Es ist Feuer am Dach der EVN (Energieversorgung Niederösterreich). Eine Gesetzesvorlage, die heute, Donnerstag, im niederösterreichischen Landtag durchgewunken werden soll, könnte zur mehrheitlichen Privatisierung des Infrastrukturkonzerns führen.
Die Vorgangsweise, die vor allem die ÖVP-NÖ in den letzten Wochen gewählt hat, kann unter diesen Umständen nur als vernebelnd bezeichnend werden. Immer wieder wurde nämlich verbreitet, dass nach den Nationalratswahlen der öffentliche Einfluss auf die EVN ganz besonders abgesichert werden solle. Aus heutiger Sicht hätte das schon aus zweierlei Gründen aufhorchen lassen soll: Denn warum wartete man erstens für eine an sich so löbliche Absicht ausgerechnet die Wahlen ab, und zweitens wozu sollte es gut sei, wenn sowieso laut Bundesverfassung die Energieversorgung in öffentlicher Hand festgeschrieben ist. Doch nun soll offenbar im Schnellverfahren unter Behauptung des Gegenteils real der Weg für den Abverkauf des mit Abstand wichtigsten öffentlichen Eigentums Niederösterreichs geebnet werden.
Die rechtliche Grundlage dazu soll ein Landesverfassungsgesetz gewährleisten, das SPÖ und ÖVP beschließen wollen. Die 51 Prozent Landesanteile werden derzeit durch eine Holdingkonstruktion gehalten, die im Alleineigentum des Landes steht. Nun sollen die Holdinggesellschaften teilprivatisiert werden. Damit kann der derzeit 51%-Anteil auf 13,31 Prozent verringert werden. Die Grünen werden heute im Landtag einen Abänderungsantrag einbringen, mit dem das 51%-Eigentum des Landes an der EVN gesichert werden soll.
Aggressiver Atomkonzern mit großem Appetit auf dem Sprung
Interessant ist auch ein "Kommentar" des sich als "Generalbevollmächtigten" der EnBW (Energie-Baden-Württemberg) bezeichnenden Amir Goreishi im letzten News (39/06, S.79), wo dieser Herr einerseits feststellt, dass die EnBW nun schon 35% an der EVN halten und andererseits offen mitteilt, dass sie noch mehr wollen: "Wir würden bei der EVN gerne zusätzliche Anteile erwerben". (Entsprechend den Bräuchen bei News wird dieser "Kommentar" eher eine Werbeeinschaltung gewesen sein, doch das ist hier nicht wichtig.)
Zwar dürfte die ÖVP-NÖ Angst um ihre Pfründe in der EVN haben, aber ist offenbar schon so unter Druck oder bereit, die Pfründe zu teilen, dass jedenfalls jetzt rechtliche Konstruktionen beschlossen werden sollen, die das Bundesverfassungsgebot aushebeln würden, und dem, was ursprünglich als "feindliche Übernahme" bezeichnet wurde, Tür und Tor öffnen.
Vor einigen Tagen hatten Liste Baum und Grüne in Purkersdorf Jens Löwe aus Stuttgart zu einem Vortrag über Privatisierungen öffentlicher Infrastruktur, insbesondere des Wassers eingeladen. Dabei erläuterte dieser im Detail, * wie besonders aggressiv die EnBW vorgeht, * Medien und Mandatsträger einbindet, * wie dieser Konzern vom französischen Atomgroßkonzern Électricité de France kontrolliert wird, * und mit welchen Methoden europaweit gekauft wird, was nicht niet- und nagelfest ist. Die EnbW hat in den letzten Jahren laufend aufgestockt und hält jetzt offenbar insgesamt schon über ein Drittel der Anteile, sitzt im Aufsichtsrat und dürfte sehr strategisch vorgehen.
Angesichts der zentralen Bedeutung der EVN in den Bereichen Strom, Gas, Wärme, Abfallverbrennung und Wasser handelt es sich um eine sehr ernste Sache von großer Tragweite.
Ist die EVN irgendein Unternehmen? Nein, die EVN gehört in Österreich jeweils zu den größten Playern (meist dürfte dabei Platz 2 besetzt werden) bei * Elektrizität * Gas * Müllverbrennung * Wärmeerzeugung * Wasser (über "EVN-Wasser", früher Nösiwag)
Bei Strom, Müllverbrennung und Gas hat die EVN in Niederösterreich eine monopolartige Dominanz, bei Fernwärmewerke und der Wasserversorgung hat sie einen sehr hohen Anteil. Die EVN ist noch an sehr vielen Unternehmen ganz oder teilweise beteiligt. (siehe EVN-Homepage)
Die EVN bezeichnet sich auf ihrer Homepage selbst als "führendes österreichisches Energie- und Infrastrukturunternehmen" und das stimmt auch. Der Marktwert beträgt (laut "Presse" 2.10.05) derzeit 3,1 Milliarden. Euro. Der Konzern hat als einzige österreichische E-Gesellschaft auch direkte Auslandsinvestitionen (in Bulgarien und Mazedonien) getätigt. Die EVN ist in zentralen Bereichen der Infrastruktur, und damit der elementaren Daseinsvorsorge tätig, die nicht den Unsicherheiten der Profitziele internationaler Konzerne unterwerfen werden soll. Es muss dabei um Versorgungssicherheit gehen, und nicht um die Möglichkeit, auf Kosten der Verbraucher große Profite zu machen. Auch für eine zukünftige demokratische und sozialökologische Wirtschafts- und Energiepolitik wäre durch die beabsichtigte Vorgangsweise sehr viel verloren. Gerade Trinkwasser ist sehr heikel und sollte nicht verschleudert werden.
Update 6.10.: Am 5.Oktober wurde mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ sowie je eines Abgeordneten von BZÖ und FPÖ beschlossen. Die Grünen stimmten dagegen. Der ORF-NÖ nannte es ein "Verfassungsgesetz zur Absicherung der 51-Prozent-Mehrheit des Landes am Energieversorger EVN". (Gesetzesbeschluß im Wortlaut) Links: Wikipedia über EnBW Aussendung der Grünen über ihren Abänderungsantrag Aussendung der Grünen über die Holdingkonstrunktion EVN-Beteiligungen |