Samstag, 24. Januar 2009
 
Bolivien: Das blaue Wunder von Cochabamba PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Thomas Guthmann   
Dienstag, 18. März 2008

Cochabamba ist seit Jahren ein Symbol für den erfolgreichen Widerstand gegen die Privatisierung der Trinkwasserversorgung. Sieben Jahre später ist die Bilanz allerdings ernüchternd.

Katerstimmung sieben Jahre nach dem Wasserkrieg

Einige Kilometer südlich vom Stadtzentrum Cochabambas befindet sich Mineros. Es ist einer der neuen Stadtteile der drittgrößten Stadt Boliviens. Die Straßen sind holprig und nicht mehr geteert und man braucht einen Allrad-Jeep, um bis in das Zentrum des am Hang gelegenen Stadtteils vorzudringen. In Mineros gibt es auch sieben Jahre nach dem Guerra de Agua (dem Wasserkrieg) keine Wasserleitungen. Die Wasserversorgung ist dürftig und wird in Eigenregie organisiert oder durch Tanklastwagen gewährleistet. Bis heute ist Cochabamba eine geteilte Stadt. Die Avenida Roma teilt die Metropole in jene im Norden der Stadt, die Wasser haben, und jene im Süden, die beim Thema sichere Trinkwasserversorgung das Nachsehen haben.

Die Ziele der sozialen Bewegungen, die 2000 erfolgreich die Privatisierung des lokalen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmen SEMAPA (Servicio Municipal de Agua Potable y Alcantarillado) verhindert hatten, schienen klar. Man wollte nicht, dass Wasser zu einer Ware wird. Dadurch sah man die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser gefährdet. Im Guerra de Agua waren es insbesondere die BewohnerInnen der Zona Sur, aus Stadtteilen wie Mineros, die sich gegen die Privatisierung wehrten. An ihrer Situation hat sich bis heute nicht viel geändert.

Für diese (Nicht-) Entwicklung gibt es verschiedene Ursachen, die ein strukturelles Problem der Wasserversorgung darstellen und bereits vor dem Privatisierungsversuch bestanden. Die Wasserversorgung als solche ist im Tal von Cochabamba schwierig. Zwar gibt es genügend Niederschlag, der fällt aber in der sehr kurzen Zeit zwischen November und April. Rückhaltesysteme für die Trockenzeit gibt es kaum. Die Gegend um die Stadt ist ein landwirtschaftlich sehr intensiv genutztes Gebiet mit hohem Wasserbedarf. Das Hochtal von Cochabamba gilt als oder eines der fruchtbarsten Gebiete des Landes. Durch das milde Klima in 2600 Metern Höhe und die Nähe zum dichtbesiedelten Hochland wurde daraus die Kornkammer des Landes. Aber auch die Stadt Cochabamba verbraucht immer mehr Wasser. Seit den fünfziger Jahren ist aus der beschaulichen Provinzstadt mit rund 75.000 Seelen eine Metropole von rund 700.000 EinwohnerInnen geworden. Den Bedarf an Wasser konnten die Versorgungssysteme von Cochabamba noch nie ausreichend decken.

Während die Landbevölkerung vor den Toren der Stadt aufgrund der unzureichenden Infrastruktur die Wasserversorgung seit langem selbst regelt, sind die StadtbewohnerInnen auf eine öffentliche Versorgung angewiesen. Das Problem der mangelhaften Wasserversorgung hat in Bolivien Tradition. Insgesamt hat landesweit kaum ein Drittel der armen Bevölkerung des Landes Zugang zu Trinkwasser.

Von der Privatisierung des Wassers versprachen sich die Regierenden eine Verbesserung der Infrastruktur durch ausländische private Investoren. Aber auch von außen gab es Druck, die Privatisierung durchzuführen. Bereits Mitte der Neunziger Jahre machte die Weltbank neue Kredite an das Unternehmen SEMAPA von einer Kapitalisierung und damit de facto Privatisierung abhängig. 1997 trieb das Parlament die Privatisierung des Wassersektors voran und bereitete die Privatisierung von SEMAPA vor. Dazu gehörte auch die Konstruktion von Tiefbrunnen in den ländlichen Regionen um die Stadt. Diese sollten die Wasserversorgungsinfrastruktur der Stadt verbessern und die Privatisierung vorbereiten. Die Bohrungen stießen auf erheblichen Widerstand durch die Landbevölkerung, die sich schon längere Zeit unabhängig von dem Wasserunternehmen selbst versorgte. Durch das Anzapfen des Wassers vom Land für die Stadt befürchteten sie negative Folgen für den eigenen Wasserhaushalt. In der Auseinandersetzung um die Bohrungen entstand die FEDECOR (Federación Departamental Cochabambina de Regantes), ein Lobbyverband kleiner und mittlerer Landbesitzer mit Zugang zu Wasser, kurz, ein Lobbyverband der Wasserbesitzer.

FEDECOR entwickelte sich in den Unruhen gegen die Privatisierung zu einem der wichtigsten Akteure des Widerstands gegen die Vergabe von Wasserkonzessionen an das private Unternehmen Agua de Tunari, ein Tochterunternehmen des US-amerikanischen Bauriesen Bechtel. Bechtel erhielt mit einem italienischen Konsortialpartner 1999 die Konzession für die Wasserversorgung. Nahezu zeitgleich mit dem Verkauf von SEMAPA an Agua de Tunari verabschiedete der bolivianische Kongress ein Gesetz, dass die Wasserversorgung neu regeln sollte und dem Besitzer der Konzession die alleinigen Nutzungsrechte auf das Wasser in Cochabamba zusprach. Dies kam einer Enteignung der Mitglieder von FEDECOR gleich und stieß sofort auf massiven Widerstand der Wasserbesitzer. Auch der Verkauf von SEMAPA führte zu Protesten. Insbesondere für die armen Bevölkerungsschichten waren die Preiserhöhungen katastrophal. Die Proteste waren darauf hin so massiv, dass sich Agua de Tunari bereits vier Monate nach der Übernahme der Konzession wieder aus dem Wassergeschäft zurückziehen musste.

Die Wasserbesitzer von FEDECOR erhielten daraufhin ihre Wasserrechte wieder und SEMAPA wurde wieder in öffentliche Hand überführt. In die Struktur des Unternehmens wurde eine Bürgerbeteiligung verankert. Sogenannte Bürgerdirektoren (Directores Cívicos), von der Bevölkerung gewählte RepräsentantInnen, gehören seither zum Vorstand von SEMAPA. Die Preiserhöhungen wurden zurückgenommen und die alte Rechtssituation wieder hergestellt. Nach dem Wasserkrieg kamen die Partikularinteressen der verschiedenen Akteure zum Vorschein. Die an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossenen EinwohnerInnen im Norden der Stadt verloren nach der Rücknahme der Preiserhöhungen ihr Interesse am Thema. Die FEDECOR konnte ihre Position als Akteur innerhalb der Wasserversorgung sichern. Nur die BewohnerInnen der Zona Sur blieben weiterhin von der öffentlichen Versorgung ausgeschlossen.

Ein Anschluss an das öffentliche Netz ist für sie nicht in Sicht. Bis heute wird in Cochabamba nach offiziellen Statistiken ein Fünftel der Bevölkerung durch Tanklastwagen versorgt. Die Dunkelziffer, so schätzen Experten, ist wegen des anhaltenden Zuzugs in die Stadt deutlich höher. Die Qualität des Wassers aus den Tankwagen ist katastrophal und die BewohnerInnen klagen immer wieder über verseuchtes Wasser. Der Preis des schlechten Wassers aus den Tanks beträgt ein Vielfaches dessen, was die zumeist wohlhabenderen BürgerInnen im Stadtzentrum für das Leitungswasser bezahlen müssen.

Trotz BürgerInnenkontrolle wurde das Ziel einer effektiven und transparenten Unternehmenspolitik des Versorgungsunternehmens zum Wohle der Cochabambinos nicht erreicht. Vielmehr ist es den alten lokalen Eliten gelungen, ein System der Klientelpolitik zu installieren, in die sich teilweise auch die gewählten Direktoren hineinziehen ließen. Das führte dazu, dass die Wahlbeteiligung bei den Wahlen der Direktoren heute bei nur rund fünf Prozent liegt. Deswegen fordern inzwischen Teile der Basisbewegungen, die Bürgerdirektoren wieder abzuschaffen und stattdessen eine Nachweispflicht des Vorstands gegenüber der Öffentlichkeit einzuführen.

Wegen dieser Probleme steht der Ausbau der öffentlichen Trinkwasserleitungen in den Sternen. Aber selbst wenn sie gebaut würden, wäre noch lange nicht gesichert, dass dann genügend Wasser vorhanden wäre, um die Leitungen zu füllen. Weder in Cochabamba noch überhaupt in Bolivien gibt es bisher ein Konzept für eine nachhaltige Wasserversorgung, das den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht wird und die Tatsache berücksichtigt, dass Wasser über weite Strecken des Jahres sehr knapp ist.

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