Nach dem Amstettner Inzestskandal schlägt die Stunde der Populisten: Die Rechtsaußen Strache und Westenthaler wollen nach dem Inzestskandal in Amstetten härter gegen Sexualstraftäter vorgehen.
Rudolf Mayer ist erschüttert. Der Wiener Staranwalt, der den mutmaßlichen Inzest-Täter Josef Fritzl aus Amstetten vertritt, bekam in den letzten Tagen eine Serie von E-Mails, die er nicht lustig finden kann. Gemeinsam mit seinem Mandanten gehöre er aufgehängt, war der Tenor der rabiatesten Hassbotschaften.
Mayer hat die angesichts des umfassenden Geständnisses des Beschuldigten und überwältigender Sachbeweise für dessen vorsätzliche Straftaten die einzig mögliche Verteidigungslinie eingeschlagen: Er plädiert auf Unzurechnungsfähigkeit des Mannes, der seine eigene Tochter 24 Jahre im Bunker eingesperrt und jahrelang missbraucht hat.
Die anonymen Hetzer mögen besonders extremistisch sein, doch laut jüngsten Umfragen befürworten 63 Prozent der Bevölkerung Strafverschärfungen für Sexualstraftaten. Politische Trittbrettfahrer lassen nicht lange auf sich warten.
Ganz oben auf der Populismuswelle reitet Peter Westenthaler, der seinem BZÖ durch stramme Law-and-Order-Politik Aufschwung verschaffen will. In der Fernsehpressestunde am Sonntag forderte er die Verdoppelung aller Strafen für Sexualstraftäter, chemische Kastration von Wiederholungstätern und eine öffentlich einsehbare Täterkartei. Außerdem sollen Personen, die ihre Strafe abgesessen haben, mit Berufsverbot belegt werden und sich nicht in der Nähe von Schulen, Kindergärten oder Familien mit Kindern ansiedeln dürfen. "Die haben ihr Menschenrecht verwirkt", so der Chef der kleinsten Parlamentspartei, die eigentlich nur in Kärnten präsent ist. Das BZÖ bringt zudem am Mittwoch einen Misstrauensantrag gegen Justizministerin Maria Berger, SPÖ, ein. Es wirft ihr vor, nicht für Strafverschärfungen gesorgt zu haben.
Die ÖVP, die sich in Sachen Recht und Ordnung nicht gerne rechts überholen lässt, äußerte sich zunächst wohlwollend zu den Tiraden Westenthalers. Er spreche die richtigen Probleme an, habe aber keine Lösungen parat. ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer forderte am Dienstag "null Toleranz bei Sexualdelikten". Auch die FPÖ stimmte erwartbar in den Chor ein. Heinz Christian Strache glaubt nicht an die Resozialisierbarkeit von Sexualdelinquenten und wünscht sich lebenslange Freiheitsstrafen.
Experten wie der Kriminalpsychologe Thomas Müller sind davon überzeugt, dass sich Triebtäter nicht von höheren Strafen abschrecken lassen. Man müsse bei der Prävention ansetzen. Und aus dem Justizministerium heißt es, die Rückfallquote bei vorzeitig entlassenen Sexualstraftätern sei mit unter 5 Prozent niedriger als bei anderen Delikten.
Justizministerin Maria Berger versuchte abzuwiegeln und sprach sich zunächst nicht grundsätzlich gegen Strafverschärfungen bei Sexualstraftätern aus. Doch betonte sie, dass man darin "kein Allheilmittel" sehen dürfe. Zuerst sei aber die Rechtsprechung zu evaluieren, ob die Richter das Strafmaß nicht ausreichend ausschöpfen.
Berger und die Grünen sprechen sich dafür aus, die Tilgungsfristen für Sexualdelikte zu verdoppeln. Außerdem sollen die Behörden in Adoptions- und Pflegschaftsfragen verpflichtet werden, das Vorleben der Antragsteller zu überprüfen. Bisher ist das eine Kann-Bestimmung.
Aus der Klinik in Amstetten berichten Ärzte und Anwalt, dass die Familie erstaunlich guter Dinge sei und sich die von Geburt an Eingekerkerten langsam an Frischluft und Sonnenlicht gewöhnen. Der Wunsch von Elisabeth F., ihre im künstlichen Tiefschlaf befindliche Tochter Kerstin im Landeskrankenhaus zu besuchen, kann derzeit nicht erfüllt werden, da Reporter und Paparazzi weiter beide Krankenhäuser belagern.
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