Michael Genner, Asyl in Not, brandmarkt die neuesten
Tiefpunkte heimischer Asylpolitik.
Wahlen stehen vor der Tür, der Sumpf breitet sich aus,
quer durch die Parteien. Ein sattsam bekannter Landesführer schiebt
tschetschenische Familien, nach dem Zufallsprinzip, ohne irgendein rechtsstaatliches
Verfahren, aus seinem Reichsgau ab. Unter ihnen schwer Traumatisierte, unter
ihnen einen Jugendlichen, der vor kurzem erst von einem Nazi-Klachl mit
Messerstichen schwer verletzt worden ist.
Der Kanzler von schwarzen Gnaden zeigt öffentlich seine
Unwissenheit und Arroganz: Asylverfahren müssten dort geführt werden, wo der
erste Antrag gestellt wurde. Dass es eine Selbsteintrittspflicht Österreichs
gibt, wenn Dublin, strikt angewandt, zu einer Grundrechts- verletzung führt, ist
ihm offenbar völlig unbekannt.
Wie wir aus Traiskirchen hören, hat der jetzige Minister
für Deportation den Ukas erlassen, Familien auseinander zu reißen. Jeder
Familienvater kommt in Schubhaft, wenn er aus einem anderen (nicht sicheren)
„Dublin“-Staat weitergeflüchtet ist.
„In Traiskirchen spielen sich unvorstellbare Szenen ab“,
lesen wir in einem Augenzeugenbericht. „Frauen brechen zusammen, legen sich
auf den Boden, klammern ihre Babys an sich. Ein Beamter meinte dazu: ‚Wos wü’ de
Funzn?’ „Ein Familienvater (ein Baby, ein Kleinkind) kam in
Schubhaft; seine schwerst kriegstraumatisierte Frau musste daraufhin stationär in
die Psychiatrie. Da sonst die zwei Kinder unversorgt gewesen wären, kam der
Mann aus der Haft. Das Baby musste aber gestillt werden und die Frau hielt es
ohne das Baby nicht aus. Also wurde sie aus dem Spital entlassen. Sofort wurde
über den Mann wieder die Schubhaft verhängt.
„Die Frau erlitt einen Zusammenbruch, sie lag mit den
Kindern am Boden bei der Polizeistation.“
Wie wir hören, wird es auch manchen Fremdenpolizisten zu
viel. Sie wollen nicht mehr für das Asylamt und das Ministerium die
„Drecksarbeit“ machen. Sie haben keine Freunde; sie ertragen sich selbst nicht
mehr. Warum meutern sie nicht? Warum treten sie nicht offen für die Abschaffung
des unsinnigen, menschenunwürdigen „Dublin“-Systems ein?
An diesem System ist nichts mehr gesund. Es zerstört auch
die, die ihm dienen. So beginnt ein Wahljahr, das wieder einmal den Sumpf zum
Brodeln bringen soll. Wieder einmal schweigt dazu der Großteil der ach so
demokratischen Öffentlichkeit.
Asyl in Not schließt mit all dem keinen Frieden. Wir
schweigen nicht. Das neue Jahr wird hart.
Michael Genner Asyl in Not
Währingerstraße 59 1090 Wien
Tel. 408 42 10-15, 0676 – 63 64 371
www.asyl-in-not.org
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