Analyse der Parlamentswahlen und die Folgen Sarkozy, der den Allmachtsanspruch erhebt, konnte wie erwartet seinen Präsidentschaftserfolg auf die Parlamentswahlen umlegen. Da er seine Präsidentenrolle nicht als oberster Schiedsrichter, sondern als erster Akteur zur Umsetzung seines Programms versteht, übernimmt er auch bereits die Regierungsrolle des Ministerpräsidenten ( Wahlkampf für die Legislativwahlen; direkte Kontakte zu den Gewerkschaften; Vorbereitung aller Reformvorhaben …) und als höchster Vertreter Frankreichs in der Welt auch jene des Außenministers ( Merkelbesuch; geänderter Verfassungsvorschlag; G8 Treffen; gegen Türkeibeitritt zur EU; Unterstützung der US-hörigen rechten Regierung im Libanon 13. Juni; Polenbesuch 14. Juni Verfassungsschwerpunkt …) .
Dass dies konträr zum Artikel 5 bzw.20/21 der Verfassung steht, stört ihn nicht, denn die wird er dahingehend abändern lassen. Das Parlament, in dem seine Partei (UMP) am 17. Juni eine noch größere Mehrheit als bisher erhält (bisher 358 Abgeordnete), wird seiner Rolle nichts in den Weg legen. Die Sozialisten stellen als einzige Opposition nur mehr eine relative Minderheit dar. Auch die KP hat nur mehr eine kleinere Parlamentsgruppe (bisher 22). Momentan hat Frankreich eine monarchistische Einparteienherrschaft und ist nicht einmal vergleichbar mit dem 2 Parteiensystem der USA. Aber Frankreich ist nicht die USA. Diese totale Mehrheits-Situation führt unweigerlich dazu, dass die echte Opposition eine außerparlamentarische sein wird und das nächste Jahr wird zeigen, ob es Sarkozy gelingt die Arbeiterschaft und den von vielen sozialen Gruppen getragenen Widerstand ( NEIN ZUR EU-Verfassung; erfolgreicher Widerstand der Straße gegen den Erstanstellungsvertrag CPE, den die Rechte trotz ihrer Mehrheit nicht durchsetzen konnte; die wiederholten Streikbewegungen; z.B. bei EADS, gegen die neoliberale Politik so nachhaltig zu brechen, wie es Thatcher im Bergarbeiterstreik (1984/85) und Reagan im Fluglotsenstreik ( 981) gelungen war. Damit war für Jahrzehnte freie Bahn für den Neoliberalen Turbokapitalismus geschaffen worden. Oder aber ob es den Initiativen von Unten über breite lang anhaltende Mobilisierungen gelingt einen weiteren Keil in das Getriebe des Neoliberalismus zu treiben und so für ganz Europa eine bessere Ausgangsbasis für antikapitalistische Aktionen zu schaffen. DER 1. WAHLGANG VOM 10. JUNI 2007
Von den 7 639 KandidatInnen ( 80 Parteien; im Schnitt gab es 13 KandidatInnen pro Wahlkreis) blieben aufgrund des Mehrheitswahlrechtes nach dem 1. Wahldurchgang der Legislativwahlen am 10.Juni 2007 933 KandidatInnen übrig, die in 465 Duellen und einer Dreierkombination um die weiteren Abgeordnetenplätze kämpfen ( insgesamt 577): Im ersten Wahlgang waren bereits 109 Abgeordnete ( 2002 waren es nur 58) die auf Anhieb über 50% der Stimmen erreicht hatten, gewählt worden (106 UMP/Neues Zentrum und 2 Rechtsextreme Villiers ). Von den Sozialisten hatte dies ein einziger geschafft. Die SP hatte bisher 140 Abgeordnete und diesmal werden es weniger sein. Die Rechten gewannen vor allem weiterhin einen Stimmenanteil von der Nationalen Front LePens, die dadurch von 11,11% (2002) auf 4,29% schrumpfte. Die nach den Präsidentschaftswahlen gegründete Zentrumspartei Bayrous (MoDem: mouvement démocratique) wurde ebenfalls nach rechts hin mehr als halbiert, im Vergleich zu den erreichten Stimmen Bayrous im 1. Wahlgang der Präsidentschaftswahlen. Mit zwei Millionen Stimmen kommt sie auf 7,76%. Vor 4 Wochen hatte Bayrou 6,8 Millionen Stimmen und 18,50% erreicht.
Prozentuell konnte die KP ihr Ergebnis von 2002 (3,37% 960 000 Stimmen) auf 4,62 % 1,14 Millionen Stimmen verbessern und im Vergleich zum katastrophalen Abschneiden bei der Präsidentschaftswahl 2007( 1,9%) verdoppeln. Die orthodoxen Kandidaten hielten sich besser als die Globalisierungskritischen rund um die Parteivorsitzende Marie-George Buffet, die nach dem schlechten Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen ( 1,9% 707 000 Stimmen) bereits im Herbst bei einem außerordentlichen Parteikongress ihre Funktion zur Verfügung stellen wollte, hat nun doch nach den jetzigen 4,6% bei den Parlamentswahlen beschlossen bis zum nächsten ordentlichen Kongress 2008 den Vorsitz zu behalten. Dass die KP Abgeordnete erreicht, ist auf Wahlabsprachen mit der SP zurückzuführen. (Das Gleiche gilt auch für die Grünen). Daher gelten sie für die antikapitalistische Linke als nicht unabhängig von der SP. „Die KP ist nicht tot, sie bewegt sich noch“ meinte eine Journalistin von Le monde. Sie hat jedoch ihre flächendeckende Kraft verloren und ist nur mehr in einigen Regionen wirklich aktiv. Mit der FN, die ebenfalls 4,70% erreichte, geht die UMP keine Wahlabsprachen ein. So konnte sich nur die Tochter LePens für den zweiten Wahlgang qualifizieren und hier ruft die UMP auf nicht die FN zu unterstützen.
Die aufgesplitterten Grünen kamen auf 3,25%; ein Teil von ihnen war zum MoDem (Zentrumspartei Bayrous) übergelaufen und hatte auf deren Liste kandidiert. Die Linksextremen (LO; LCR) kamen auf 3,44%, wobei die LCR 213 000 Stimmen im Vergleich zu 2002 dazu gewinnen konnte (insgesamt 534 000). Bei den vorangegangenen Präsidentschaftswahlen bekam Besancenot 1,5 Millionen Stimmen. Die LCR kündigte an eine neue antikapitalistische von der SP unabhängige Partei gründen zu wollen, mit einem klaren antikapitalistischen Programm, die eine radikale Kraft darstellt und unmittelbare Forderungen verteidigen kann; eine Bewegung, die konsequent für Reformen kämpft und eine Partei darstellt, die die revolutionäre Veränderung nicht aus den Augen verliert.
Welche Gründe führten dazu, dass es vier Wochen zuvor die seit 40 Jahren höchste Wahlbeteilung bei der Präsidentschaftswahl gab (85%) und jetzt bei den Parlamentswahlen die niedrigste mit 39,6% der Enthaltungen?
Der Hauptgrund liegt in der Abänderung des Wahlmodus zwischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, der mit dem Einverständnis der Sozialisten vollzogen worden war und der die Rolle des Präsidenten ins Zentrum jeglicher Politik rückt. Vor 2002 war der Präsident auf 7 Jahre gewählt worden und das Parlament auf 5 Jahre. Jetzt beide auf 5 Jahre und die Parlamentswahl findet unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl statt. Nachdem Sarkozy diese Wahl mit 2,2 Millionen Stimmen Vorsprung vor Royal gewonnen hatte, gaben ihm die WählerInnen jetzt logischerweise auch das weitere pouvoir zur Umsetzung seiner angekündigten Politik. Die von der Niederlage Royals sehr zahlreichen demoralisierten WählerInnen sahen keine Motivation mehr zur Urne zu gehen, da sie mit ihrer Stimme nichts mehr beeinflussen konnten; es sei denn sie wollten die SP finanziell nicht ganz im Regen stehen lassen, denn die Parteienförderung hängt von den erreichten Stimmen im ersten Wahlgang und der Anzahl der gewählten Abgeordneten im Parlament ab. Einige machtgierige SP-ler, die Sarkozy in die Regierung nahm taten ihr Weiteres, um das Desinteresse der WählerInnen zu fördern. Die UMP wird im Geld schwimmen und auch Le Pen wird tiefe Veränderungen aufgrund der finanziellen Einbußen vornehmen müssen. Noch will der 79 Jährige nicht abdanken und auf alle Fälle bis zur EU-Wahl 2009 seine Partei weiterhin an- bzw. abführen. Das Los der FN scheint vorerst besiegelt zu sein, es sei denn eine tief greifende internationale Krise à la 1929 würde der Rechtsextremen wieder eine Regierungschance bieten.
Ein zweiter Grund liegt darin, dass die SP weiterhin Flügelkämpfe um die Vorherrschaft in der Partei führt und ihre Wahlkampflinie darin bestand die Politik Sarkozys zu kritisieren aber keine eigenen Vorschläge zu unterbreiten. Den Wahlkampfkritikpunkt über die Einführung einer „Sozialen Mehrwertsteuer“ ( plus 4%) durch die neue Regierung unterband Sarkozy mit einer Aussendung aus seinem Regierungssitz, indem er erklärte, dass er keine Mehrwertsteuererhöhung akzeptieren werde, die einen Verlust der Kaufkraft zur Folge hätte. Nach den Gemeinderatswahlen im Herbst 2008 soll auf dem Kongress der SP beschlossen werden, wer den neuen Parteivorsitz übernehmen wird und welche Linie für die Partei festgelegt werden soll. Dominique-Strauß Kahn spricht von Neugründung einer großen Linkspartei, die vom Zentrum links bis zu radikalen Linken Kräften alles ansprechen soll. Royal wird ihre eigenen Vorstellungen einbringen. Die WählerInnen versuchen mit ihrer Stimme eine Partei zu wählen, die an die Macht kommt und tatsächlich Reformen durchführen kann. Deshalb sind auch von den Stimmenthaltungen alle anderen rechten und linken Gruppierungen betroffen, weil sie von vielen als nutzlos angesehen werden.
Die Sarkosystische Ansaugdynamik der WählerInnenstimmen von der FN hat sich so ausgedrückt, dass 28% nicht mehr für FN (wie im 1.Wahlgang der Präsidentschaftswahl) gewählt haben, sondern für einen Kandidaten der UMP. Noch stärker ist der Stimmenanteil, der von Bayrou zur UMP wanderte. Gleich 40% von jenen, die im 1. Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen Bayrou wählten, haben diesmal nicht für einen Kandidaten seiner Partei gestimmt, sondern für die Sarkozypartei. Dies beweist, dass es auch keine echte Öffnung des Zentrums in Richtung SP geben kann. Royal hatte sofort nach dem 10. Juni vergeblich im Alleingang einen solchen Annäherungsversuch mit Bayrou unternommen. Dies war auch von der Nationalen Leitung der SP verurteilt worden.
Wer ging nicht zur Wahl? 44% aller Frauen; 46% aller Arbeiter; 52% all jener, die ein sehr geringes Ausbildungsniveau besitzen. In den Banlieues, in denen Royal den größten Teil der abgegeben Stimmen bei der Präsidentschaftswahl erhalten hatte, gingen um die Hälfte weniger zur Wahl und dies traf in erster Linie die SP KandidatInnen. Die UMP büßte überall weniger ein.
Schögler Johann 15.Juni 2007
Ergebnisse des ersten Wahlgangs vom 10. Juni 2007 Wahlberechtigte 43 888 483 Gültige Stimmen 26 022 790 Enthaltungen 39,56% Linksextrem: 3,44% KP 4,62% SP 27,67% Grüne 3,25% MoDem (Zentrum) 7,76% UMP (Sarkozy) 45,52% Rechtsextrem 4,70% Verschiedene 3,04%
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