Die Kooperation unter Rechtsextremisten bzw. Rechtspopulisten in Europa hat eine lange Tradition (1). Auch wenn der bedeutendste Versuch einer internationalen Vernetzung der rechtsextremen Szene in jüngster Zeit durch das Auseinanderbrechen der Fraktion des Europa-Parlaments 'Identität/Tradition/Souveränität' mit ihren 23 Abgeordneten gescheitert ist, kann das Problem in keiner Weise als 'erledigt' betrachtet werden.
Was heute kaum noch bekannt ist: die Fraktion 'Identität/Tradition/Souveränität' (ITS) hatte bereits einen - kleineren - Vorläufer. Zwischen 1989 und 1994 bildeten der französische Front National (FN), die deutschen Republikaner (REPs) und der Vlaams Blok eine gemeinsame Fraktion im Europa-Parlament (2). Doch die Fraktion wurde schon bald von Querelen zwischen den Nationalisten erschüttert- so gab es etwa jede Menge Streit über den `deutschen Charakter Südtirols`...
Der jüngste Versuch einer parlamentarischen Kooparation schien quantitativ und qualitativ besser abgesichert zu sein. Die Fraktion ITS, die am 15. Januar 2007 aus der Taufe gehoben wurde, verfügte schließlich über 23 Abgeordnete. Ihr gehörten starke rechtsextreme Parteien wie der Front National, der im belgischen Flandern einflußreiche Vlaams Belang oder die österreichische FPÖ an. Auch in Osteueropa gab es mit der Großrumänienpartei (PRM) einen wichtigen Bündnispartner - mit ursprüglich 5 'Delegierten' zum Europa-Parlament (3).
Während die 'alte' FPÖ (4) unter Jörg Haider und der Front National mit Le Pen an der Spitze nicht zu einer Zusammenarbeit kamen, klappte es mit der 'neuen' FPÖ unter HC Strache. Darüber hinaus fungierte der FPÖ-Europa-Parlamentarier Andreas Mölzer als treibende Kraft des extrem rechten Bündnisses.
Die Fraktion ITS Europa-Parlament konnte anfangs auch eine Reihe von 'Erfolgen' erzielen:
- es setzte eine intensive wechselseitige politische 'Besuchertätigkeit' ein. Unter anderem stattete HC Strache der „Pro- Köln-Bewegung“ einen Besuch ab, um an einer Hetzkundgebung gegen 'Moschee-Bauten' teilzunehmen; umgekehrt lud die FPÖ 'Pro-Köln' zu einer Veranstaltung nach Wien ein.
- in Brüssel wurde ein gemeinsames Büro eingerichtet, mit dem Österreicher Georg Mayer als Generalsekretär.
- der Fraktion standen beträchtliche Geldmittel zur Verfügung, mit denen zum Teil auch Blätter wie die österreichische Zeitschrift 'Aula' finanziell unterstützt wurden. Beispielsweise erschien in der Ausgabe der 'Aula' vom September 2007 ein Artikel unter dem verräterischen Titel 'Bald Pogrome in Ungarn?', den man als Stimmungmache für Pogrome interpretieren konnte (5).
- bei den ersten Europa-Wahlen in Bulgarien erhielt die Partei 'Ataka', die ebenfalls der Fraktion angehört, über 14 Prozent der Stimmen und bekam 3 Abgeordnete (statt des bisherigen einzigen 'Delegierten'). Aus den Reihen der Ataka wurde eine 'Freiwilligen-Garde' gebildet, die den 'Kampf gegen den Zigeuner-Terror' auf die Fahnen geschrieben hat und deren Uniformen an die SA erinnern (6).
Bruch der Fraktion
Als die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini, die als Abgeordnete ihrer 'Azione Sociale con Alessandra Mussolini' der ITS-Fraktion angehört, in rassistischer Weise rumänische ImmigrantInnnen in Italien attackierte, kam es zum offenen und mit Vehemenz ausgetragenen Schlagabtausch mit der Großrumänien-Partei. Es folgte der Bruch und die offizielle Auflösung der Fraktion - übrigens unter dem Beifall vieler Abgeordneter des Europa-Parlaments , was Le Pen zu einer 'rüden Geste' gegenüber dem Abgeordneten Hans-Peter Martin veranlasste (7)...
Bei den - ebenfalls ersten - Europa-Wahlen in Rumänien musste die PRM starke Stimmenverluste hinnehmen und kann in Zukunft nicht einen einzigen Abgeordneten für sich reklamieren. Interessant ist allerdings, dass eine zweite rechtsextreme Partei, die 'Neue Generation', die in einer klerikalen Tradition steht, ein Mandat erringen konnte. Sie steht unter dem Einfluss des mächtigen Chefs des Fußball-Clubs Steaua Bukarest, George Becali (8).
Ohne Zweifel stellt der Fraktions-Bruch für die rechtsextreme und rechtspopulistische Szene in Europa einen gravierenden Rückschlag dar. Politische Einflussmöglichkeiten über die Bühne des Europa-Parlaments und finanzielle Ressourcen gingen verloren. Es gab ausgereifte Pläne, gemeinsam zu den Europawahlen anzutreten. Zur Disposition stand nicht nur die Intensivierung der wechselseitigen Besuchertätigkeit, sondern ebenso öffentlichkeitswirksame gemeinsame Auftritte der 'creme de la creme' der europäischen extremen Rechten. In Bukarest etwa war für Herbst 2007 ein großes internationales Meeting zur Unterstützung des Wahlkampfs der PRM geplant, an dem unter anderen Le Pen, Alessandra Mussolini, Vertreter der britischen Independence Party bzw. des Vlaams Belang teilnehmen sollten (9). Auch einige deutsche Parteien der extremen Rechten wollten erklärtermaßen bei einer europaweiten Kandidatur mitmachen: So gaben NPD, DVU, die Republikaner und 'Pro Köln' unter dem Titel 'Gemeinsam für ein Europa der Vaterländer' eine Unterstützungserklärung für die ITS heraus (10). Gegenüber der Presse spielte Andreas Mölzer den Tabubruch der Kooparation mit der neonazistischen NPD (11) herunter: Originalton Mölzer: 'Berührungsängste habe ich nicht' (12).
Was ist für die nähere Zukunft zu erwarten?
Nach dem Auseinanderfallen der ITS sind die Rechtsaussen-Parteien jedenfalls gezwungen, die Pläne eines gemeinsamen Antretens zu den Europa -Wahlen einer fundamentalen Revision zu unterziehen. All das darf für Linke und AntifaschistInnen jedoch kein 'Ruhepolster' sein. Mehrere Szenarien sind möglich. Um nur einige zu skizzieren:
- der verbliebene 'Rest' der ehemaligen ITS agiert - reduziert - weiter. In diese Richtung weist etwa der Versuch, eine 'Städteallianz gegen Moscheebauten' zu installieren. (13). Auf derselben Ebene liegen die Bemühungen, eine Art islamophoben Pateinzusammenschluß zu finden: In Wien fand im Jänner 2008 diebezüglich ein Treffen statt, an dem u.a. Le Pen, Frank Vanhecke (Vlaams Belang), Wolan Siderow (Ataka), Strache und Mölzer teilnahmen. Ziel sei nichts weniger als die 'Rettung des Abendlandes'. Bis November 2008 sollen weitere Mitstreiter gewonnen werden, um eine gesamteuropäische Partei der extremen Rechten zu zimmern und damit auch in den Genuß von EU- Fördermitteln zu kommen. An einen gemeinsamen Wahlkmpf sei nicht gedacht (14).
- es könnte versucht werden, 'Gras über die Sache wachsen zu lassen', um später einen Neustart zu probieren.
- neue, ganz rechte Bündnispartner, die bereits im Europa-Parlament vertreten sind (etwa die ' Liga der polnischen Familien' oder die griechische Partei LAOS), könnten gewonnen werden. (15)
Wie auch immer - es gilt, für alle Varianten gerüstet zu sein, um einer verstärkten Zusammenarbeit der europäischen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten zu begegnen - theoretisch wie praktisch (16).
Das 5. Europäische Sozialforum in Malmö im September 2008 etwa bietet eine gute Gelegenheit dazu. Auf internationaler Ebene kann hier über die extreme Rechte reflektiert und - unmittelbar bevor der Startschuss für die Europa-Wahlen Juni 2009 erfolgt - sollten einige gemeinsame mobilisierende Schritte gegen den kollektiv agierenden europäischen Rechtsextremismus beschlossen werden. Einige zentrale Termine für länderübergreifende Aktionen von Linken und AntifaschistInnen bieten sich 2008/2009 geradezu an:
- der 70. Jahrestag der 'Reichskristallnacht' im November 2008 bzw. - bereits nach den Europa-Wahlen des Beginns des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen September 2009).
- der 40. Jahrestag des 'Mai 1968' bzw. des 'Prager Frühlings' als konkrete Versuche eine 'andere Welt' zu schaffen - ohne Ausbeutung, Unterdrückung, Rassismus und Krieg ('Sozialismus mit menschlichem Antlitz').
- unmittelbar vor den Europa-Wahlen im Juni 2007 vernetzte dezentrale Kundgebungen bzw. Demonstrationen in mehreren Ländern und ein gemeinsamer Auftritt (inklusive Pressekonferenz) in Brüssel oder Straßburg.
Anmerkungen:
1 Vgl. Oskar Wiesflecker: Internationale Verbindungen, in: Rechtsextremismus in Österreich nach 1945, 5. überarbeitete und ergänzte Auflage, Österreichischer Bundesverlag, Wien 1981, S. 354 ff. "Odessa" und " Spinne" waren die Namen von Organisationen, die insbesonders dafür sorgten NS-Kriegsverberchern die Flucht ins Ausland zu ermöglichen. Auch der Vatikan verfügte über Stellen, die solche Fluchten organisierten.
2 Vgl. Andre Osterhoff Die Euro-Rechte. Zur Bedeutung des Europäischen Parlaments bei der Vernetzung der extremen Rechten, Münster 1997, S.171 ff.; Zu den Vorläufern der Fraktion ITS und ihrer eigenen Entstehungsgeschichte vgl. Heribert Schiedel, Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft , Wien 2007, S. 136 ff.
3 Die ITS hatte folgende Zusammensetzung (in Klammer die Anzahl der jeweiligen Mandate): Front National (7), Großrumänienpartei (5), Vlaams Belang (3), Ataka (3), FPÖ (1), Azione Sociale con Alessandra Mussolini (1), Movimiento Sociale Fiamma Tricolore (1), United Kingdom Independence Party (1) sowie der 'unabhängige' rumänische Abgeordnete Dumitru Gheorghe Mircea Cosea.
4 Zur Geschichte der FPÖ und ihrer Spaltung in 'alte' FPÖ und 'neues' BZÖ ('Bündnis für die Zukunft Österreichs') und ihren jeweiligen 'Führern' Jörg Haider und Hans Christian (HC) Strache, vgl. Hermann Dworczak: Modernisierter Rechtsextremismus und Rechtspopulismus am Beispiel Österreichs, in: Neoliberalismus und Rechtsextremismus in Europa (Hrsg. Peter Bathke, Susanne Spindler) Reihe Texte Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 29, Berlin 2006 S. 84.
5 Ein Kommentar gegenüber der Aula: 'Wenn MAZSIHISZ (= Vereinigung jüdischer Organisationen in Ungarn) und deren ausländischer Anhang so weitermachen wie bisher, dann könnten sie eine Pogromstimmung entfachen, die jener im zaristischen Russland bzw. im Großherzogtum Polen gleichkommen wird', in: Aula, September 2007 S.18.
6 'Nach Roma - Aufstand in Sofia formieren sich ultrarechte Kräfte', in: Kurier 24. August 2007. In Ungarn wieder hat die ultranationalistische Bewegung Jobbik eine 'Ungarische Garde' auf die Beine gestellt.
7 Tosender Applaus für Ende von 'Rechtsaußen', in: Die Presse 15. November 2007.
8 Vgl. 'Abrechnung mit der Innenpolitik', in Kurier 26. November 2007. Zur extremen Rechten mit klerikaler Grundierung, vgl. Martin Luksan/ Hermann Schlösser / Anton Szanya: Heilige Scheine. Marco d` Aviano, Engelbert Dollfuß und der österreichische Katholizismus, Wien 2007; Emmerich Talos, Wolfgang Neugebauer (Hg.) Austrofaschismus. Politik - Ökonomie - Kultur 1933 - 1938, Wien 2005
9 'Rechte laden nach Bukarest ein', in: Neues Deutschland, 17. August 2007
10 Vgl. Pressemittelung der ITS Fraktion/ Europaparlament Straßburg 26.9.2007
11 Zum neofaschistischen Charakter der NPD, vgl. Toralf Staud: Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD, 3. Auflage, Köln 2006
12 Vgl. APA-Aussendung vom 26. September 2007.
13 'Anti-Islampolitik soll Europas Rechte einen', In: Der Standard , 18.1.2008.
14 `Neue Partei, alte Bekannte`, In : Der Stabdard 26./27.1.2008 und `Die nationale Internationale`, In : Die Presse 26./27.1. 2008
15 Das 'Reservoir' im Europa-Parlament, aus dem neue Bündnispartner angeheuert werden könnten ist beträchtlich: So verfügt etwa die weit rechts angesiedelte Fraktion 'Union für ein Europa der Nationen' derzeit über 44 Abgeordnete. Ihr gehören Parteien wie die - wegen ihrer rassistischen Ausfälle berüchtigten - Lega Nord (Italien) oder die Liga der Polnischen Familien an.
16 Zum Gefahrenpotential eines 'updated', also eines modernisierten Rechtsextremismus heute, vgl. Robert O. Paxton: Anatomie des Faschismus, München 2006. S.252 ff. Paxton unterstreicht diese Gefahren, verweist jedoch auf wesentliche Unterschiede zur Zwischenkriegszeit, unter anderem das andere ökonomische Ambiente im Gegensatz zur Großen Depression oder den weitgehenden Verzicht der aktuellen extremen Rechten auf den 'Primat der Politik', also das Setzen auf den 'freien Markt'.
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