Wenn die EU Gelder einfriert, muß sie den Betroffenen Möglichkeiten zur
Rechtfertigung geben - auch wenn damit nur UNO-Vorgaben erfüllt werden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist heikel. Grundrechte sind zu beachten, auch wenn das hehre Ziel des Kriegs gegen den Terror verfolgt wird. Der EU-Höchstgericht gab der Berufungsklage des saudiarabischen Geschäftsmannes Yassin Abdullah Kadi und einer in Schweden ansässigen Stiftung, die die europäischen Vertretung der somalischen Havala-Organisation Al Barakaat darstellte, statt. Diese hatten sich dagegen verwahrt, daß der EU-Ministerrat ohne Anhörung ihre Vermögen eingefroren hatte, weil ihre Namen auf einer Liste des UN-Sanktionsausschusses von Unterstützern Osama bin Ladens, der Al-Kaida und der Taliban standen. (Rechtssachen C-402/05 P und C-415/05 P).
Al Barakaat ist dabei besonders zu erwähnen. Die halbkommerzielle Institution war für Somalia von großer Bedeutung, lief doch über sie unter anderem das informelle, ohne kommerzielle Interessen funktionierende Havala-Geldüberweisungssystem Somalias. Die schwedische Stiftung ermöglichte es in Europa lebenden Somalis günstig Geld nach Hause zu überweisen. Doch Al-Barakaat wurde im Oktober 2001 nach den 9/11-Anschlägen nach einer Forderung der USA weltweit völlig lahmgelegt. Nicht nur die Konten wurden eingefroren, sondern auch das von Al-Barakaat betriebene Telefonnetz wurde von sämtlichen internationalen Relay-Stationen abgeklemmt (s.a. akin 30/01). Bis heute wurde kein Nachweis einer Terrorfinanzierung durch Al-Barakaat öffentlich bekannt.
Der EuGH hob die Sanktionen gegen die beiden Kläger nicht sofort auf, sondern setzte eine dreimonatige Frist, in der die Betroffenen vom EU-Rat eine ausführliche Begründung für die Sanktionen zu erhalten haben und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden muß. Sollte diese Anhörung nicht zu einer Aufhebung der Sanktionen führen, können die beiden Betroffenen erneut eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Konteneinfrierung bei der EU-Gerichtsbarkeit verlangen.
Das allerdings kann wieder dauern. Das EU-Gericht Erster Instanz brauchte vier Jahre um ein Urteil über die 2001 eingebrachten Klagen zu sprechen - und lehnte diese rundweg ab. Vorgaben des UN-Sicherheitsrats hätten Vorrang vor EU-Recht, so die damalige Begründung. Erst jetzt, drei weitere Jahre nach diesem ersten Urteil, widersprach der EuGH. Er erklärte, nicht über die UN-Resolution richten zu wollen, aber die Umsetzung der EU wäre nicht rechtskonform gewesen.
Wenn die EU nach Anhörung auf ihren Sanktionen beharrt, sind die Chancen der Kläger auf Aufhebung nicht besonders groß, denn diesmal müßten Gericht erster Instanz oder EuGH sich wahrscheinlich doch damit auseinandersetzen, ob sie eine UN-Resolution aushebeln können.
Der EuGH hat in der Vergangenheit bereits mehrfach Sanktionen gegen Terrorverdächtige für nichtig erklärt, unter anderem gegen die Exil-Oppositionsgruppe Iranische Volksmudschahedin. In den bisherigen Urteilen ging es jedoch stets um Personen und Organisationen, die die EU unabhängig von der UN-Terrorliste aufgrund eigener Einschätzungen auf eine gesonderte EU-Liste gesetzt hatte.
Wer auf die Sanktionsliste der davon UNO kommt, bestimmt ein Sanktionsausschuss. Die EU setzte die Vorgaben der UNO entsprechend ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen ohne weitere Prüfung um und verpflichtete die Banken, entsprechende Konten zu blockieren. Derzeit befinden sich mehrere hundert Personen und rund 100 Organisationen auf dieser Liste.
Quellen u.a.: www.sueddeutsche.de/politik/873/308815/text/ www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/eugh-staerkt-terror-verdaechtige/ en.wikipedia.org/wiki/Al-Barakaat
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