Samstag, 24. Januar 2009
 
EM in Salzburg: Keine Bullen im Stadion PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Sonntag, 8. Juni 2008

Salzburg versucht kurzfristig von der "Kulturstadt" für First Class-Touristen zur Fußballstadt zu werden. Die Preise bleiben aber salzburgerisch.

Die Erzbischöfe von Salzburg sind mächtige Männer - seit weit über tausend Jahren. Reich geworden durch den Salzhandel konnten die Bischöfe schon Kaiser Karl dem Großen im Jahre 798 die Erhebung der Diözese zum Erzbistum abverlangen. Jahrhunderte lang herrschten die Kirchenmänner über einen territorial wachsenden Staat, dessen Ausdehnung zeitweise über jene des heutigen Bundeslandes Salzburg hinausging. Einer der prächtigsten Fürsterzbischöfe, Wolf-Dietrich von Raitenau, ließ Anfang des 17. Jahrhunderts für seine Geliebte Salome Alt und die gemeinsamen 15 Kinder das Barockschloß Mirabell erbauen. Seine Nachfolger Sigismund von Schrattenbach und Hieronymus Graf Colloredo konnten sich einen Mozart als Hofkapellmeister leisten. Erst Napoleon machte dem Kirchenstaat ein Ende und schlug ihn dem verbündeten Bayern zu. Erzbischof Alois Kothgasser ist kein Landesfürst mehr. Seine Macht ist, verglichen mit den verschwenderischen Barockfürsten, bescheiden. Aber immerhin wurde für ihn eine Einbahnregelung außer Kraft gesetzt, damit er auch während der Fußball-EM ungehindert und jederzeit seinen Palast verlassen kann.

Denn die Fanzone in Salzburg erstreckt sich über drei Plätze mitten in der Altstadt, von denen zwei, der Kapitelplatz und der Residenzplatz, direkt am Dom liegen. Der kleinere Mozartplatz ist eine Verlängerung des Residenzplatzes. Drei Screens für Public Viewing, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, werden dort aufgerichtet. Dort, wo während der Salzburger Festspiele jeden Sommer der „Jedermann“ aufgeführt wird, soll jetzt Otto Rehagels Elf ihren Titel verteidigen. Für 50.000 Fans an den drei Spieltagen ist man gerüstet, versichert Daniela Kinz von der Salzburg Information. Für Salzburg ist das kein außergewöhnlicher Ansturm. In der Adventzeit und zu Silvester treiben sich auch oft so viele Touristen im historischen Kern nördlich der Salzach herum. Daß der Fanbereich zumindest teilweise in der Innenstadt liegt, gehört zu den Auflagen der UEFA. Für die Fremdenverkehrswerbung dürfte sich die malerische Kulisse der mittelalterlichen Feste Hohensalzburg und der barocken Kirchtürme nicht nachteilig auswirken. Es werden nicht nur Hardcore-Schlachtenbummler erwartet, vielmehr bringen viele Fans ihre Familien mit und nützen den Aufenthalt für den einen oder anderen Abstecher in die Museen oder die bergige Umgebung.

Der Fanbereich umfasst 22.000 m2 und soll Dutzenden Ständen für Getränke und Speisen Platz bieten. Hier herrschen die Sponsoren der UEFA und setzen ihre Exklusivrechte durch. Daß hier nur Carlsberg Bier ausgeschenkt werden darf, verärgert alle lokalen Brauereien außer dem mächtigen Stiegl Bräu, das die Importlizenz für die Produkte des dänischen Getränkeriesen hat. Die Preise sind mit 4,20 Euro pro Krügel (0,5 Liter) gesalzen – höher als auf dem nicht gerade preisgünstigen Oktoberfest. McDonald’s erlaubt zwar den Verkauf von Speisen, nicht jedoch von Hamburgern. Die Kreation des „Salzburgers“ musste also ein Gedankenspiel bleiben.

Man muß sich allerdings nur wenige Schritte aus der Fanzone hinaus begeben, um auch zu einheimischen Produkten Zugang zu bekommen. Am Ende der berühmten Getreidegasse, wo Mozarts Geburtshaus täglich hunderte Touristen anzieht, lockt das „Stern Bräu“ mit seinem geräumigen Gastgarten. Für Freunde des gepflegten Weizenbiers lohnt es sich, einen Spaziergang auf die andere Seite der Salzach zu unternehmen und dort im Gasthaus der Brauerei „Die Weiße“ ein Weißbier nebst deftiger Unterlage zu konsumieren.

Mit den Anrainern und den Vertretern der Gastronomie gab es Gespräche und Informationsabende. Dabei konnten Befürchtungen weitgehend ausgeräumt werden, meint der Host City Koordinator Wolfgang Weiss. Er schätzt sich glücklich, dass die Auslosung für Salzburg so günstig ausgefallen ist. Im Stadion bei Schloß Kleßheim spielt Griechenland gegen die drei Gegner der Gruppe B, Russland, Schweden und Spanien. Die Fans dieser Nationen sind bisher nicht als Hooligans aufgefallen. Sie feiern gern aber neigen nicht zu Gewaltexzessen.

Der Taxifahrer Albert B. wird der Stadt an den Spieltagen den Rücken kehren. Er hat keine Lust auf den Trubel. Und zusätzliches Geschäft kann er auch nicht erwarten. Das Stadion ist mit der Stadt über einen Shuttle-Service verbunden. Eine Eintrittskarte berechtigt auch zur Benützung der Bundesbahn und der öffentlichen Verkehrsmittel. Wer kein Ticket hat, der hat auch keine Veranlassung, zum Stadion zu fahren, denn dort wird den Fans – außer dem Match in einer streng be- und überwachten Arena - nichts geboten. Daher fürchtet der Taxilenker, ein Verkehrschaos im Zentrum. Schon jetzt ist der größte Teil der Altstadt Fußgängerzone und im Einbahnzirkus finden sich nur Einheimische zurecht.

Taxifahrer wurden nicht speziell auf das Fußballfest eingestimmt. Die Wirtschaftskammer versucht aber ihre Mitglieder mit Sprachkursen fit zu machen. An der Volkshochschule laufen neben Spanisch- und Russisch-Kursen auch eigene Vorbereitungsseminare für die weibliche Klientel, „Frauen raus aus dem Abseits“. Da sollen den bisher verständnislosen Ehefrauen von Fans die Grundlagen für das Verständnis eines Fußballspiels nahegebracht werden.

Das erst 2003 eröffnete Stadion wurde aufgestockt, dass es statt 15.000 über 30.000 Zuschauer fassen kann. Anders als an den anderen Spielstätten wird diese Erweiterung post festum nicht rückgebaut. Dietrich Mateschitz, Erfinder des klebrigen Prickelgetränks Red Bull und Hauptsponsor der Mannschaft Red Bull Salzburg, ist zuversichtlich, dass die erweiterte Kapazität in Zukunft für Spiele in der Champions League nützlich sein wird. Bei einem Match gegen Arsenal im Juli 2007 hat sich das Stadion jedenfalls gefüllt. Die Heimmannschaft hat zwar trotz Hochrüstung mit teuren Kickerstars den Meistertitel um drei Punkte verpaßt, doch gehören zukünftige Triumphe quasi zur Lebensplanung des ehrgeizigen Sponsors, der mit dem Hangar 7, einer Ausstellungshalle plus Gourmettempel nahe dem Flughafen eine neue Attraktion für Technologiefreaks geschaffen hat. Während des Fußballturniers wird Bullenwerbung im Stadion nicht geduldet. Die flächendeckend aufgebrachten roten Stiere mussten vor der Übergabe des Stadions an die UEFA Anfang Mai allesamt entfernt werden.

< zurück   weiter >