Samstag, 24. Januar 2009
 
NS-Euthanasie im Land Salzburg PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Rosi Krenn   
Sonntag, 29. Oktober 2006

Am Mittwoch, den 18. Oktober 2006 fand im Stadttheater Hallein die feierliche Eröffnung der Ausstellung „NS-Euthanasie im Land Salzburg“ statt. Ein Redner allerdings paßte nicht so ganz in die Erwartungshaltung...

In der Einladung zur Eröffnung wurde formuliert: „Während der NS-Herrschaft fielen über 400 kranke und behinderte Salzburger und Salzburgerinnen der Mordaktion, die von den Nationalsozialisten zynischerweise als Euthanasie (schöner Tod) bezeichnet wurde, zum Opfer. Es war keine ‚Erlösung von einem Leiden’. Allein ihr Abweichen von Normen, ihr Aussehen, ihr Verhalten oder ihre Leistungsfähigkeit setzte sie der todbringenden Verfolgung durch das NS-Regime aus. Das Leben der Menschen wurde als ‚lebensunwert’ bezeichnet. Der Tod dieser Menschen ist ein Verlust, nicht nur für die Angehörigen, sondern für unsere Gesellschaft insgesamt. Ihr Leben wäre lebenswert gewesen.“

Als Veranstalterin zeichnet die Laube GmbH. verantwortlich. Ihr Geschäftsführer Alois Autischer betonte in seiner Eröffnungsrede, dass das Projekt ohne Unterstützung der Menschen, die die Laube in ihrem Lebensweg begleitet, nicht möglich gewesen wäre und bedankte sich ausdrücklich bei den zu begleitenden Menschen dafür, dass in der Vorbereitungszeit viele Ressourcen in das Projekt fließen konnten.

Während sich die ZeitzeugInnen Waltraud Häupl und Walter Thaler auf ihre Erfahrungen als Angehörige von Opfern bezogen, berichtete die Kloserschwester Donata Hampel aus dem Leben der Anna Berta Königsegg.
Wolfgang Neugebauer (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands) bezog in seine Darstellungen die Neugründungen der Parteien in der Nachkriegszeit unter Betonung der Formierung ehemaliger NationalsozialistInnen mit ein.

Herbert Haupt präsentiert sich als Behindertenanwalt

Ein Redner am Podium wurde in der Einladung nicht erwähnt. Ein Zufall? Es handelt sich um den „Behindertenanwalt“ Herbert Haupt, Ex-Sozialminister für den BZÖ. Seit 22. November 2005 suchte das Sozialministerium eine „Anwältin oder einen Anwalt in Gleichbehandlungsfragen“, die Ausschreibung las sich wie maßgeschneidert für Herrn Haupt. Die Ausschreibung beunruhigte unter anderem Fr. Mag. Christine Lapp, die eine „faire und objektive Bestellung des Behindertananwalts“ einforderte. Eine Vielzahl von Bewerberinnen und Bewerbern gab ihre Bewerbung bekannt. Die meisten sind selbst „Menschen mit Behinderung“ und qualifiziert für die Behindertenanwaltschaft. Viele von ihnen hatten langjährige Erfahrungen mit dem Gleichstellungsbereich. Die Entscheidung wurde von Sozialministerin Ursula Haubner, ebenfalls BZÖ, getroffen. Herr Herbert Haupt, ehemaliges Mitglied der FPÖ, dann Mitglied des BZÖ, ehemaliger Sozialminister, wurde von seiner Parteikollegin Ursula Haubner zum Behindertenanwalt ernannt. Ohne im Programm der Ausstellungseröffnung benannt worden zu sein, wurde ihm Redezeit zur Verfügung gestellt. Wolfgang Neugebauer bezog sich in seiner Rede vorsichtig auf die Neugründung der ‚Partei der ehemaligen Nationalsozialisten’.

„Man würde Sie für verrückt erklären“

Die Eröffnung der Ausstellung war planmäßig erfolgreich. Einige BesucherInnen zeigten sich verwundert ob des Umstandes, dass es einem Mitglied der FPÖ/BZÖ gelingen konnte, sich und seine Parteiströmungen zu repräsentieren. Es wurde kein Platz für Diskussionen eingeräumt. Das Ziel der VeranstalterInnen, für einen ‚reibungslosen’ Ablauf Sorge zu tragen, kann als gelungen betrachtet werden.

Eine Ausstellungsbesucherin wagte im Rahmen dieser festlichen Umgebung die Frage, ob es denn zulässig sei, völlig undiskutiert einem Mann am Podium einen Platz einzuräumen, der ob seiner Parteienzugehörigkeit sich auf die Ideologie des Nationalsozialismus beziehend, es wagt, sich zu einem Sprecher für ‚Menschen mit Behinderung’ zu ernennen. Herr Haupt nennt sich ‚Behindertenanwalt’, die Geschichte seiner Parteizugehörigkeit beginnt nach dem zweiten Weltkrieg mit der Begründung des VdU, des Sammelbeckens der ehemaligen NationalsozialistInnen, aus denen sich später die FPÖ formierte, auf deren ideologischen Standpunkten diese bis in die Gegenwart ihre politischen Haltungen aufbaut.

Viel wurde an diesem Abend von der Würde des Menschen gesprochen. An diesem konkreten Abend wurden Menschen ihrer Menschenwürde beraubt. Eine Ausstellungsbesucherin, die die Geschichte der Ernennung des ‚Behindertenawaltes’ nicht vergessen hatte, die sich dessen bewusst war, wie viele qualifizierte ‚Menschen mit Behinderung’ abgelehnt wurden, diese wesentliche Funktion ausfüllen zu wollen, wollte mit dem Mikrophon in der Hand die Frage stellen: „Warum darf ein Mensch mit historisch eindeutiger Vergangenheit es wagen, sich hier zu präsentieren, ohne auf seine historisch bedingte MittäterInnenschaft bezug zu nehmen? Die Art und Weise, wie die VerantstalterInnen auf dieses Ansinnen reagierten war eindeutig: „Sie würden als verrückt erklärt werden!“ Wollen Sie das?“ Die Security war perfekt organisiert. Es wurden beruhigende Worte gesprochen. „Wir können über alles reden. NACH der Veranstaltung.“ Beruhigen Sie sich“.

„Beruhigen Sie sich. Reden wir NACHHER!“

Jene Ausstellungsbesucherin, die aufgefordert wurde, sich doch „anständig und ruhig“ zu verhalten, die aufgefordert wurde, über alle Probleme „nach der Veranstaltung“ zu reden, hatte durch diese Zurechtweisungen ein anderes Gefühl entwickelt: Widersprüchlichkeit hat keinen Platz mehr, Widersprüchlichkeit darf nur noch in privaten Gesprächen seinen adäquaten Ausdruck finden.

Reden wir NACHHER. Reden wir nach dem TOD.

Wir reden über die Euthanasie. Die Veranstaltung ist wichtig. Die Art, wie wir darüber reden, bettet sich ein in ein gesellschaftliches Ganzes. Die Art und Weise wie wir darüber reden, schafft und setzt hierarchische Strukturiertheit voraus. Sie schafft unsere Lebensbedingungen. Die Botschaft der Inszenierung lautete: Bitte lehnen wir uns nicht dagegen auf. Dann würden wir den Erfolg gefährden!!!

Ruhe und Schweigsamkeit. Die Eröffnungsveranstaltung „NS-Euthanasie im Land Salzburg“ ist in diesem Sinne gelungen. Widerständige Stimmen wurden vermittels persönlicher Beleidigung mundtot gemacht. Theoretisch im Zeichen der Menschenwürde. Welch ein Widersinn.


Die Ausstellung wird bis zum 26.11.2006 im Halleiner Keltenmuseum zu sehen sein.

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