Kommentar zum Klimagipfel in Nairobi
Der Geschäftsführer von Tourism Watch Deutschland kritisiert am Klima-Gipfel von Nairobi nicht das rare Auftreten von Frauen, sondern die geringe Ernsthaftigkeit zu einem echten Umdenke. Trotz unübersehbarer Anzeichen des bereits eingetretenen Klimawandels, glänzten sich Staats- und Regierungschefs durch Abwesenheit.
Die Erwartungen in der Weltöffentlichkeit waren gewaltig. Der Stern-Report hatte den Klimawandel als größtes Marktversagen der Geschichte dargestellt und in den ökono¬mischen Konsequenzen mit der großen Depression vor dem zweiten Weltkrieg ver¬glichen. Die Resonanz auf den Al Gore-Film „Eine unbequeme Wahrheit“ schien auch in den USA ein Klimaerwachen anzukündigen. Nicht nur der Spiegel, sondern auch die Bildzeitung hatte wiederholt mit dem Thema Klimawandel aufgemacht. Und dann spielte auch noch die Natur mit: Gewaltige Überschwemmungen in Kenia, dem Gastgeberland des UN-Klimagipfels im November. Viel weniger Flamingos – eine der Touristenattraktionen in Kenia – gab es in diesem Jahr, weil in den sich erwärmen¬den Seen nun die falschen Algen wachsen. Und beim Namensgeber des Landes, dem „Mount Kenia“ („weißer Berg“), ist von Schnee und Eis kaum mehr etwas übrig. Mussten die Staaten nicht auf diesen hohen Erwartungsdruck reagieren und dem Klimawandel ein weltweit vernehmbares „bis hierhin und nicht weiter“ entgegen¬schleudern? Erst vor Ort stellten viele der angereisten Journalisten fest, dass sie im falschen Film waren. Die Delegierten aus aller Welt waren nicht etwa angereist, um jetzt den Knoten der internationalen Klimapolitik zu zerschlagen. Sie waren gekommen, um ein globales Klima-Schachturnier zu beginnen. Erst nach dessen Ende, 2009, soll feststehen, wer in der zweiten Phase des Kyoto-Protokolls, also nach 2012, wie viel für den internationa¬len Klimaschutz leisten soll. Vier der angetretenen Teams sind von besonderem Interesse. Erstens die EU, Japan und andere Industrieländer mit Kyoto-Verpflichtungen. Sie haben sich auf einen Verhandlungsprozess verständigt, der ihre Reduktionsziele nach 2012 festlegen soll. Aber wirklich ehrgeizig werden die Ziele nur, wenn sich auch die anderen Teams in diese Richtung bewegen. Zweitens das Schwergewicht, die USA. Es nimmt derzeit am internationalen Turnier nur als Beobachter teil. Allerdings haben die jüngsten Zwischenwahlen in den USA die Regierung zumindest auf nationaler Ebene zurück ans Klima-Schachbrett gezwungen. Dort hat insbesondere Kalifornien durch interessante Züge das Spiel eröffnet. Aber erst nach dem Ende der Regierung Bush werden die USA auch als Spieler ins internatio¬nale Turnier zurückkehren. Drittens die großen Schwellenländer, wo die Emissionen derzeit am schnellsten zunehmen. Zunächst weigerten sie sich, erste Züge zu machen, solange die Industrie¬länder nicht gezeigt haben, dass sie es mit dem Klimaschutz wirklich ernst meinen. National üben einige von ihnen – etwa China und Brasilien – durchaus ernsthaft für das internationale Turnier. Viertens der Club der Verlierer. 43 Inselstaaten drohen in den nächsten Jahrzehnten durch den Klimawandel nicht nur ihr Schachbrett, sondern ihre Existenz zu verlieren. Die am wenigsten entwickelten Staaten, vor allem in Afrika, sind gegenüber den überall sichtbaren Veränderungen besonders verletzlich. Sie fordern ernsthaften Klimaschutz: „Wann in der Geschichte mussten wir darüber entscheiden, ganze Länder verschwin¬den zu lassen?“ Der Beginn des Turniers war von taktischen Winkelzügen geprägt. Die Kyoto-Industrie¬staaten haben einen vernünftigen Plan für ihr Teilturnier verabschiedet. Die Schwellenländer haben in eine wissenschaftliche Analyse des Kyoto-Protokolls einge¬willigt, die 2008 zum Ergebnis haben wird, dass ein gefährlicher Klimawandel in großem Maßstab sich ohne ernsthafte Aktivitäten in den Schwellenländern nicht ver¬meiden lässt. Aber sie haben noch nicht zugestimmt, dass dies der Startpunkt für ein Teilturnier sein wird, in dessen Zentrum dann die Ziele der Schwellenländer stehen. Man kam auch weiter bei der Ausgestaltung eines internationalen Fonds, der Anpassungsbemühungen in den besonders betroffenen Ländern finanzieren soll. Die etwa 250 Millionen Euro, die dieser Fonds bis 2012 enthalten soll, reichen aber nicht einmal für eines der Länder. Im Prinzip könnte das Klima-Schachturnier bis Ende 2009 vernünftige Ergebnisse erbringen. Dazu müssen aber die wichtigen Spieler endlich auch ihre Damen ein¬setzen. Konkret heißt das: Der notwendige politische Wille und Handlungsspielraum kann nur auf der Ebene der Regierungschefs erzeugt werden, nicht auf Ebene der Umweltminister, die in Nairobi auftraten. Im kommenden Jahr hat Deutschland die EU- und die G8-Präsidentschaft inne. Welchen Schwung die deutsche Dame in das inter¬nationale Turnier bringen wird und ob bestimmte blockierende Türme in der EU und G8 abgeräumt werden können, wird maßgeblich darüber entscheiden, ob im Jahr 2009 der klimazerstörende Trend schachmatt gesetzt werden kann. Christoph Bals ist politischer Geschäftsführer von Germanwatch.
|