Eine
vom Betriebsrat der Lebenshilfe Salzburg organisierte Fahrt führte
am 31. März ins Schloss Hartheim, die größte
Euthanasieanstalt im „Dritten Reich“. Dort sind dem
„rassenhygienischen“ Handeln während der Nazizeit etwa
30.000 Personen zum Opfer gefallen. Die Ausstellung macht ein Plakat
sichtbar, auf dem gezeigt wird, dass sich „minderwertiges Leben“
im Vergleich zu ‚hochwertigen’ Menschen überproportional
vermehren könnte, die Botschaft war unmissverständlich:
würde es kein Regulativ geben, würden nur noch wenige
‚hochwertige’ Menschen die Gesellschaft bilden. Sehr unmittelbar
fällt auf, dass Rechenbeispiele wie diese heute Gültigkeit
besitzen.
Vielerorts
wird vorgerechnet, wie die demographische Entwicklung verlaufen
könnte, wenn die Geburtenrate von Menschen mit migrantischem
Hintergrund einen höheren Prozentsatz erreicht. Ein
Bedrohungsbild wird geschaffen. Gleichzeitig wird die „Überalterung“
der Gesellschaft in einer Art und Weise kommuniziert, die Menschen
hohen Alters als Belastungskriterium und Kostenfaktor definiert.
„Alte“ Menschen kosten, ohne nützlich im Sinne der
kapitalistischen Verwertbarkeit zu sein. Ein weiteres Bedrohungsbild
wird inszeniert. „Menschen mit Behinderung“ werden zunehmend im
Kontext einer Nützlichkeitsdebatte betrachtet. Eugenische
Maßnahmen, wie die pränatale Diagnostik bedingen nicht die
Solidarität der Gesellschaft, sondern eine Haltung, die es als
Selbstverständlichkeit erscheinen läßt, ein Kind mit
einer Behinderung als persönliche Überlastung zu
definieren, bedingen eine Haltung, die eine Legitimität erzeugt,
diesem Kind erst gar keine Lebenschance zu bieten. Um nicht
missverstanden zu werden: es geht nicht darum, dass jede Frau für
sich entscheiden muss, ob sie sich ihr Leben mit oder ohne Kinder
vorstellen möchte, es geht darum, dass die
gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass
„Menschen mit Behinderung“ als Belastung definiert sind. Die
Gesetzgebung sichert eine Orientierung ab, die darauf abzielt, dass
„Menschen mit Behinderung“ nicht unbedingt geboren werden müssen.
Dem individuellen Entscheidungsrecht der betroffenen Frau stellt sich
eine Gesellschaft entgegen, die Verantwortung personalisiert.
Sichtbar geworden ist dies etwa in der aktuellen Budgetdebatte zur
Verteilung der Mittel. Die Ausgaben im Bereich des Sozialen seien
jetzt schon viel zu hoch und würden eine gesunde Volkswirtschaft
gefährden.
Volkswirtschaft
und Volksgesundheit: Krankheiten gehören geheilt, ausgemerzt
(wie die Pest oder Cholera), im Vorfeld verhindert. Wie gesund sind
Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, für’s
Volk?
Beinahe
nahtlos schließt sich daran die Debatte um die neue
fremdenpolizeiliche Eingreiftruppe in Salzburg an, die ihre
Dienstwaffe perfekt beherrscht. Seit Montag, dem 12. März 2007
erreicht die Hetze gegen Menschen mit migrantischem Hintergrund eine
neue Ebene staatlicher Gewalt. Radio ‚Antenne Salzburg’ dröhnte
Montag morgen, dass illegalisiert lebende Menschen nichts mehr zu
lachen hätten. Der Lokalteil der ‚Salzburger Nachrichten’
titelte mit: „Neuer Polizeitrupp gegen kriminelle Ausländer“,
um auf den Seiten 4 und 5 noch deutlicher zu werden: „Ein Mann
gegen kriminelle Ausländer“.
Manfred
Ottenbacher, ehemaliges Mitglied des Mobilen Einsatzkommandos wird
Kommandant einer Spezialeinheit, der neuen fremdenpolizeilichen
Eingreiftruppe, der fünf Beamte mit der „notwendigen
Einschreitequalität“ zugeordnet sind. Die ‚SN’ beschreibt
ihn heroisierend: „ ... durchtrainiert bis in die letzte Faser,
militärischer Haarschnitt, harter Blick ...“. Laut Kommandant
Ottenbacher sei es notwendig, dass seine Beamten „harte Knochen“
seien. Weder die Kriminalisierungsmuster, die sich auf eine angeblich
„schockierende Gewaltbereitschaft“ oder ein „Ansteigen der
kriminellen Energie“ beziehen, noch ihre unreflektierte Übernahme
bzw. gezielte Verfestigung durch die bürgerlichen Medien sind
neu. Neu sind die Qualität der Demaskierung, sowie die offene
Ankündigung und Aggressivität der positiven Bestätigung
künftiger Verfolgung aufgrund vermuteter Herkunftskriterien.
Die
Polizisten werden in Zivilfahrzeugen mit Laptop unterwegs sein, in
den Computern sind europäische Fahndungslisten gespeichert. Pro
Einsatztag sollen 300 bis 400 Menschen durchsucht und überprüft
werden, schwerpunktmäßig in Lokalen, am Bahnhof, in
Wohnungen und auf der Straße, die Verfolgung illegalisiert
lebender Menschen wird für die Spezialeinheit eine Hauptaufgabe
werden.
Zu
einem ungewöhnlich hohen Ausmaß haben sich die
bürgerlichen Medien in ihrer die offizielle Politik bestärkenden
Fremdenhetze bis zur Kenntlichkeit entblößt. Künftige
Polizeigewalt wird auf der Titelseite des Lokalteils der ‚SN’ am
12.3.07 vermittels eines indirekten Zitats des Kommandanten
Ottenbacher positiv konnotiert: „Nun seien Beamten gefragt, die
längere Verfolgungsjagden überstünden und im
schlimmsten Fall ihre Dienstwaffe perfekt beherrschten.“ Die
Erzeugung eines Klimas der Angst wurde nicht einfach hingenommen.
Menschen aus den unterschiedlichsten Menschenrechtszugängen
heraus haben sich zusammengefunden, um ihrer Empörung Ausdruck
zu verleihen: „Wir sehen nicht widerspruchslos zu, wenn pro
Einsatztag 300 bis 400 Menschen aufgrund einer angenommenen Herkunft
durch eine Spezialeinheit mit hohem Aggressionsniveau bis in ihre
privaten Wohnungen hinein verfolgt werden sollen. Wir möchten
nicht in einer Stadt leben müssen, in der Fremdenhetze durch
eine weitere Hochrüstung des staatlichen Repressionsapparates
gesellschaftlich – insbesondere medial - legitimiert wird.
Entwickeln wir gemeinsam eine Strategie gegen das Herrschaftssystem
Staat – Polizei – Medien, entwickeln wir Perspektiven eines
Zusammenlebens, das dem Grundbedürfnis jeder Person auf Wahrung
ihrer Menschenwürde gerecht wird.“Was
haben Nationalsozialismus, Faschismus, Menschen mit migrantischem
Hintergrund, Menschen mit „Behinderung“ und ältere Menschen
miteinander zu tun? Werden da nicht Kraut und Rüben
durcheinandergemischt? Die Geschichte wiederholt sich nicht. Aber sie
sorgt dafür, dass im kollektiven Gedächtnis Normen und
Werte bestehen bleiben. Im „Dritten Reich“ waren die Jüdinnen
und Juden die Gruppe, die aufgrund des tradierten Antisemitismus der
Schlachtbank preisgegeben wurden. Heute werden MigrantInnen,
abgesichert durch menschenverachtende Fremdenrechtspakete Not, Elend
und dem Tod ausgesetzt. Sie sind jene an den Rand gedrängte
Gruppe, die offen der Verfolgung preisgegeben wird. Andere Gruppen
werden schleichend infolge spezifischer Regulative an den Rand
gedrängt: ältere Menschen werden dafür verantwortlich
gemacht, der Gesellschaft einen ‚Pflegenotstand’ zuzumuten,
wieder und verstärkt wird die Frage gestellt, ob es denn
wirklich nötig sei, dass „Menschen mit Behinderung“ zur Welt
kommen. Vorarlberg hob in seinem Bericht „Die natürliche
Bevölkerungsbewegung im Jahre 2001“ hervor: „17 Kinder
wurden mit Missbildungen geboren ... Mit dem Down-Syndrom wurden im
Jahr 2001 keine Kinder geboren.“ Die
Mittel und Methoden verändern sich. Ihnen liegt eine
Geisteshaltung zugrunde, der wir in der Menschheitsgeschichte immer
wieder begegnen, eine Geisteshaltung, die Menschen in Brauchbare und
Unbrauchbare teilt, als nützlich definiert, wenn sie als
verwertbares Humankapital funktionieren. Es drängt sich die
Frage auf, wer von dieser Geisteshaltung profitiert. Es drängt
sich die Frage auf, welche gesellschaftlichen Kräfte ein
Interesse daran haben, die Unmenschlichkeit zur Norm zu erklären.Thomas
Mann hatte in einer seiner Erzählungen den Juden und den
Nazionalsozialisten einen Dialog führen lassen: der Jude
argumentierte weitreichend, warum die Radfahrer an allem schuld
wären. Der Nazi fragte: „Warum die Radfahrer?“ Der Jude
antwortete: „Warum die Juden?“ |