Samstag, 24. Januar 2009
 
EM in Innsbruck: Vielfalt der Biersorten PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Montag, 9. Juni 2008

Tirol bleibt seinem Image als Land der Sturschädeln treu -- Euro-Bier und Fanartikel gibts nicht flächendeckend.

Wer sich heute in Innsbruck als Fußball-Fan versteht, braucht eine harte Haut. Der kleine Fanartikel-Laden in einer schmalen Seitengasse der Maria Theresien-Straße wird offenbar kaum von Menschen überrannt, die grün-weiße Wimpel des FC Wacker oder Poster der Heimmannschaft erwerben wollen. Das legt ein in die Scheibe geklebtes Schild nahe: „Wir führen hier keine ÖFB-Artikel, keine Euro08 Fanartikel und keine Karten für Europameisterschaftsspiele!!!“. Das Wort „keine“ ist jeweils dick unterstrichen. Erst vor wenigen Jahren wurde Wacker Innsbruck, gerade erst österreichischer Meister geworden, wegen eines Finanzskandals, der den Konkurs nach sich zog, in die Regionalliga zwangsversetzt. Jetzt hat sich die Traditionsmannschaft neuerlich den wohlverdienten Abstieg aus der Bundesliga erspielt. Was ein richtiger Tiroler ist, fühlt sich ohnehin auf den Schipisten besser aufgehoben, als im Fußballstadion. Dennoch wird Innsbruck im Juni zu einem der vier österreichischen Austragungsorte für die EM2008.

Die Tiroler Hauptstadt mag zwar nicht durch Spitzenleistungen auf dem Gebiet des runden Leders auffallen, doch für die Europameisterschaft hat die zweimalige Austragungsstätte olympischer Winterspiele (1964 und 1976) einige Superlative zu bieten. Die Fanmeile erstreckt sich tatsächlich fast über eine Meile: vom Goldenen Dachl im spätgotischen Zentrum bis zum Triumphbogen am Ende der barocken Maria Theresien Straße. Bei schönem Wetter kann man vom Goldenen Dachl aus den von der Stararchitektin Saha Hadid entworfenen kühn geschwungenen Sprungturm der Berg-Isel-Schanze erkennen. In der Arena der Schanze, dort wo der Auslauf der Schispringer ist, wird die größte Leinwand der EM montiert: 84 m2 ist sie groß. 15.000 Fans werden im Amphitheater auf dem Berg Isel gratis die Übertragungen geboten bekommen. Da die Innsbrucker Matches bei Tageslicht ausgetragen werden, kann man gleichzeitig die imposante Nordkette mit ihren 2500 Meter hohen Gipfeln auf sich einwirken lassen.

Dort wurde die – laut Werbung – „steilste Fanmeile der Welt“ eingerichtet. Die Seegrube auf 1905 Meter Seehöhe lockt vor allem Manager mit dicken Brieftaschen an. In einem VIP-Zelt kann man für seine Geschäftsfreunde einen Tisch reservieren und gegen schlappe 280 Euro pro Person die Fußballhelden als Hintergrund für ein gepflegtes Abendessen laufen lassen. Die Nordkettenbahn und eine Seilbahn bringen die Besucher in 20 Minuten vom Stadtzentrum auf die Seegrube. Während der EM werden diese Bahnen bis Mitternacht in Betrieb sein. Auch Normalverbrauchern wird auf der Seegrube etwas geboten: in weniger exklusivem Ambiente, dafür aber erschwinglich. Der Blick auf das nächtliche Innsbruck kann auch den Billiggästen nicht genommen werden.

Schon Anfang April war Innsbruck für die Dauer der Europameisterschaft hoffnungslos ausgebucht. „Im Umkreis von 30 Kilometern ist kein Zimmer mehr zu haben“, freut sich Hans Reichl von der Zimmervermittlung Innsbruck. Allerdings schränkt er sofort ein: „Die Buchungslage ist eine Momentaufnahme, die wahnsinnig viel Luft enthält“. Denn viele Fans hätten über verschiedene Reisebüros reservieren lassen. Doppelbuchungen seien fast die Regel. Außerdem gebe es ja nicht nur die Hotels in der Stadt, sondern auch unzählige kleine Frühstückspensionen in den umliegenden Gemeinden, die verkehrstechnisch gut angebunden sind. Während der WM werden die Busse und Straßenbahnen 24 Stunden verkehren, versichert Roberto Montagna vom Innsbrucker Tourismusbüro.

Innsbruck habe ein glückliches Los gezogen, ist sich der Manager sicher. Hier spielen die Mannschaften der Gruppe D: Schweden, Spanien und Russland. Für die Begegnungen mit dem regierenden Europameister Griechenland müssen sie nach Salzburg reisen. So sind es vor allem Fans aus Schweden und Spanien, die in Innsbruck erwartet werden. 45 Prozent der Buchungen seien aus Schweden gekommen, weiß Roberto Montagna, 20 Prozent aus Spanien. Die Russen werden wegen der größeren Distanz und vor allem der Visapflicht spärlicher sein. Wenn sie kommen, dann bleiben sie allerdings gleich eine Woche. Schweden wollen im Durchschnitt vier Tage verweilen, Spanier bleiben nur eine Nacht. Der schwedische Fanclub hat in Natters, rund acht Kilometer südlich der Stadt, einen kompletten Campingplatz gemietet.

Aber auch für all jene Rucksackreisenden, die noch keine Vorkehrungen getroffen haben, ist vorgesorgt. Das Organisationskomitee hat die Messehalle unweit des Zentrums im Stadtteil Saggen angemietet. Wird eine Halle mit Kojen ausgerüstet, wo drei Stockbetten und sechs Spinde Platz finden. Die Nacht ist dort für 25 Euro zu haben. Wem auch das noch zu teuer ist, der kann für 15 Euro in einer anderen Halle seine Isomatte und seinen Schlafsack ausbreiten. Daneben befindet sich auch das einzige Public Viewing unter Dach. Anders als die Fanmeile in der Stadt, wird dieser Bereich nicht um Mitternacht geschlossen, sondern Unterhaltung bis sechs Uhr früh bieten.

Die Nacht durchmachen kann man auch auf der sogenannten Bogenmeile, die gleich daneben eine Vielfalt von Kneipen und kleinen Restaurants unter den Viaduktbögen für eher jugendliche Klientel bietet. „Die Biervielfalt“, wie Martin Schnitzer vom Organisationskomitee es bezeichnet, ist aber nicht nur in den vielen kleinen Lokalen gewahrt, sondern auch auf der Fanmeile der Maria-Theresien-Straße. Das Exklusivrecht der UEFA-Sponsoren, und darauf ist Schnitzer besonders stolz, gilt nur für die Berg-Isel-Arena. Wer dem Trubel entkommen will, kann von der Seegrube noch 400 Höhenmeter weiter mit der Seilbahn fahren oder über Klettersteige erklimmen. Vom Hafele Kar nach Norden erschließt sich dem Betrachter das Karwendelgebirge völlig menschenleer und fußballfrei.

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