Samstag, 24. Januar 2009
 
Olympia: Mit Geld gedopt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Stefanie Klamuth, akin   
Dienstag, 26. August 2008

Der Korruptionssumpf des IOC

In den letzten Wochen wurde viel Kritik an den Olympischen Spielen und dem dahinter stehenden IOC geübt. Es ist zu hoffen, daß die Diskussionen über die Vergabe der Spiele an China und die gewaltsame Unterdrückung in Tibet auch nach dem Ende der Sommerspiele nicht von der medialen und politischen Bildfläche verschwindet.

In der Vergangenheit wurden jedoch immer wieder auch Korruptionsvorwürfe gegen das IOC oder verschiedene Nationale Olympische Komitees laut. IOC-Präsident Jacques Rogge hatte im Mai 2006 eine Rede gehalten, in der er auch auf die Korruptionsgeschichte des IOC einging. Wörtlich erklärte er: "Sie wissen das ja auch, dass das IOC selbst vor zehn Jahren große Probleme mit Korruption hatte. Aber wir haben, wie ich finde, entschlossen reagiert, indem wir die Ethik-Kommission gebildet haben." Soweit so schlecht, denn die eingesetzte Ethik-Kommission nahm nur einen Staubwedel zur Hand, statt eine Grundreinigung zu unternehmen. Es gab einige wenige öffentlichkeitswirksame Entlassungen und einige freundschaftliche Verwarnungen - damit hatte man die gewünschten Erfolge erzielt und ein neues, korruptionsfreies Zeitalter des IOC eingeleitet. Weit gefehlt, wie verschiedene Antikorruptions- und Menschenrechtsorganisationen zu Recht kritisieren. Oder warum fehlt in der Olympischen Charta, dem Grundgesetz für die Spiele und für die 35 beteiligten Weltverbände nach wie vor das Wort "Korruption"? Betrugsstrukturen wie z.B. Ämterverquickung, organisierte Kriminalität, Pression auf Abweichler, Bestechung und die systematische Einflussnahme bzw. Vereinnahmung von Politikern existieren demnach nicht nur nicht, sondern werden überhaupt nicht thematisiert - und das nach einer endlosen Abfolge von Skandalen und Skandälchen, die die Geschichte des IOC entscheiden mitprägen. Anders als in der Privatwirtschaft entwickelt und professionalisiert der Sport seine endemische Kriminalität aber ungestraft, obwohl es sich hierbei längst nicht mehr um ehrenamtliche Hobbyorganisatoren handelt, sondern um einen gigantischen polit-ökonomischen Komplex. Das IOC ist ein Privatverein nach Schweizer Recht und agiert doch längst als Globalplayer des internationalen Sports, der mit Staaten und Organisationen wie den UN verhandelt, dabei fast diplomatischen Status besitzt und quasi frei von Strafgesetzen und internationalen Konventionen agiert. Man lässt dem IOC weitgehend freie Hand und so ist es kaum verwunderlich, dass eine Scheindemokratie mit zahlreichen Ausnahmeregelungen entstanden ist.

Im Jahr 2000 musste sich Sydney dem Vorwurf stellen, zwei IOC-Mitglieder aus Afrika bestochen zu haben, um den Zuschlag zu bekommen. Und auch bei den Spielen 2008 in Peking gab es Korruptionsschlagzeilen um den französischen Geschäftsmann d'André Guelfi, der, angeblich aus Rache am damaligen französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac, IOC-Mitglieder bestochen haben soll, für Peking und gegen Paris zu stimmen. Die Liste solcher Vorwürfe und Ungereimtheiten ließe sich beliebig lange fortsetzen und stellt keine große Überraschung dar, immerhin geht es bei den Olympischen Spielen vordergründig um Geld und erst zweit- oder drittrangig um den sportlichen Wettkampf. Nach dem Korruptionsskandal von Salt Lake City 2002 wurde ein neues Bewerbungsverfahren für die Vergabe der Olympischen Spiele eingeführt. Wer jedoch glaubt, dass damit das Kapitel geschlossen werden konnte, der irrt. Die konkrete Be- und Verurteilung von Korruptionsdelikten stößt auf viele Probleme, so z.B. auf unterschiedliche regionale Definitionen. Die Anklage des US-Justizministeriums gegen die ehemaligen Chefs des Bewerbungskomitees von Salt Lake City wurde vom US-Bundesgericht in Utah mit der Begründung zurückgewiesen, es gäbe keine Beweise für einen Gesetzesverstoß. Die Folge war ein bilderbuchartiger Freispruch. Ohne das Urteil an dieser Stelle zu bewerten, so ist doch eines sicher: Gegen die Korruption, die vor allem wirtschaftlich bestimmt ist, müssten verstärkt ökonomische Maßnahmen eingesetzt werden, da sich alle anderen Mittel in der Vergangenheit als unwirksam erwiesen haben. Was fehlt, ist eine echte Prüfung mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten. Die Geldströme des Weltsports, die zum größten Teil aus öffentlichen Mitteln bestehen, müssten unabhängigen Instanzen übertragen werden, doch von einer ernsthaften Kooperation wie z.B. "Transparency International" ist die Branche und somit auch das IOC meilenweit entfernt. Zwar hat man - alles in allem - gute Erfahrungen mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) gemacht, eine Welt-Anti-Korruptions-Agentur steckt indes noch nicht einmal in den Kinderschuhen. Der langjährige WADA-Präsident Richard Pound ist der Meinung, dass die Einrichtung einer solchen aber dringend notwendig sei - man könnte sogar die Strukturen der WADA nutzen, müsste aber entsprechend in ihre Ausstattung investieren, so Pound.

Wenn IOC-Präsident Rogge seine Glaubwürdigkeit nicht vollends verlieren wolle, muss er die umfassende und institutionalisierte Korruptionsbekämpfung auf die Agenda des Olympischen Kongresses 2009 setzen, sind sich viele Organisationen und Kritiker einig. Das Geschäft mit dem Sport ist ein grenzüberschreitendes Milliarden-Business, doch mehr als 95% aller Korruptionsdelikte bleiben immer noch unerkannt. Ohne internationale Anti-Korruptions-Konventionen wird sich daran wohl auch künftig nichts ändern, denn entsprechende Abkommen von OECD und Europarat gelten nur für Wirtschaft und Politik, nicht aber für den Sport. Abschließend noch ein paar Worte zur in Peking untergrabenen Meinungsfreiheit der teilnehmenden Sportler und Sportlerinnen: Mit der Begründung, man wolle eine Politisierung des Sports verhindern, ergibt man sich offenkundig einer fatalen Scheinheiligkeit. Die Olympischen Spiele sind eine sportliche, wirtschaftliche und eben politische Angelegenheit - es ist daher unverantwortlich, Verbote und Erlaubnisse zu erteilen. Es kann nicht angehen, die Vergabe der Spiele an menschenrechtswidrige Regime wie z.B. China zu argumentieren, aber jegliche Kritik dazu im Keim ersticken zu wollen. Wenn das IOC hinter seinen Entscheidungen steht und diese öffentlich argumentieren kann, muss es den Athleten erlaubt sein, ihre Meinung kundzutun. Es ist gestattet, sich vor oder dem Wettkampf zu bekreuzigen und so seiner religiösen Überzeugung Ausdruck zu verleihen -- seine politischen Ansichten sollen dagegen nicht demonstriert werden dürfen?

Buchtipp: "Der olympische Sumpf. Die Machenschaften des IOC" von Thomas Kistner und Jens Weinreich; Piper; 2000


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