Samstag, 24. Januar 2009
 
Ex-Bischof Lugo gewinnt Wahl in Paraguay PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Tamara Häußler-Eisenmann   
Mittwoch, 23. April 2008

Mit 40% der Stimmen wurde der Ex-Bischof Fernando Lugo am 20.4. zum neuen Präsidenten Paraguays gewählt. Damit wurde die Colorado-Partei nach 61 Jahren ununterbrochener Regierungszeit klar abgewählt. Eine friedliche Revolution in dem von Armut gekennzeichneten südamerikanischen Land. "Das einfache Volk hat ein korruptes System abgewählt", sagt der Steyler Pater Walter von Holzen. Mit ihm sprach Tamara Häußler-Eisenmann, Pressereferentin der Steyler Missionare in Deutschland.

Fernando Lugo ist ein sehr charismatischer Mensch. Er hat es geschafft sämtliche Oppositionsparteien dazu zu bringen, für eine gemeinsame Sache zu kämpfen. Sie wollten in die Regierung, um Änderungen herbeiführen zu können, die Paraguay so dringend braucht. Eine Koalition von Oppositionsparteien hat Lugo nach langen Verhandlungen schließlich als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Lugo hat ein großes Talent, mit einfachen Menschen umzugehen. Er hört ihnen zu, spricht sowohl Spanisch als aus Guarani. Er weiß, was die Armen bewegt, was sie brauchen, welche Nöte sie plagen. Er ist ein Kandidat des Volkes, und deshalb hat dieses Volk ihn gewählt. Er versprach einen Neuanfang, nach dem sich das Volk so sehr sehnte.


Lugo war Bischof und hat in einer Diözese am, wie es so schön heißt, "Ende der Welt" gearbeitet. Jetzt will er ein Land regieren. Ist er dieser Aufgabe überhaupt gewachsen?

Ja, ich glaube wirklich, wenn er sich noch ein gutes Team zusammenstellt, ist er der Aufgabe gewachsen. Sie haben Recht, es ist die eine Sache, ob man Priester oder ob man Politiker ist, und natürlich ist es für ihn eine große Herausforderung, aber er hat in den letzten Monaten sehr viel gelernt. Er hat 1½ Jahre Vorbereitungszeit gehabt, in der er sich mit dem Metier Politik befassen konnte. Er hat mit großem Erfolg eine funktionierende Koalition von Oppositionsparteien aufgebaut, er hat gelernt zuzuhören und Konzessionen zu machen. Er muss lernen, ein Politiker zu werden, aber ich habe keine Zweifel, dass er dies schaffen wird. Natürlich ist es jetzt sehr wichtig, dass er die richtigen Minister um sich schart, aber dies sollte ihm gelingen. Wichtig ist, dass er seine Überzeugungen gegen innerparteiliche Druckversuche durchhalten und umsetzen kann.


Welche Qualifikation bringt Lugo denn mit, um ein guter Präsident zu sein?

Lugo hat eine sehr gute Ausbildung. Durch seine Arbeit als Missionar und Bischof weiß er einfach, was für unsere Leute in Paraguay wesentlich ist. Seine politischen Visionen wachsen aus dem pastoralen Kontakt mit der Basis. Er ist ein sehr sozial eingestellter Mensch. Er war im Augenblick die einzige Chance, die unsere armen Menschen in Paraguay gesehen haben.


Vom Bischof zum Präsidenten ist ein recht ungewöhnlicher Weg.

Ja, aber das ist sein Weg. Seine Entscheidung. Es war eine Frage des Gewissens. Seine Steyler Mitbrüder haben ihn auf diesem schwierigen Weg begleitet. Er ist persönlich zum Schluss gekommen, dass er als Bischof nicht so viel für die Menschen tun kann, wie er möchte. Als Politiker, als Präsident hat er da viel mehr Möglichkeiten. Man kann das sicherlich diskutieren, aber man muss es in jedem Fall respektieren. Es ist eine absolut persönliche Gewissensentscheidung.



Die Wahlen sind völlig friedlich verlaufen. Ist das nicht ungewöhnlich für eine "Revolution" nach 61 Jahren?

Ja, man kann wirklich sagen, dass es eine friedliche Revolution gewesen ist. Wir hatten hier große Angst, dass es vielleicht zu Unruhen kommen würde, aber es waren insgesamt 300 internationale Wahlbeobachter hier in Paraguay und das Ergebnis war eindeutig. Wäre es sehr knapp gewesen, hätte es vielleicht Unruhen gegeben. Aber das war nicht der Fall. Lugo hat 40% der Stimmen erhalten. Die Kandidatin der Regierungspartei Blanca Ovelar hat noch in der Nacht ihre Niederlage eingeräumt - ebenso wie der Präsident. Wir hatten eine hohe Wahlbeteiligung von 62 Prozent, auch wegen des guten Wetters. Es gab nirgendwo Schwierigkeiten. Es waren sehr ruhige Wahlen. Ein einfaches Volk hat ein korruptes System abgewählt. Es war die massive Antwort eines übermüdeten Volkes, eine massive Antwort auf ein korruptes System einer kleinen herrschenden Minderheit. Das Volk hat es so satt gehabt, die Frustration war so hoch. Paraguay wollte einen Wechsel, es war einfach höchste Zeit.



Was sind Ihrer Meinung nach die ersten Punkte, die Lugo angehen muss?

Zunächst muss Lugo ein gutes Kabinett aufbauen. Dann wird er sicherlich die Gerichtsbarkeit neu organisieren. Was Paraguay braucht, sind unabhängige Gerichte. Das hat es bisher nie gegeben. Alles stand unter Einfluss der Regierungspartei. Das ist eine große Herausforderung. Und dann natürlich die Korruption. Paraguay ist eines der korruptesten Länder der Welt. Mit dieser Korruption ist ein Wirtschaftswachstum kaum möglich. Paraguay ist ein großer Erzeuger von Soja und Rindfleisch, deren Weltmarktpreise in den vergangenen Jahren explodiert sind, und dennoch lebt die Mehrheit der Menschen in Armut. Alle sollen vom Reichtum des Landes profitieren. Lugo hat sich die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben und dazu gehört als Grundlage eine funktionierende Gerichtsbarkeit und die Bekämpfung der Korruption. Sonst gelangt das Geld nämlich nie zu den Ärmsten.



Von einer funktionierenden Gerichtsbarkeit und einer geringeren Korruption kann der Bauer aber zunächst trotzdem nicht seine Familie ernähren.

Das sehen Sie richtig. Die Menschen wollen Effekte sehen. Sie wollen sehen, dass die Wahl Lugos für sie persönlich etwas gebracht hat. Sie werden es sich eine Weile ansehen, aber dann auch ganz klar etwas für sich einfordern. Aber da mache ich mir keine Sorgen. Lugo ist der Präsident aller Paraguayer, und das werden auch die Ärmsten des Landes hoffentlich schnell zu spüren bekommen. Außerdem hoffe ich, dass Lugo die Paraguayer dazu bewegen kann, hier zu bleiben, denn ein großes Problem unseres Landes ist die Emigration.


Über 100.000 Menschen haben Paraguay in den letzten Jahren den Rücken gekehrt. Das ist ein großes Problem, denn in der Regel sind es diejenigen, die man auch hier für den Aufbau des Landes braucht: die 20-40jährigen. Zurück bleiben die Kinder und Alte – Mütter und Väter verlassen ihre Familien aus wirtschaftlicher Not und versuchen ihr Glück in Spanien oder Argentinien. Lugo muss den Menschen Perspektiven aufzeigen, ihnen Hoffnung machen für ein besseres Leben. Die Wahl ist ein erster Schritt, aber der weitere Weg ist ein sehr, sehr schwerer. Dennoch glaube ich, dass er ihn gut beschreiten wird. Entscheidend war, dass es jemandem gelungen ist, nach 61 Jahren das Machtmonopol des Partido Colorado zu stoppen; damit ist nun der ersehnte Neuanfang möglich.


Zur Person: Walter von Holzen gehört dem katholischen Orden der "Steyler Missionare" an und lebt und arbeitet seit 32 Jahren in Paraguay. Der gebürtige Schweizer ist Direktor des päpstlichen Missionswerkes in Paraguay.


Tamara Häußler-Eisenmann
Pressereferentin Steyler Missionare
Arnold-Janssen-Str. 30
D-53757 Sankt Augustin
Tel: 0 22 41 - 237 757
Fax: 0 22 41 - 237 376

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