Bolkestein reloaded? Nach massiven Protesten und dem späten, aber doch noch rechtzeitigen Erwachen des Europäischen Parlaments Anfang 2006 wurde der Entwurf für die EU-Dienstleistungsrichtlinie überarbeitet. Diese Überarbeitung wurde von Rat und Kommission nochmal überarbeitet. Daß da Skepsis laut wird, braucht niemanden zu wundern...
"Entgegen dem Wunsch des Rates und der Kommission, den Gesetzgebungsprozess bereits nach der ersten Lesung zu beenden, wird es eine zweite Lesung geben. Es ist das gute Recht des Europaeischen Parlaments, die Aenderungen, die der Rat an dem vom Parlament in erster Lesung beschlossenen Text vorgenommen hat, gruendlich zu ueberpruefen. Es ist eine Selbstverstaendlichkeit, dass das Parlament als Mitgesetzgeber den gemeinsamen Standpunkt des Rates in zweiter Lesung diskutiert und dazu auch eigene Aenderungsantraege beraet und beschliesst, um noch unklare Ratsvorschlaege zu praezisieren." Aus den Worten einer Presseaussendung der Gruenen Fraktion im Europaeischen Parlament spricht leidvolle Erfahrung -- die revidierte Fassung der Dienstleistungsrichtlinie liegt derzeit auf dem Tisch des EP. Und das nun sehr verklausulierte Werk wird wohl nicht so schnell beschlossen werden, wie es Kommission und Rat sich vorstellen -- denn im EP weiss man, was es bedeutet, wenn diese Institutionen etwas schnell durchziehen wollen. Auch die KPOe hat sich mit "Bolkestein neu" beschaeftigt: "Wie sich jetzt herausstellt, wurde die im Ergebnis massiver Proteste am 4.April 2006 von der EU-Kommission vorgelegte modifizierte Richtlinie zwischenzeitlich vom Rat am 29./30.Mai 2006 bereits soweit verwaessert, dass das formell gestrichene Herkunftslandsprinzip durch die Hintertuer droht", meint KPOe-Kommunalsprecher Leo Furtlehner. Unter dem Titel einer "wettbewerbsorientierten Deregulierung" wurden mittlerweile die schon urspruenglich vorgesehenen drei Prinzipien um eine Liste mit sieben Anforderungen erweitert. Im Ergebnis duerfen die EU-Mitgliedslaender diese Vorschrift nicht umgehen und etwa die "Aufnahme oder Ausuebung einer Dienstleistungstaetigkeit gezielt regeln oder beeinflussen". Nach Ansicht der KPOe verbirgt sich der Freibrief fuer Dumping bei Loehnen, Sozialleistungen, Umwelt- und Verbraucherschutz hinter schwammigen Formulierungen. Im Ergebnis werde die Richtlinie es somit nach dem Prinzip der "Selbstverwaltung der Wirtschaft" im Sinne einer "schlanken Gesetzgebung" ("better regulation") ermoeglichen, Dienstleistungen nicht nach den Bestimmungen des Bestimmungslandes, sondern des Herkunftslandes durchzufuehren. Vom Europaeischen Gerichtshof werde in diesem Sinne eine "gerechte Balance" zwischen den Grundrechten einerseits und den zum Dogma erklaerten vier Grundfreiheiten (Kapital, Waren, Personen, Dienstleistungen) erwartet. Wer dabei den Kuerzeren ziehen wuerde, koenne man sich leicht ausrechnen. Bezeichnenderweise waere von Kommission und Rat das vom Parlament vorgesehene Recht auf "gewerkschaftliche Massnahmen" mittlerweile gestrichen worden. Verwaessert worden waeren auch die Regelungen betreffend Entsenderecht, Zeitarbeitsagenturen, Gesundheitswesen und Soziale Dienstleistungen. Durch die Richtlinie drohe daher eine Reduzierung der Daseinsvorsorge auf eine Restgroesse "nicht-wirtschaftlicher Dienste" von Militaer, Justiz und Polizei, so die KPOe. (EU-Gruene, KPOe/akin) |