Es wäre keine gute Idee das Projekt einer neuen Linkspartei in Österreich in der derzeitigen Situation anzugehen, meint Bernhard Redl.
Ja, es war natürlich sehr erfreulich, daß sich die Linkspartei (trotz aller Widersprüche und vieler Kritikpunkte) in Deutschland etabliert hat. Und ebenso natürlich kann man da auf die Idee kommen, so etwas könnte auch bei uns existieren. Sei Jahren schon geistert die Idee einer eigenen neuen Partei durch die Köpfe vieler Linken, herausgekommen sind bislang allerdings zumeist nur Kooperationen mit der KPÖ, die keinerlei Erfolg zeitigten; schon allein deswegen, weil sie in der Öffentlichkeit nur als KPÖ unter neuen Namen wahrgenommen wurden.
Aber was will man mit einer solchen Partei? Als Koalitionspartner sich anzubieten ist ja wohl erstens illusorisch und würde zweitens die Partei auch gleich wieder kaputtmachen. Bleibt nur die Rolle als öffentlicher Ankläger des Kapitalismus im Parlament und damit als Transmissionsriemen für eine linke Bewegung.
Dies hieße aber den Schwanz mit dem Hund wedeln zu lassen, denn politische Parteien saugen soziale Bewegungen auf und instrumentalisieren sie, wie man leidvoll mit den Grünen erfahren mußte.
Dennoch wäre ein solches Standbein im Parlament als Teil einer starken Bewegung zumindest überlegenswert -- die ersten paar Jahre, bevor diese Partei durch Systemumarmung korrumpiert wird, kann eine solche Partei durchaus sinnvoll sein -- denn umgekehrt hatten die Grünen, oder besser: die "Grünalternativen" zu Anfang sehr wohl ihre Meriten, als sie so etwas wie "frischen Wind" in den innenpolitischen Alltag brachten und das parlamentarische business as usual doch ein wenig störten.
Aber: Hinter den Grünen stand damals noch eine Bewegung, die, wenn auch sehr heterogen, ohne viel Anstrengung die Partei einfach ins Parlament schwemmte. Nur: Wo gibt es in Österreich derzeit eine Bewegung, die dazu in der Lage wäre?
In Österreich eine neue Partei zu etablieren ist ungemein schwierig -- das hängt mit der doch recht hohen Hürde für den Einzug ins Parlament zusammen, wodurch die Wähler eine Stimme für eine Neukandidatur genauso wie für die KPÖ als "verlorene Stimme" ansehen, aber auch mit einer Medienlandschaft, für die neue Parteien höchstens als Stoff für die Rubrik "politische Kuriosita" tauglich sind.
Dennoch konnten sich in der Geschichte der Zweiten Republik bisweilen neue Parteien etablieren -- allerdings immer nur unter Ausnutzung besonders günstiger aktueller Parameter. Die erste Partei, der das gelang, war der VdU (die spätere FPÖ), die sich, obwohl sich eigentlich in der Tradition der Liberalen resp. Großdeutschen sehend, zum Sammelbecken für die 1949 erstmals wieder wahlberechtigten "minderbelasteten" Nazis entwickeln konnte.
Das war es aber schon an Neuerungen im Nationalrat für 37 Jahre. Die Grünen kamen 1986 ins Parlament -- ohne eine mächtige Ökobewegung samt dem Final von Hainburg (das wiederum ohne Kronen-Zeitung wohl nicht so imposant gewesen wäre) wäre das unmöglich gewesen.
Es folgte das Liberale Forum. Dieses konnte sich allerdings nur dadurch etablieren, daß es im Nationalrat selbst gegründet worden, also ohne Wahl plötzlich ein Faktor im Nationalrat und damit in der österreichischen Öffentlichkeit war. Dadurch daß das LiF aber so ziemlich auf den selben politischen Weiden wie die Grünen graste, wurde der Raum zu eng für zwei Parteien, die Neulinge verschwanden wieder aus dem Parlament und in Folge auch aus fast allen anderen allgemeinen Vertretungskörpern, in die sie nur wegen ihrer Bundespräsenz gekommen waren.
Ähnliches gilt für das BZÖ -- dessen Abgeordnete waren wie beim LiF als FPÖ-Abgeordnete gewählt worden. Die BZÖler waren sogar ab ovo in Regierungsverantwortung eingebunden. Dazu kam ihr Status als Landeshauptmannpartei und damit auch die Nutzbarkeit der Anti-Wasserkopf-Haltung der Kärntner.
Daneben sind bezüglich neuer Parteien nur noch zwei Phänomene zu nennen: Zum einen Hans Peter Martins Kandidatur für das Europaparlament, die auf Anhieb gelang -- für den richtigen Anschub hatte da ebenfalls die Kronen-Zeitung gesorgt. Zum anderen der Einzug der KPÖ in den steirischen Landtag. Dieser war zwar auf den ersten Blick erstaunlich, doch ein Blick zurück macht das auch verständlich: Die Grazer KPÖ ist seit Ewigkeiten im Grazer Gemeinderat verankert gewesen, hatte also bereits eine politische Basis, die vom politischen Ausnahmetalent Kaltenegger ausgeweitet werden konnte. Mit dieser Prominenz der Grazer Erfolge und dem Umstieg Kalteneggers in die Landespolitik waren weder der Faktor einer mangelnden Bekanntheit noch die Angst vor der Abgabe einer "verlorenen Stimme" gegeben -- die Unzufriedenheit ließ sich also in die Kanäle der Partei leiten.
Und welche dieser Möglichkeiten könnte eine neue östereichische Linkspartei nutzen? Sie hat keine etablierten politischen Stimmen wie Kaltenegger oder Lafontaine aufzuweisen. Sie kann nicht auf alten, regional starken Parteien wie der PDS oder der ehemaligen Kärntner FPÖ aufbauen. Sie kann keine publizistische Unterstützung durch den Boulevard erhoffen. Abspaltungen innerhalb des Nationalrats oder zumindest von starken politischen Gruppen von SPÖ oder Grünen sind derzeit nicht absehbar. Und eine breite Bewegung, die eine Partei einfach so ins Parlament tragen könnte, ist ebenfalls nicht vorhanden.
Was bleibt, ist eine ahistorsche Sehnsucht, auch einmal am Runden Tisch mit den Etablierten zu sitzen und vor dem versammelten Fernsehpublikum den Bundeskanzler beschimpfen zu dürfen.
Nun könnte man ja sagen, schön, versucht es doch, wenn es euch Spaß macht! Schaden kann es ja nicht. Nur: Durch ein solches Projekt würde wieder enorm viel an politischer Kapazität aufgebraucht, die wir anders viel besser nützen könnten. Und nachher kommt wieder die Frustration, der politische Kater, der auch nicht gerade dazu angetan ist, Menschen für den politischen Kampf zu motivieren.
Das Projekt einer neuen linken Partei kann in ein paar Monaten vielleicht aktuell sein. Vielleicht ergibt sich nach immer noch möglichen baldigen Neuwahlen wirklich eine derartige Wut in der SPÖ, daß ein paar Abgeordnete sagen: "Jetzt reichts!" -- unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Auch ein Zerreissen der Grünen bei einer Koalition mit der ÖVP ist nicht völlig undenkbar. Aus solchen Bruchstücken ließe sich etwas machen. Aber im Moment wäre ein solches Projekt nur vergebene Liebesmüh.
Egal aber, ob sich für ein solches Projekt eine historische Chance ergibt oder nicht: Was wir brauchen, ist Arbeit von unten. Die ist zwar auch frustrierend, weil die sichtbaren Siege nicht gerade berauschend sind, aber wenn wir Druck ausüben wollen, ist das immer noch effektiver, als krampfhaft einer Beteiligung an einem politischen System nachzuhecheln, daß man im Grunde seines Herzens ja sowieso nicht für erhaltenswert hält. Am Krankenbett des Kapitalismus stehen wirklich schon genügend Leute herum.
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