Kürzlich verabschiedete der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB, engl.Abk.: ETUC) eine Resolution gegen die weitere Aushöhlung des Arbeitsrechts und andere Nebenwirkungen von EU-Integration und Globalisierung.
Der ÖGB, eine Mitgliedsorganisation des EGB, hat, wie schon im Fall der europaweiten Gewerkschaftsdemo im April dieses Jahres, auch diesmal bislang kein großes Interesse gezeigt, europäisch koordinierten Protest zu unterstützen. Um ihn daran zu erinnern, dokumentieren wir die doch recht EU-kritische Aussendung des EGB vom 25.Juni in deutscher Übersetzung (englisches Original im Anhang): Das EGB-Exekutivkomitee fordert die EU auf, den Kurs zu ändern
Das Exekutivkomitee des Europäischen Gewerkschaftsbundes, das vom 24. bis 25. Juni tagte, nimmt eine härtere Position ein in bezug auf den mangelnden Fortschritt beim Erreichen eines sozialen Europa. Kürzliche Entscheidungen über eine Arbeitszeit-Direktive und das Verdikt des Europäischen Gerichtshofs über den Luxemburg-Fall (s.unten) haben die Europäische Union auf einen gefährlichen Kurs gebracht. Europäische Bürger müssten den Eindruck haben, daß Europa systematisch Rechte von Arbeitnehmern angreift, in einem Europa, wo Märkte überall Vorrechte genießen, und diese Vorstellung ist zweifellos eine der Hauptgründe hinter dem irischen "Nein". Die EU muß dringend die Richtung ändern, oder sie riskiert, das europäische Projekt infrage zu stellen und den Bürgern zu entfremden.
Der EGB hat sich zu diesen Themen sehr deutlich ausgesprochen, aber die jüngste Entscheidung des "Europäischen Rats für Beschäftigung und Soziales" über die Arbeitszeit-Direktive und der Umgang mit dem Luxemburg-Fall zeigen, daß die europäische Arbeitsgesetzgebung weiter ausgehöhlt wird.
Der letztere Fall war besonders bezeichnend aus mehreren Gründen: die Europäische Kommission wandte sich an eine der Mitgliedstaaten, Luxemburg, weil er seine Arbeitnehmer zu sehr beschütze. Andere vorausgehende Fälle (Laval, Viking, Rüffert) hatten den Weg dafür geebnet, weil dort die nationalen Kollektivverträge tatsächlich für ungesetzlich erklärt wurden. Es ist daher jetzt absolut notwendig, daß sich die EU in eine andere Richtung bewegt - die Bevölkerung ist sonst davon überzeugt, daß Europa rückschrittlich ist und eine Gesetzgebung fehlt, die seine Bürger schützt.
Darüber hinaus werden diese Entscheidungen in einem sich ständig verschlechternden sozioökonomischen Klima gefällt, in dem die Situation sich rapide verschärft durch steigende Nahrungsmittel- und Ölpreise, die besonders Haushalte mit niedrigem Einkommen treffen.
In dieser Krise spielt auch die Inflation eine Rolle. Deregulationspolitik auf europäischer Ebene findet ihren Weg zu den nationalen Ebenen, wo sie die sozialen Errungenschaften zerstört und das allgegenwärtige Gefühl der Unsicherheit ansteigen läßt.
In einem solchen Zusammenhang, wo Strategien gegen den sozialen Fortschritt im Gang sind und soziale Verpflichtungen als Belastung angesehen werden, sollte das "Nein" des irischen Referendums sehr ernst genommen werden, besonders deshalb, weil die Mehrheit der Arbeiterschaft gegen den Vertrag gestimmt hat. Und doch zeigt das Eurobarometer, daß die überwiegende Majorität der irischen Bevölkerung proeuropäisch ist. Die Bevölkerungen anderer Länder würde sicher ebenfalls mit "Nein" gestimmt haben, wenn dort Referenden stattgefunden hätten.
Die europäische Gewerkschaftsbewegung fordert daher die europäischen Entscheidungsträger auf, ihren Kurs zu ändern, falls sie nicht eine Kluft zwischen sich und den europäischen Bürgern entstehen lassen wollen. Sie spricht sich außerdem für ein Programm für sozialen Fortschritt aus.
ETUC plant europäische Aktionstage zum Start der neuen Sitzungsperiode des europäischen Parlaments. Ein Welt-Aktionstag wird am 7.Oktober stattfinden. (Übers.: akin)
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25/06/08 The ETUC Executive Committee calls on the EU to change course
The Executive Committee of the European Trade Union Confederation (ETUC), which met from 24 to 25 June, is taking a tougher stance in light of the lack of progress being made towards achieving a social Europe. Recent decisions on the Working Time Directive and the European Court of Justice’s verdict on the Luxembourg case have set the European Union (EU) on a dangerous course.
European citizens have the image of a Europe that systematically attacks workers’ rights, a Europe where markets are prioritised above all else, and this notion is doubtless one of the main reasons behind the Irish ‘no’. The EU urgently needs to change direction, at the risk of pillorying the European project and alienating its citizens.
ETUC has already made clear its opinion on these subjects, but the European Council for Employment and Social Affairs’ recent decision on the Working Time Directive and the ruling on the Luxembourg case are evidence of further erosion of European labour law. The Luxembourg case was particularly edifying for more than one reason: the European Commission turned on one of the Member States, Luxembourg, because it protected its workers too much. Previous cases (Laval, Viking, Rüffert) had paved the way for this, since the verdicts effectively outlawed national collective agreements. It is now absolutely imperative for the EU to move in a different direction – people currently believe Europe is regressing, lacking legislation to protect its citizens.
Moreover, these decisions were taken in a rapidly worsening socio-economic climate, where the situation is being exacerbated by rising food and oil prices, both of which hit lower-income households the hardest. Inflation also has a part in the crisis. Deregulation policies at European level sometimes make their way to national level, where they erode the social acquis and increase the overall feeling of insecurity.
In such a context, where policies work against social progress and social considerations are seen as a burden, the ‘no’ of the Irish referendum should be taken very seriously indeed, especially since a majority of workers voted against the Treaty. And yet the Eurobarometer shows that the overwhelming majority of Irish people are pro-European. The populations of other countries would certainly have voted ‘no’ had there been referendums.
The European trade union movement therefore calls on European decision-makers to change course if they do not want to create a rift between themselves and Europe’s citizens. It is also in favour of a protocol for social progress.
ETUC is planning European action days for the start of the new session (a world day of action will take place on 7 October).
http://www.etuc.org
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