Samstag, 24. Januar 2009
 
Patriotismus gefragt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Samstag, 7. Juni 2008

Na also. Es klappt ja doch. Österreich kann gegen die favorisierte Schweiz gewinnen. Mit einem klaren 4:2 fegte die kombinierte Mannschaft aus Promis und Legenden ein ebensolches Team der Eidgenossen vom Platz. Die von Cordoba-Legende Hans Krankl trainierte Elf gab den Takt für die Nationalmannschaft vor. Die österreichische Fußballseele kann gestärkt in das Turnier gehen.


Jedes fünfte Auto ist (Krone sei Dank!) bereits beflaggt. Der Kabarettist Alfred Dorfer hat ja völlig zu recht festgestellt, dass Österreich bei Europameisterschaften ungeschlagen sei. Obwohl sich das Team noch nie qualifizieren konnte, würde heute kein Politiker weniger als einen Viertelfinaleinzug der Hickersberger-Elf voraussagen. Schließlich will man ja als guter Patriot gelten. Ein entsprechendes Szenario wurde auch schon entworfen: Kroatien schickt seine Curling-Mannschaft, die Polen werden wegen Wodkadopings disqualifiziert und Deutschland lässt die kleinen Brüder zur Feier des 30. Jahrestages der Schmach bzw. des Triumphes von Córdoba gewinnen.

Sollte es doch nicht so klappen, hat die Heilige Mutter Kirche vorgesorgt. Es gibt nicht nur gemeinsame Messen für die Spieler und Anhänger der österreichischen Gruppe (Deutschland, Polen, Kroatien) unter dem Motto „Vier Länder, drei Sprachen, ein Glaube“. Weniger unparteiisch gibt sich die evangelische Kirche, die vor dem Match Österreich-Deutschland einen „meditativen Gottesdienst“ angesetzt hat. Sollte das erflehte Wunder trotzdem ausbleiben will der steirische Weihbischof Franz Lackner, der sich der erstaunten Öffentlichkeit als Fußballbischof präsentiert hat, an Fans, die sich rechtzeitig anmelden, trostreiche SMS verschicken. Neben Bibelzitaten, Papstworten und philosophischen Sentenzen sollen auch Äußerungen von Spielern oder Trainern als Handy-Botschaft lebensmüde oder moralisch zermürbte Fans wieder aufrichten. Zur Sicherheit werden allein im Raum Wien-Niederösterreich 60 Notfallseelsorger im Einsatz sein.

Bischof Lackner entdeckte anlaßgemäß jede Menge Parallelen zwischen Religion und Sport. Für beide seien die Gemeinschaft und feste Regeln von zentraler Bedeutung. Allerdings würden die Fußballregeln als viel selbstverständlicher empfunden, konzedierte er: „Da können wir vom Sport viel lernen“. Ähnliches haben sich wohl die Kuratoren der Ausstellung „Helden – Heilige – Himmelsstürmer“ gedacht, die im Diözesanmuseum am Wiener Stephansplatz zeigen soll, wie eng Fußball und Religion miteinander verknüpft sind.

Überhaupt hat die Kirche mit allen ihren Ablegern verstanden, dass man manchen Trends besser nachgibt, als sie zu ignorieren. Das. So lädt die "youngCaritas Wien" am Eröffnungstag der EM zu einem Integrations-Fußballturnier. Am Vormittag werden Jugendliche und erwachsene Spielerinnen und Spieler aus Flüchtlings-, Migranten-, Obdachlosen- und Behinderteneinrichtungen gegeneinander antreten. Anschließend wird gegrillt. Und das Eröffnungsmatch muß keiner versäumen. Das wird nämlich auf Leinwand übertragen. Man kann nur hoffen, dass sich das Wetter nicht an die Vorhersage hält.

Schon traditionell auf Fußball orientiert ist das Hilfswerk Jugendeinewelt der Salesianer Don Bosco. Seit Jahren versucht es Straßenkinder in allen Teilen der Welt mittels Fußball von Drogen und Kriminalität fernzuhalten. Aus dem Vertrieb von garantiert ohne Kinderarbeit gefertigten Fußbällen fließen Gelder in diese Projekte. Anläßlich der EM wurden T-Shirts entworfen, deren Käuferinnen und Käufer zum „größten Team der Welt“ gehören sollen. Die Etiketten erlauben es, die Herkunft der garantiert unter umweltfreundlichen Bedingungen und unter Berücksichtigung sozialer Standards produzierten Dressen zurückzuverfolgen. Aufschriften wie „Fußballgöttin“, „Goleador“ oder „Klimaschoner“ weisen die Träger auch als Menschen mit Humor und dem nötigen ironischen Abstand zum Fußballgroßereignis aus. Auch der Ex-Stürmerstar Toni Polster steht hinter dieser Kampagne.

Nicht nur kirchliche NGOs hängen sich an die Euro an. Auch die Menschenrechtsorganisation FIAN, die sich für das Recht auf Nahrung einsetzt, hat ihr Fundraising an die Konjunktur angepasst. Junge Freiwillige ziehen durch die Lokale und verteilen gegen eine Spende Trillerpfeifen, mit welchen man den Hunger oder dessen Verursacher auspfeifen kann. Hoffentlich richten sich die Triller nicht auch gegen das österreichische Team.



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