Angesichts der Unterstützung der Grünen Oberösterreich
für die – in der Vorwoche vom Landtag beschlossene - Privatisierung von 49% der
Energie AG schrieb ihnen die Plattform BürgerInnen gegen Ausverkauf den unten
dokumentierten Brief.
Über 90.000 OberösterreicherInnen haben für die
Einleitung einer BürgerInnenabstimmung über die Privatisierung der Energie AG
am Gemeindeamt unterschrieben. Das sind rund 9% aller wahlberechtigten Menschen
in Oberösterreich. Damit muss es laut Landesverfasung zur Abhaltung einer
BürgerInnenbefragung kommen. Die schwarz-grüne Landesregierung fürchtet
offensichtlich dieses Votum der Bevölkerung. Deshalb will sie nun den Börsegang
noch vor der Abstimmung der Bevölkerung durchpeitschen. Damit wäre die
nachfolgende Abstimmung ad absurdum geführt – ein demokratiepolitischer Skandal
und offener Bruch derm Landesverfassung. Die überparteiliche Plattform
BürgerInnen gegen Ausverkauf wendet sich deshalb in folgendem Offenen Brief an
die Grünen OÖ.
Werte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
wir möchten Euch auf diesem Weg nochmals eindringlich
dazu auffordern, den Willen der Eigentümerinnen und Eigentümer der Energie AG –
also der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes – nicht zu missachten.
Insbesondere möchten wir auch an die Zusage Eures Klubobmannes Gottfried Hirz
bei einer Aussprache mit unserer Plattform im September erinnern: Er betonte,
die Grünen würden das BürgerInnenbegehren respektieren und keinem Börsegang vor
der Volksbefragung zustimmen.
Eure jetzige Argumentation zur Einhaltung des
Firstenlaufs ist für uns nicht nachvollziehbar. Bereits beim Beschluss des
Landtages am 5. Juli war bekannt, dass es dieses BürgerInnenbegehren gibt, dass
zu dessen Einleitung sechs Monate zur Verfügung stehen und dass ein Börsegang
vor der ordnungsgemäßen Beendigung der Befragung ein glatter Verfassungsbruch
wäre. Es kann nicht darum gehen "die Fristen bis zur Volksbefragung so
weit als möglich zu verkürzen, wenn die Unterschriften eingereicht sind"
(Landesrat Anschober, OÖ-Nachrichten, 27.11. 2007). Ein Börsegang vor
Durchführung der BürgerInnenbefragung würde die politischen Institutionen
nachhaltig diskreditieren. Eine derartige Justamentaktion – Börsegang um jeden
Preis! – könnte auch schweren wirtschaftlichen Schaden für die Energie AG und
damit für alle Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher heraufbeschwören.
Dass am Börsegang interessierte Banken das Gegenteil behaupten, wird wohl
keinen kritisch Denkenden verwundern. Jetzt muss es darum gehen, die Fristen
voll auszuschöpfen, um die BürgerInnen umfassend zu informieren und ihnen noch
ausreichend Zeit zur Meinungsfindung zu geben.
BürgerInnen sind BürgerInnen, unabhängig davon, ob sie
ein rotes, schwarzes, grünes oder überhaupt kein Parteibuch haben. Die
Versuche, das BürgerInnenbegehren als Parteiveranstaltung der SPÖ zu
diskreditieren, ziehen deshalb nicht. Freilich hat die SPÖ das Begehren
initiiert. Es wäre aber auch den Grünen gut angestanden, die BürgerInnen bei
einer derartig wichtigen Entscheidung über die Daseinsvorsorge im Land
miteinzubeziehen.
Bereits 1987 forderte der damals noch junge grüne
Parlamentsklub die verpflichtende Durchführung von Volksabstimmungen, wenn
Volksbegehren bundesweit mehr als 100.000 UnterzeichnerInnen finden. In der
Begründung zu diesem Antrag heißt es:
"Wichtige politische Auseinandersetzungen der
letzten Jahre haben gezeigt, wie bedeutsam die konkrete Meinungsbildung der
Bevölkerung zu einzelnen Themen für die politische Akzeptanz der zu treffenden
Entscheidungen ist. Je weitreichender die Konsequenzen politischer
Entscheidungen vor allem auch für die Zukunft und für kommende Generationen
sind, umso wichtiger ist auch diese Akzeptanz und die Möglichkeit für viele
Menschen, in den Entscheidungsprozess einzugreifen. Die Weiterentwicklung des
Instrumentariums der direkten Demokratie ist nicht nur aus diesem Grund ein
Gebot der Stunde, sondern auch unverzichtbarer Bestandteil einer Politik der
weiteren Demokratisierung unserer Gesellschaft."
(II-875 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen
des Nationalrates, XVII. Gesetzgebungsperiode)
Angesichts dieser Grundsatzposition ist es völlig
unverständlich, wenn heute die klare Willensäußerung von landesweit 90.000
UnterzeichnerInnen kleingeredet wird und durch einen Börsegang vor der
Volksbefragung faktisch ad absurdum geführt werden soll.
Wir bitten Euch um baldige Antwort!
Mit besten Grüßen
f. d. Plattform BürgerInnen gegen Ausverkauf
Boris Lechthaler
|