Im Jahr 2002 beschloss der Europäische Rat, die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) auf einer Liste terroristischer Vereinigungen einzutragen. Gegen diese Entscheidung klagte Osman Ocalan namens der PKK beim Europäischen Gericht erster Instanz (EUGI). 2005 wies das EUGI diese Klage ab. Ocalan ging in Berufung an den EUGH. Jetzt könnte dieser ihm rechtgeben - zumindest was die Zulässigkeit der Klage angeht.
Das EUGI hatte in seiner Zurückweisung bemängelt, daß Ocalan nicht nachweisen könne, dass er die PKK repräsentiere, da sie nach seinem eigenen Bekunden nicht mehr existiere. Generalanwältin Juliane Kokott vertrat hingegen in ihren Schlussanträgen letzten Mittwoch die Auffassung, dass die von Ocalan namens der PKK erhobene Klage zumindest teilweise zulässig sei. Nach Ansicht Kokotts habe die erste Instanz bei der Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu Unrecht aus der von Ocalan abgegebenen Erklärung, die PKK existiere nicht mehr, abgeleitet, dass er sie deswegen auch nicht mehr vertreten könne. Doch hätte berücksichtigt werden müssen, dass die PKK ihrer Natur nach über kein formales Statut verfügen konnte, ihr Kongress lediglich die Einstellung der unter ihrem Namen ausgeübten Tätigkeiten beschlossen habe, die Organisation selbst aber möglicherweise unter dem Namen KADEK fortbestehe. Gerade weil der Rat die PKK weiterhin als terroristische Vereinigung benenne, müsse die PKK berechtigt sein, gegen den entsprechenden Eintrag auf der Liste vorzugehen. Weiters habe nach Auffassung Kokotts das Gericht Ocalan keine Gelegenheit gegeben, seine Vertretungsbefugnis klarzustellen. Die Generalanwältin schlug daher dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) als Berufungsinstanz vor, zu entscheiden, dass Ocalan im Namen der PKK klagen dürfe, und seine Klage zur Entscheidung darüber, ob sie auch begründet ist, an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Damit ist in der Sache selbst noch nichts entschieden. Die Generalanwaltschaft hat keinerlei Entscheidungsbefugnis. Sollte der EUGH aber den Empfehlungen der Generalanwaltschaft folgen - was er im Schnitt in drei Viertel aller Fälle tut - könnte damit erstmals eine Klage gegen die umstrittene Terrorliste der EU zugelassen werden. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Wenn der EUGH auf Unzulässigkeit der Zurückweisung der Klage erkennt, kann das EUGI immer noch aus anderen Gründen die Klage zurückweisen. Sollte die Klage angenommen werden, ist damit noch nichts über die letztendliche Entscheidung der Luxemburger Richter gesagt. Immerhin spricht die Generalanwältin hier einer ihrer Natur als Untergrundbewegung nach nicht formalisierten Organisation dennoch Rechtspersönlichkeit zu - ein Vorgang, der vor allem in Zeiten der "Terrorbekämpfung" interessante Entwicklungen erwarten läßt. Siehe auch: EUGH-Aussendung |