Samstag, 24. Januar 2009
 
Imam wurde von der CIA aus Österreich entführt. PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Aug und Ohr   
Mittwoch, 30. August 2006

Am 17. Februar 2003 wurde ein Abu Omar genannter moslemischer Geistlicher aus Mailand in den Stützpunkt Aviano verschleppt und dort, wie er berichtete, gefoltert und daraufhin nach Ägypten gebracht, wo er ebenfalls gefoltert wurde.

Der Fall Abu Omar: Kooperation der Geheimdienste der USA und Italiens

Am 17. Februar 2003 wurde ein Abu Omar genannter moslemischer Geistlicher aus Mailand in den Stützpunkt Aviano verschleppt und dort, wie er berichtete, gefoltert und daraufhin nach Ägypten gebracht, wo er ebenfalls gefoltert wurde. Man hat auch Druck auf ihn ausgeübt, mit dem ägyptischen Geheimdienst zu kollaborieren. Dies, nachdem er in Ägypten mit Strom- und akustischer Folter "behandelt" worden war. Die Staatsanwaltschaft in Mailand hat das ausführlich dokumentiert (1).

Abu Omar ist ein anerkannter politischer Flüchtling aus Ägypten. An der Entführung beteiligten sich, wie in der italienischen Presse detailreich geschildert, der italienische militärische Geheimdienst Sismi, die Carabinieri, private contractors und last but not least, die CIA, der Hauptakteur.

Auch ein Wiener Imam wurde verschleppt.

Im selben Zeitraum verschwand auch ein in Österreich lebender Imam, wie erst jetzt, drei Jahre später, bekannt wird.

Am Sonntag den 30. Juli berichtete der Corriere della Sera, daß zwei Monate vor der skandalösen Entführung Abu Omars auch ein in Österreich ansässiger Prediger namens Djamal (Gamal) al Minshawy verschwand. Sehr wahrscheinlich wurde er ebenfalls von der CIA verschleppt. Der jetzige Imam eben derjenigen Moschee, an der Abu Omar tätig war, gab dies in Mailand am 15. Juni 2004, also etwa ein Jahr später, zu Protokoll (2). Es handelt sich laut Mailänder Staatsanwaltschaft bei diesem Imam um Arman Ahmed El Hissiny Helmy, genannt Abu Imad (1).

„Auf dem Weg nach Saudiarabien verschwand er spurlos“, so die Aussage von Abu Imad. „Niemand weiß, wo genau er entführt wurde, noch wo er sich jetzt befindet“. Noch konkreter wird Abu Imad gegenüber dem Corriere della Sera: „Von Österreich aus hatte er sich auf eine Pilgerfahrt nach Mekka begeben. Beim Umsteigen in Amman verschwand er spurlos.“ Während der in Frage kommenden Zeitperiode fanden, wie aus europäischen Ermittlungen hervorgeht, zwischen Jordanien und Ägypten Dutzende Geheimtransporte statt (2).

Die Entführercrew streckt ihre Fühler auch nach Wien aus

Bei den Akten der Staatsanwalt von Mailand befindet sich auch ein Bericht der DIGOS (4) über George (L.) Purvis. Gegen Purvis – wobei es sich um einen Tarnnamen handeln könnte - wurde von den italienischen Behörden Haftbefehl erlassen. Er war der operative Chef der CIA-SISMI-Aktion, bei der Abu Omar verschleppt und außer Landes gebracht wurde. Er hielt in den entscheidenden Phasen der Entführung mit der CIA-Zentrale in Virginia Kontakt, seine Crew war, zusammen mit 5 SISMI-Agenten im Mailänder Luxushotel  Principe di Savoia untergebracht (2). Der vor einigen Tagen auf mysteriöse Weise ums Leben gekommene Datenspezialist und ehemalige polizeiliche Spitzenermittler Adamo Bove hat von technischer Seite wesentlich zur Identifizierung der Entführer beigetragen (3).

Ein ähnliches Entführersyndikat dürfte auch in Wien observiert und operiert haben. Purvis hat sich nämlich auch in Wien aufgehalten, berichtet die DIGOS. Er ist am 3. Juni 2002 am Flughafen Wien eingetroffen (2). Was tat er hier?

Redeverbot für Abu Omar und Al Minshawy.

Über Al Minshawy hat Abu Imad aus Mailand in den letzten zwei Jahren einiges in Erfahrung gebracht. „Er landete im selben Gefängnis wie Abu Omar. Es wurde mir berichtet, dass ihn die ägyptischen Behörden 2005 bedingt freiließen. Es dürfte ihnen klargeworden sein, dass er mit Terroristen nichts zu tun hatte. Aber er darf mit niemandem reden. Es ist, so heißt es, als ob er verstummt wäre.“ (2)

Der in Österreich legal ansässige Imam wird in Ägypten in einer Art von extrem verschärftem Hausarrest gehalten und ist praktisch incomunicado (2).

Diese politische Kontaktsperre wird in Ägypten auch mit Abu Omar praktiziert. Er war April und Mai 2004 drei Wochen lang unter strengen Auflagen bedingt freigelassen. Abu Omars „Freund“, wie ihn der Corriere bezeichnet, Mohammed Reda El Badry berichtet: „Die ägyptischen Behörden haben ihm aufgetragen, er habe mit niemandem zu reden. Sollten ihm Fragen gestellt werden, dann müsse  er antworten, er sei freiwillig nach Ägypten gefahren und habe keinerlei Gewaltmaßnahmen erfahren. Nachdem sie aber bemerkten, dass er mich angerufen hatte und mir über die Entführung und die Folterungen berichtete, haben sie ihn sofort wieder verhaftet.“(2)

Wenn einer von beiden das incomunicado-Diktat bricht, wird er sofort verhaftet, gänzlich isoliert und zumeist gefoltert.

Das ist die Realität Ägyptens und auch Jordaniens. Einer, der hier lebt, egal ob österreichischer „Staatsbürger“ oder nicht,  wird verschleppt und verschwindet.

Die Wiener Szene wird ausgeforscht.

An dem CIA-Terror ist jetzt auch Österreich beteiligt, dessen Behörden, Dienste, Zeitungen, Polizei bis heute über die Verschleppung schweigen.

Die Wiener Polizei forschte allerdings Wiens islamisches Milieu in der Sache Abu Omar aus. Abu Imad erklärte am 8. 4. 2003, er habe von Mohammed Shawki, dem Vorsteher einer Wiener Moschee, erfahren, er sei einige Tage nach dem Verschwinden von Abu Omar von einem Mann, der Shawki schon bekannt war, einem Geheimdienstler, verhört worden. Man wollte von Shawki wissen, wer denn von ihm Informationen über Abu Omar haben wollte. (1)

Über die Entführung Omars war die Wiener Polizei blitzschnell im Bilde. Sie verhört und weiß schon alles. Shawki wird an anderer Stelle gegenüber Abu Imad noch deutlicher. Er sei schon am selben Tage, an dem die Frau Omars dessen Verschwinden gemeldet hatte, von der Wiener Polizei 17 Stunden lang verhört und über Abu Omar und dessen Aktivitäten befragt worden. Er antwortete auf die Fragen der Polizei, hörte aber offensichtlich erst danach von der Entführung. Er ging zur Polizei zurück, es war am 20. Februar, wie er sich zu erinnern glaubte, und fragte sie, wieso sie ihm gegenüber die Entführung Abu Omars überhaupt nicht erwähnt worden war.

Die schlichte Antwort der Wiener Polizei: Abu Omar befindet sich nicht mehr in Italien. Langsam dämmerte es ihm, als er sich noch einmal all die Fragen vergegenwärtigte, die die Polizei ihm gestellt hatte! Wie konnte die Wiener Polizei etwas von der Entführung wissen, bevor noch die Frau Abu Omars darüber berichtet hatte, fragte er sich (1).

Es wäre lächerlich anzunehmen, die österreichische Polizei hätte nichts von der Entführung Al Minshawys gewußt, wenn sie schon über Abu Omar so gut informiert ist.

Was wusste sie davon? Hat sie am Ende dazu beigetragen? Haben die österreichischen Geheimdienste dazu beigetragen? Wer hatte hier mit Purvis Kontakt? Wer stellt vor den Wahlen die entsprechende Parlamentarische Anfrage?

Österreich im Fadenkreuz der CIA.

Für Österreich existiert eine geheime CIA-Liste mit „gefährlichen Personen“. Das wurde dem ehemaligen Chef der Gegenspionage des SISMI Gustavo Pignero von Jeff Castelli, dem damaligen CIA-Chef in Italien und Botschaftsattaché persönlich mitgeteilt.

Gegen Castelli besteht, im Zusammenhang mit der Entführung Abu Omars, Haftbefehl, auch gegen Mancini, dessen Nachfolger, wird ermittelt, der einer der Hauptverantwortlichen der Omar-Entführung ist.

Nicht nur in Italien habe, so Castelli,  die CIA „die Präsenz einer bestimmten Anzahl gefährlicher Personen“ ausgemacht, sondern auch in anderen Ländern, unter denen explizit Belgien, Österreich und Holland genannt werden.

Es stammt dies ebenfalls aus einer Meldung des Corriere della Sera, und zwar schon vom 10. Juli 2006 (5).  Inzwischen sind drei Wochen vergangen, es hat sich aber keine österreichische Zeitung die Mühe gemacht, diese doch wahrlich sensationelle Meldung aufzunehmen. Vielleicht können sie nicht italienisch?

Der General bekam vom Italo-CIA-Boss eine Reihe von Namen, darunter, wie er sich deutlich erinnern kann, auch den des Imams aus Mailand. Das Entführungsopfer wurde ihm also namentlich genannt.

Die auf den Listen aufgeführten Personen seien, so Castelli Objekte der CIA-Intelligence, wie auch „operative Ziele“. Was man bei der CIA unter Operationen versteht, wird am Fall Abu Omar klar.

Eindeutig hat die CIA also auch für Österreich Listen von potentiellen Entführungs- und Folteropfern zusammengestellt. Wer steht, neben Alminshawy, noch auf dieser Liste?

Man kann annehmen, dass die Polizeien und Dienste Österreichs einiges wissen, aber nicht preisgeben.

Der Fall Al Minshawy zeigt, dass in Österreich öffentlichkeits- und demokratieentzogene Parallelstrukturen existieren dürften.

Die Entführung Al Minshawys gibt einige Rätsel auf, die die österreichische Öffentlichkeit demnächst zu lösen hat. Eines aber scheint ziemlich plausibel zu sein.

„Eine weitere illegale Aktion, bei der die Geheimdienste Italiens, der Vereinigten Staaten und Österreichs zusammenwirken“, lautet die Prognose und Diagnose Paolo Biondanis vom Corriere della Sera (2).

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(1) Tribunale di Milano, Sezione Giudice oper le indagini preliminari, n. 10838/05 R.G.N.R., n. 1966/05 R. G.GIP, Seite 44 (englisch)
http://www.washingtonpost.com/wp-srv/world/documents/milan_warrants.pdf

(2) Paolo Biondani: Sismi-Cia, inchiesta su un altro imam sparito,  Corriere della Sera,  30. 7. 2006

(3) Vgl. Dazu unter anderem: Paolo Biondani: Gli investigatori del caso Abu Omar: così ci ha aiutato a incastrare il Sismi, Corriere della Sera, 23. 7. 2006

(4) Divisione Investigazini Generali e Operazioni Speciali, Spezial-Task-Force, Teil der italienischen Staatspolizei.
In ihrem Visier sind in erster Linie Systemgegner, aber sie leistet auch sonst gute Aufklärungstätigkeit.

(5) Gli USA fecero il nome di Abu Omar, Corriere della Sera, 10. 7. 2006

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