Foto: Indymedia William Bradley Roland, von seinen Kollegen Brad Will genannt, ein 36 jähriger Dokumentarfilmer von der unabhängigen Nachrichtenagentur Indymedia aus New York wurde am Nachmittag des 27. Oktober just von jenen Paramilitärs erschossen, die der im ganzen Bundesstaat Oaxaca verhasste Gouverneur Ulises Ruiz vor Jahren angeheuert hatte, um die mehrheitlich indianische Bevölkerung zu terrorisieren. Der Tod des jungen Zeitzeugen, der Anfang Oktober nach Mexiko kam, weil er es satt hatte, den Lügen der „Big Media“ über die Situation in Oaxaca tatenlos zuzuhören, bildete den Auftakt für die seit einigen Wochen vorbereitete gewaltsame Besetzung der ehemaligen Turistenstadt durch die aus der mexikanischen Hauptstadt herbeigekarrten Polizei- und Armeekontingente.
Kurz zuvor hatte Brad Will unter dem Titel „Tod in Oaxaca“ einen Artikel veröffentlicht, der von den internationalen Nachrichtenagenturen ebenso wenig zur Kenntnis genommen wurde wie die zahlreichen Dokumentationen der mexikanischen Alternativmedien über die Eskalation der Repression in Oaxaca: „Ich war auf dem Weg zurück von Alejandros Barrikade, zusammen mit anderen Leuten von der APPO, der Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca, die eine halbe Stunde gebraucht hatten, um zum Leichenhaus zu gelangen. Die Wut stand ihnen ebenso ins Gesicht geschrieben wie mir, der ich noch wenige Tote in meinem Leben gesehen hatte. Hier vor dem Haufen namenloser Leichen, die zum Himmel stanken, erzählten sie mir, wie Alejandro davon geträumt hatte, dass er zu Allerheiligen zusammen mit seiner Familie die Gräber der Gefallenen besuchen würde – und dabei denken würde, dass jetzt der Albtraum vorbei ist.“
Weder der Lehrer Alejandro Garcia noch Brad Will noch die anderen beiden Professoren, die am vergangenen Freitag von den Paramilitärs niedergemetzelt wurden, haben mit ihrer Hoffnung Recht behalten, dass Präsident Vicente Fox im letzten Moment zurückstecken würde, um ein Blutbad in Oaxaca zu verhindern. Der Grund für diese Sturheit liegt in der merkwürdigen Allianz, welche die Regierungspartei PAN (Partido de Acción Nacional) mit der alteingesessenen PRI (Partido Revolucionario Institucional), die sich im Laufe ihrer 6o jährigen Geschichte schon immer auf das schmutzigste aller Handwerke verstanden hat, bereits im Vorfeld zu den letzten Präsidentschaftswahlen vom 2. Juli geschlossen hatte. Dieser Allianz hat es der Kandidat der PAN, Felipe Calderon, letztendlich zu verdanken, dass der mit Unterstützung der PRI geplante Wahlbetrug zwar nicht ganz glimpflich, aber doch mit dem Segen Washingtons und weiter Teile der internationalen Öffentlichkeit über die politische Bühne gegangen ist.
In diesem Sinne ist also Oaxaca das Faustpfand der Schergen von der PRI, einer Partei, die in Oaxaca ebenso wie in den von den Zapatisten umkämpften Gebieten von Chiapas paramilitärische Strukturen aufgebaut hat, welche den Todesschwadronen von El Salvador, Guatemala oder Haiti in nichts nachstehen. Foto: Diario Novedades
Wie lange wird es noch dauern bis die Regierungen der Europäischen Union, die immer so sehr auf ihr Demokratieverständnis pochen, wenn es um den Nahen und Mittleren Osten geht, ihre Stimme erheben, um diesem sinnlosen Gemetzel, das derzeit in Mexiko um sich greift, Einhalt zu gebieten? Und wie lange wird es dauern, bis die Medien des politischen Mainstreams endlich über eine grauenvolle Realität berichten, die bereits seit Monaten in ein Blutbad auszuarten droht? Alle diese Fragen haben sich die Menschen an den Barrikaden immer wieder gestellt, als sie den Rücktritt des unerbittlichen Diktators von Oaxaca forderten. Und alle diese Fragen hatte sich sicher auch Brad Will gestellt, als ihn die Kugel der Schlächter erreichte, die er noch kurz zuvor gefilmt hatte. „Er arbeitete nicht für die großen Fernsehanstalten und er verdiente keinen Gehalt. Er war einer der, die mit den einfachen Leuten im Autobus saß, damit ihre Stimmen gehört werden“, erklärte der Zapatistenführer Subcomandante „Marcos“, als er von Brad Wills Tod erfuhr.
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