
 
Es ist psychische Folter! PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner   
Montag, 24. September 2007

Der Ausdruck "Folterministerin" gilt als üble Nachrde. Daß  das österreichische Asylrecht zumindest psychische Folter legalisiert, ist jetzt gerichtlich bestätigt. Eine optimistische Lesart des Urteils im Prokop-Prozeß durch den verurteilten Michael Genner.

Sensationelle Urteilsbegründung im Prokop-Prozeß

Lucie Heindl-Koenig, eine junge, engagierte Richterin, hat mich, wie berichtet, wegen „übler Nachrede“ gegen Liese Prokop zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen werden wir Rechtsmittel ergreifen. Dabei darf man aber eines nicht übersehen: Die Urteilsbegründung ist eine Sensation und für unseren weiteren Kampf gegen das herrschende Asyl-Unrecht von unschätzbarem Wert.

Wie erinnerlich, hatten wir den Wahrheitsbeweis angeboten. Wir hatten zahlreiche Zeugen genannt, die aus eigenem Erleben berichten konnten, welches Leid den traumatisierten Flüchtlingen durch die Schubhaft zugefügt wird; dass es sich dabei um psychische Folter handelt. Damit wollten wir beweisen, dass der Ausdruck „Folterministerin“ für Liese Prokop gerechtfertigt ist.

Lucie Heindl-Koenig hat unsere Zeugen alle abgelehnt. Aber begründet hat sie diese Entscheidung, indem sie uns in der Sache recht gab: Was die Zeugen berichten könnten, sei dem Gericht ohnedies notorisch bekannt. „Natürlich gibt es psychische Folter für in Schubhaft Genommene“, so die Richterin. Klar sei auch, dass Schubhäftlinge misshandelt, gedemütigt und von ihren Familien getrennt würden.

Und weil das alles ohnedies klar ist, braucht es von uns nicht bewiesen zu werden.

Trotzdem, meinte sie, dürfe ich Frau Prokop – die als zuständige Ministerin und Gesetzesgeberin für all das die Verantwortung trägt – nicht als „Ministerin für Folter“ bezeichnen.

Und auch nicht als „Ministerin für Deportation“, obwohl Bundeskanzler Schüssel im Fernsehen geprahlt hatte, dank Prokops Gesetz könne man 6000 Fremde im Jahr „zwangsdeportieren“.

„Ministerin für Folter und Deportation“ sei ein „Wertungsexzess“, durch den Frau Prokop ins „nationalsozialistische Eck“ gestellt werde. „Das ist mir zu weit gegangen“.

Trotzdem, so die Richterin, sei es weiterhin meine Aufgabe, als Obmann von Asyl in Not Gesetze anzuprangern. „Er darf es nicht nur, er soll es auch.“ Das sei „nicht nur wichtig, sondern auch richtig.“

Über diese Nuance, ob eine Ministerin, die psychische Folter zu verantworten hat, als Ministerin für Folter bezeichnet werden darf, werden nun andere Instanzen (Oberlandesgericht, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) zu entscheiden haben.

Aber eigentlich ist es gar nicht mehr so wichtig. Für mich ist entscheidend, dass die Richterin selbst den Begriff „psychische Folter“ verwendet für das, was mit Flüchtlingen Tag für Tag in der Schubhaft geschieht.

Es ist Folter. Das ist nun vom Gericht festgestellt. Und das muß Folgen haben.

Das Prokop’sche Gesetzesmachwerk, das Folter möglich macht, muß weg. Die Beamten, die die Folter vollziehen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Und das schnell.

In diesem Sinn ist das Urteil vom 19. September ein großer Erfolg. Diesen Erfolg hat Asyl in Not für alle NGOs erfochten. Und dafür hat sich manche Mühe gelohnt.

Michael Genner
Obmann von Asyl in Not

< zurück   weiter >
Aktuelle Kommentare
Attacke in der U-Bahn

In der Wiener U-Bahn wird ein Mann zusammengeschlagen - und niemand tut etwas. Alltagsrassismus?

Aufruf zur Teilnahme am Weltsozialforum 2009

Von 27. Jänner bis 1. Februar 2009 findet das Weltsozialforum (WSF) in der brasilianischen Amazonasmetropole Belem statt. Vor dem Hintergrund der weltweiten Krise des Kapitalismus, die immer mehr seine " Realwirtschaft" erfaßt, verspricht das Treffen diesmal besondere Spannung.

Was eine Schlagzeile ist und was nicht

Die Ereignisse von Athen machen wieder einmal klar, wie Medien und Rechtsstaat sich aufrütteln lassen, meint Bernhard Redl.

Nicht Neues an der Asylfront

Unter Innenministerin Fekter und Kanzler Faymann ist kein Umdenken im Fremdenrecht vorgesehen. Die Empfehlungen des Verfassungsgerichtshofs werden nicht umgesetzt.

Gewaltentrennung neu

Allfällige Hoffnungen in die neue Regierung werden bald verflogen sein. Die SPÖ hat wieder die Schaltstellen der Republik an die ÖVP abgegeben.

Die Republik schickt Soldaten aus

Das Bundesheer steht seit 1990 an den Ostgrenzen des Landes. Wieso es immer noch dort steht, läßt schlimmer Vermutungen zu, meint Bernhard Redl.

Zur Zerschlagung der Post

Die Einsparungspläne der Post sind keine betriebliche Notwendigkeit, meint die Werkstatt Frieden und Solidarität. Es geht um kapitalistische Profitmaximierung. Dagegen ist Widerstand vonnöten.

DAZ-Kontakte