Kolumbien: Alle oder keiner |
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Geschrieben von Harald Neuber
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Montag, 4. Juni 2007 |
Präsident Alvaro Uribe will einen Teil der Guerilleros aus der Haft entlassen. Die Guerillabewegung FARC lehnt dies ab.
Von Harald Neuber
Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe Vélez will Hunderte inhaftierte Mitglieder der Guerillaorganisation »Revolutionäre Streitkräfte« (FARC) freilassen. Am Samstag wurden 110 Kämpfer aus etwa 50 Gefängnissen in eine Haftanstalt im Zentrum des südamerikanischen Landes verlegt. Bis zum nächsten Wochenende sollen bis zu 250 FARC-Kombattanten entlassen werden, um im Gegenzug die Freiheit der Gefangenen der Guerillaorganisation zu erreichen. Doch sowohl die FARC-Führung als auch gefangene Guerilleros lehnen den Deal ab.
»Dieses Manöver soll lediglich von der schweren institutionellen Krise ablenken, die durch den Paraskandal verursacht wurde«, heißt es in einem Kommunique der Guerillaorganisation. Im Rahmen dieses Skandals waren in den vergangenen Wochen Verbindungen von gut einem Dutzend Kongressabgeordneten zu Paramilitärs bekannt geworden. Die rechtsextremen Milizen werden von kolumbianischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen für den überwiegenden Teil der politischen Morde in Kolumbien verantwortlich gemacht. Die Regierung ist durch die neuen Erkenntnisse schwer angeschlagen. Uribe hatte in der Vergangenheit Verbindungen zu den Paramilitärs stets geleugnet. Alle nun überführten Abgeordneten gehören jedoch ausschließlich seinem Lager an.
In einer gemeinsamen Erklärung hatten sich am Donnerstag vergangener Woche etwa 90 inhaftierte Mitglieder der FARC gegen eine einseitige Haftentlassung ausgesprochen, wie sie vom Präsidenten angekündigt wurde. Die Guerilla will einen humanitären Gefangenenaustausch erreichen. In einem Beitrag für die deutsche Tageszeitung junge Welt hatte FARC-Sprecher Raul Reyes unlängst darauf bestanden, dass im Gegenzug zur Freilassung der 56 »Kriegsgefangenen« der FARC alle etwa 500 Mitglieder der Organisation freikommen müssen. Zudem besteht die aufständische Gruppe auf der Demilitarisierung von zwei Verwaltungsbezirken im Südosten des Landes und einer grundsätzlichen sozialen Reform Kolumbiens.
Die FARC sind die größte und älteste Guerilla Lateinamerikas. Die 1964 gegründete Organisation verfügt über etwa 20.000 Kämpfer. Die Führung der FARC besteht auf der Freilassung aller Kampfgenossen. Die Regierung will jedoch nur jene Guerilleros aus der Haft entlassen, die wegen »Rebellion« gegen den Staat angeklagt sind. Nach Auskunft von Regierungsvertretern sollen hochrangige Mitglieder gefangen bleiben. In einem Telefonat mit Uribe hat sich zuletzt jedoch sogar der französische Präsident Nicolás Sarkozy für die Freilassung des FARC-Kommandeurs Rodrigo Granda ausgesprochen. Unter den Gefangenen der Guerilla, die von einem Austausch profitieren würden, befindet sich unter anderem die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. Die Grünen- Politikerin ist seit Februar 2002 in der Hand der Guerilla.
Auch der Herausgeber der kommunistischen Wochenzeitung VOZ (Die Stimme) hält den Vorstoß Uribes für »wenig glaubwürdig«. »Uribe versucht damit lediglich, von den schweren Vorwürfen gegen seine Regierung abzulenken«, sagte Carlos Lozano, den der Staatschef persönlich der Zusammenarbeit mit der Guerilla bezichtigt hatte. Nach Lozanos Ansicht führt die Regierung »seit fünf Jahren einen erfolglosen Kampf gegen die FARC. Ein Dialog wurde in dieser Zeit kategorisch abgelehnt«, sagte er. Dies aber sei der einzige Ausweg aus dem bewaffneten und sozialen Konflikt.
-- www.haraldneuber.de
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