Die USA schirmen sich gegen Migranten aus Mexiko mit einem hohen Zaun und bewaffneten Grenzpatrouillen ab. Wer aus Zentralamerika illegal in die USA einreisen will, muß erst durch Mexiko. Dort erledigen die mexikanischen Sicherheitskräfte das Geschäft der US-Grenzpatrouillen. Viele der Auswanderer werden schwer mißhandelt oder überleben ihre Festnahme nicht.
(Mexiko-Stadt, 15. Februar 2005, cimac-poonal).- Als Teil des von Präsident Felipe Calderón Hinojosa geförderten Operativplans "México Seguro" (Sicheres Mexiko) wird die Südgrenze des Landes seit dem 19. Januar verstärkt bewacht. Wie das Menschenrechtszentrum Fray Matías de Córdova beklagt, kommt es seither bei den nächtlichen Patrouillengängen der Mitarbeiter der staatlichen Migrationsbehörde Instituto Nacional de Migración (INM), der polizeilichen Ermittlungseinheit AFI (Agencia Federal de Investigación) und der Präventivpolizei PFP (Policía Federal Preventiva) zu systematischen Einschüchterungen sowie massiven verbalen und physischen Angriffen auf MigrantInnen. "Nach eigenen Aussagen gehen die Sicherheitskräfte oft so weit, die Frauen gewaltsam zu entkleiden und zu drangsalieren. Sie bedrohen die MigrantInnen und behandeln sie wie flüchtige Kriminelle. Dadurch provozieren sie die verschiedensten Unfälle, die das Leben dieser Menschen, einschließlich der Kinder, die sich in ihrer Begleitung befinden, gefährden."
Angesichts dieser Situation fordert das Zentrum Fray Matías de Córdova in einem Brief an Felipe Calderón, Innenminister Francisco Ramírez Acuña, den Leiter der staatlichen Menschenrechtskommission José Luis Soberanes, an die Leiterin des INM Cecilia Romero und an den Leiter der Staatssicherheitsbehör de Genaro García Luna "die sofortige Einstellung der verbalen und physischen Gewalt, der Belästigung und Bedrohung der MigrantInnen durch die an der Grenze eingesetzten Polizei- und Sicherheitskräfte". Calderón Hinojosa solle "eine sofortige gründliche Untersuchung der tatsächlichen Aufgaben und der Funktionalität der Grenzsicherung" anordnen, die aktuell für die "massive und systematische Menschenrechtsverletzung der MigrantInnen" verantwortlich sei.
In der Gemeinde Arriaga in Chiapas wurden in der Nacht zum 10. Februar bei einem Einsatz von AFI, PFP und INM 115 Personen ohne Ausweis im Abschnitt "El Paraíso" verhaftet. Es handelte sich um 43 Guatemalteken, 32 Personen aus Honduras, 27 aus El Salvador, zwölf aus Nicaragua und einer aus Kuba, die sich in einem Zug zehn Kilometer vor der Station Arriaga befanden.
In dem Güterzug, der Freitag Nacht bei Paraíso in der Gemeinde Arriaga im Rahmen einer Aktion gegen illegale Einwanderung von den Behörden festgesetzt wurde, reiste auch die 25jährige Teresa García Tiu, gemeinsam mit über 500 weiteren Personen. "Wir stiegen ein, und etwa eine Stunde nach der Abfahrt, bei Chauite, zwischen Chiapas und Oaxaca, blieb der Zug plötzlich stehen. Auf beiden Seiten der Gleise standen Polizisten, die uns brüllend aufforderten auszusteigen", erzählt sie der Presse vom Krankenbett aus. Zusammen mit vier weiteren Personen, die bei der Aktion verletzt wurden, befindet sich García Tiu im Krankenhaus von Arriaga.
Die Menschen hätten begonnen, vom Dach des Zuges zu springen, während etwa 400 Polizisten von PFP und AFI sowie Mitarbeiter des INM auf sie eingedroschen und sie in die Polizeiwannen getrieben hätten. "Ich bin hingefallen, und die anderen Menschen liefen über mich drüber. So verlor ich das Bewusstsein", erzählt García Tiu. "Eine Frau aus El Salvador war im fünften Monat schwanger. Ich konnte sehen, wie sie sie wegzerrten und auf sie einschlugen, um sie zu verhaften. Es war sehr brutal, es wurde viel geschrieen."
Auch die 26jährige Yolanda Amita de León Méndez aus San Marcos in Guatemala reiste in dem Zug. Als sie aus dem Waggon fiel, wurde ihr Bein vom Zug überrollt. Ihr wurde ein Fuß amputiert. Andere Verletzte flohen in das katholische Zentrum "Casa del Migrante" in Arriaga. Ins Krankenhaus wollen sie nicht, aus Furcht, verhaftet und abgeschoben zu werden.
Niemand weiß genau, wie viele Personen bei der Aktion verwundet oder verstümmelt wurden. "Die Menschen wurden mit Schlägen aus dem Zug getrieben, zum Teil setzten die Ordnungskräfte Knüppel und Wurfgeschosse gegen die MigrantInnen ein", so der Pfarrer Heyman Vázquez Medina. Einige konnten sich im Gebüsch verstecken, anderen gelang die Flucht zum Casa del Migrante, die meisten wurden jedoch festgenommen und ins Gefängnis von Arriaga überstellt. Von dort aus werden sie in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt.
Wiederholt haben mexikanische und internationale Menschenrechtsorganis ationen darauf hingewiesen, dass Menschenrechtsverletzungen gegen MigrantInnen aus Mittelamerika nicht nur von Mara-Jugendbanden, bewaffneten Gruppen und Schleusern ausgehen, sondern auch von Angehörigen ziviler und militärischer Behörden.
Wie der Pfarrer Herman Vázquez Medina, Leiter des Zentrums "Hogar de la Misericordia", das den MigrantInnen Unterkunft, Essen und medizinische Versorgung bietet, bereits mehrfach erklärt hat, betrachten die Behörden die MigrantInnen aus mittelamerikanischen Ländern als ihre Beute. Die internationalen Abkommen, in denen Mexiko menschenrechtliche Verpflichtungen eingegangen sei, nützten da genauso wenig wie die Versprechungen hinsichtlich der Rechte der MigrantInnen oder die zahlreichen Anzeigen, die in den Medien veröffentlicht worden seien. |