Überlegungen zur Grazer Gemeinderatswahl 2008
Folgenschweres Wahlergebnis: eine in die Krise gestürzte SP mit unter
20 %; KPÖ halbiert; FPÖ in der Stadtregierung dem Stadtsenat; und das
BZÖ mit zwei Mandaten im Gemeinderat; die Grünen konnten ihre Sitze
verdoppeln; Wahlsieger ÖVP. Jeder zweite von 198. 020 Wahlberechtigten
verzichtete auf diese Wahl. Es gab klare Zugewinne auf der rechten
Seite gepaart mit tief greifenden Verlusten auf der linken und Gewinnen
der Grünen.14,5% (+ 6,2%) mit einem Stimmenzuwachs von 6000
WählerInnen..
Die Rechte erhielt 53,5% davon die ÖVP 38,2%( +2,1 %), die FPÖ 11,0%( +3%); BZÖ 4,3%; wobei BZÖ u. FPÖ einen Stimmenzuwachs von 7300 verzeichnen. ÖVP +2880.
Die Grünen im Zentrum links 14,5% (+6,2)
Die Linke erhielt: 31% ; davon die Sozialdemokratie 19,8% ( - 6,1%); die KPÖ 11,2%(-9,6%).
Die Wahlbeteiligung erreichte ihren historischen Tiefststand: 56,4% (-2,%). Laut OGM Meinungsumfragen war etwa ein Drittel aus „Protest“ der Wahl fern geblieben; ein Drittel gab an, sich nicht für Politik zu interessieren und das letzte Drittel wollte „persönlich verhindert“ gewesen sein.
Wenn wir nur das erste Drittel der aus Protest fern Gebliebenen heranziehen, so sind dies 30 000 potentielle WählerInnen, für die die bestehenden Parteien mit ihren inhaltsleeren Parolen keine Alternative boten. Die NichtwählerInnen verursachten vor allem den starken Einbruch der SP und die Reduzierung der KP. Die Wahlbeteiligung in den Arbeiterbezirken lag unter 50 % ; in den bürgerlichen Bezirken hingegen über 60%.
Die bewusst provanten, rassistischen und islamophoben Aussagen der FP-Spitzenkandidatin Susanne Winter haben sowohl die Abschlussphase des Wahlkampfes inhaltlich bestimmt als auch den Ausgang der Wahl stark beeinflusst. Für die FPÖ selbst brachte dies keinen Stimmenzuwachs. Laut Wahlprognosen hätten sie sogar ohne diese Angriffe mehr Stimmen bekommen. Für die Grünen brachte dies jedoch die meisten Zugewinne (sie gewannen ihre Stimmen vor allem in den bürgerlichen Bezirken dazu) wobei die NeuwählerInnen sie zu Fragen der Menschenrechte stärken wollten. Auch für die ÖVP brachte dies Stimmen, hier eher vom FP/BZ Rand kommend, für die der Rechtsausleger Siegfried Nagl sich zur Bettlerfrage, Immigration, Homosexualität, Türkei-EU-Beitrittsfrage fast wie Haider geäußert hatte. Profitiert habt auch das BZÖ.
Keine einzige der Parteien hatte die Aussagen Winters klar verurteilt und in der letzten Woche medial eine Kampagne versucht, wohl aus rein opportunistischen Gründen, um nicht fremdenfeindliche Stimmen einzubüßen. Der Einfluss wäre noch offen gewesen, zumal 20% der WählerInnen angaben, erst Tage vor dem Wahltag ihre Entscheidung getroffen zu haben.
Sehr lebhaft hingegen verlief die Abschlusskundgebung der FP am Grazer Hauptplatz am Tag vor der Wahl. Obwohl keine der kandidierenden Parteien zur Gegenkundgebung aufgerufen hatte, standen 600 entschiedene FP-GegnerInnen (sehr viele Jugendliche) 200 bis 300 FP Anhängern gegenüber. Auf eine sehr gute Selbstdisziplin der GegnerInnen ist es zurückzuführen, dass Winter und Strache ihre Kundgebung mit Müh und Not über die Bühne brachten, allerdings vor einem zwei Stunden ununterbrochen pfeifenden, rufenden feindlichen Protest-Publikum.
Die SP versucht durch Postenrochade ihre Krise zu überdecken
Der kritischere Finanzstadtrat Wolfgang Riedler ersetzt den zurückgetretenen Walter Ferk an der Spitze der Grazer SP. Die SP behält in einem einzigen Bezirk die Mehrheit (mit 0,9% vor der ÖVP); sie verliert zwischen 3% und 10% in den einzelnen Bezirken. In den Arbeiterbezirken lag die Wahlbeteiligung unter 50 %. Vor allem die älteren SP-StammwählerInnen wollten der Partei einen Denkzettel verpassen, der sehr wohl bundesweiten Charakter hat. Eine neoliberale Politik der großen Koalition, in der alle Anliegen der kleinen Leute auf der Strecke bleiben, regt nicht zum Urnengang an. Diese Niederlage der SP hat eine lokale Seite (Wahlkampfschwächen nicht zuletzt durch Konflikte zwischen Landes-SP und Stadt-SP), jedoch auch eine bundespolitische Tragweite.
Wer die mögliche Machtausübung verschmäht, wird bestraft
Die KP verlor zwar in allen Bezirken recht gleichmäßig zwischen 8% und 12%, trotzdem ist es ihr zweitbestes Ergebnis und sollte sich eine Stammwählerschaft um die 10% einpendeln, so wäre dies immer noch zehnmal höher als in Wien. In Bezirken, wo die KP am meisten verliert, gewinnen die FP, das BZ und die Grünen am meisten dazu.
Die Stimmenverluste sowohl der KP als auch der SP haben nicht zuletzt damit zu tun, dass sie in der vergangenen Periode nicht jeder einen Halbzeit-Bürgermeister gestellt haben, denn die Ausgangslage für die Wahl wäre eine ganz andere gewesen als mit dem Bürgmeisterbonus der VP. Natürlich gab es unterschiedliche Auffassungen zu Privatisierungen; trotz alledem war es ein taktischer Fehler. Die WählerInnen hatten ihnen eine Regierungsmehrheit verschafft, aus der sie nichts machen konnten/wollten. Warum sollte es diesmal anders sein?
Die ÖVP fährt in Prozenten ihr höchstes Ergebnis, das sie jemals in Graz erreicht hat, ein. Durch die traditionelle Familienpolitik, restriktive Immigration, die Ablehnung der Ehe zwischen Homosexuellen und die Verteidigung des Abendlandes, die „Säuberung der Innenstadt durch ein Bettlerverbot“ surfend auf der durch die FP ausgelöste Angstwelle zog VP Bürgermeister Siegfried Nagl vor allem viele WechselwählerInnen, die zwischen BZ/FP/VP schwanken, an.
( zu den Ergebnissen) https://egov.stmk.gv.at/wahlen-graz/GRGRAZ08/GRGRAZ08_60101_ges.html
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