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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 17. März 2022; 02:45
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Krieg/Ö/EU:
> Ein häßliches Spiegelbild
Keine Frage, wer den heissen Krieg begonnen hat. Aber sind "wir" im Geiste
so viel besser als "die"?
"Hap-taccht! Stillgestanden!" Langsam kommt es einem vor, als sollte man bei
den Nachrichten immer strammstehen, mit der Hand am Kappenrand. War es ja
schon vor dem Krieg so, daß ständig irgendwelche Lamettaträger und
Kommißschädeln im Fernsehen waren, aber langsam wird das ein bisserl viel.
Angefangen hat das schon vor Jahren, mit den diversen Assistenzeinsätzen,
zuerst an der Grenze, dann vor den Wiener Botschaften. Dann hat ausgerechnet
ein grüner Oberbefehlshaber sich zum Sudern bewegen lassen, wie wenig
kampfkräftig doch unser Heer sei. Danach kam Corona und damit zuerst die
militarisierten Teststationen und in Folge "GECKO", wo gleich zwei
Generalmajore drinsitzen, einer davon im Kampfanzug. Was die dort machen,
weiß der Teufel! Das sind ja wohl eher Experten fürs Todschiessen, aber
nicht fürs Überleben.
Aber jetzt haben wir einen Leutnant als Bundeskanzler und täglich mindestens
einen Generalstabler im Glotzophon. Noch mehr erschreckend ist allerdings,
daß die oft sogar noch vernünftiger sind als die zivilen Meinungsmacher. So
konnten wir in der ZiB2 von Generalmajor Hofbauer, danach gefragt, was er
denn von der Befürchtung der USA halte, Rußland könnte
Massenvernichtungswaffen einsetzen, hören, daß ihn das an 2003 erinnere, wo
mit der selben Argumentation der Krieg mit dem Irak gerechtfertigt worden
war.
Geistige Landesverteidigung
Solche Differenzierungen waren in den letzten drei Wochen jedoch nur selten
im ORF zu hören und noch weniger in den hiesigen Massenprintmedien zu lesen.
Paradigmatisch sind dafür die Chefredakteure von zwei bislang eher als
liberal angesehenen Blättern. Herr Rainer vom profil findet es "widerlich",
daß die SP-Chefin Rendi-Wagner meint, man müsse die Neutralität bewahren. Er
ist sich nur nicht sicher, ob er dies als "Sauerei" qualifizieren solle oder
sie das "wegen Feigheit als Spitzenpolitikerin disqualifizieren" würde.
Wenigstens ist Herr Rainer so ehrlich, in seinem Blogbeitrag zuzugeben, daß
er eh schon immer für einen NATO-Beitritt war.
Der Falter hingegen produziert ein Cover mit einem Flintenpärchen. Die
beiden "heirateten am ersten Tag des Angriffs auf ihre Heimat. Anstatt in
die Flitterwochen zu fahren, traten sie der Verteidigungsmiliz bei." Dazu
lächeln sie aneinander gelehnt vom Titelblatt, mit Sturmgewehren in den
Händen. Herr Klenk begegnet auf Twitter dem Vorwurf der Romantisierung des
Krieges mit: "Die kämpfen um ihre Freiheit in Kiew."
Wer nicht für die "Freiheit", also den Ansprüchen der jeweiligen Oligarchen
oder sonst irgendeiner Herrschaft kämpft, begeht also eine "Sauerei" oder
ist "feig". Hallo? Wer hat noch keinen Stahlhelm, wer will noch einen?
Da haben die aber wirklich Glück gehabt, daß Erhard Busek jetzt gestorben
ist. In den diversen Nachrufen wird zwar gerne erwähnt, daß er kurz vor
seinem Tod noch bei einem Ukraine-Soli-Konzert war, aber nicht der letzte
Gastkommentar, den er verfaßt hat. Da war nämlich (im Standard) unter dem
Titel "Die gute 'alte' Neutralität" zu lesen: "Warum unternehmen wir nicht
Bemühungen in der Ukraine, um Voraussetzungen für ein Verständnis der
Neutralität zu schaffen? Ohne schmerzvolle Konzessionen wird die Ukraine aus
der gegenwärtigen Kriegssituation nicht herauskommen. Eine Diskussion
darüber wäre zukunftsorientierter als die Vorschläge, die Ukraine in die EU
oder in die Nato aufzunehmen, wobei ich mich zurückhalten möchte, denn sonst
müsste ich sagen, dass diese Vorschläge dumm sind!" Wäre blöd, wenn der,
dessen Steckenpferd Osteuropa ja schon zu Zeiten des Kalten Krieges war,
jetzt auch noch Interviews geben könnte. Von jemanden, der sich -- bei aller
notwendigen linken Kritik -- definitiv in der Materie auskennt, echte
Lösungen vorschlagen zu lassen, die das Schlachten beenden könnten, geht ja
so gar nicht. Noch dazu, wenn dieser jemand in der EU hohes Ansehen genießt
und tatsächlich eine Vermittlerrolle einnehmen hätte können! Nein, sojemand
stört beim heroischen Sterben für die ruhmreiche Heimat.
Kiew sei jetzt eine Festung, tönt der der ehemalige Boxer und jetzige
Bürgermeister. Wozu? Damit die Eliten sich die Chance auf einen EU-Beitritt
bewahren können. Dafür wird jetzt geblutet.
Aber man kann doch den Ukrainern nicht zumuten, zu kapitulieren! Stimmt!
"Die Ukrainer" werden eh nicht gefragt. Außer natürlich von den westlichen
Fernsehstationen jene, die bereit sind, Kampf- und Durchhalteparolen in die
Mikros abzugeben.
Feindsender
Die Menschen in Rußland werden aber auch nicht gefragt. Und wir in der EU
genausowenig. Damit das Volk hüben wie drüben nicht auf falsche Gedanken
kommt, werden Feindsender verboten. In Rußland wird das natürlich ein
bisserl heftiger exekutiert und wir hier sollen alle über die Zensur dort
empört sein. Damit das aber funktioniert, wird in der EU "RT Deutsch"
(vormals "Russia Today") verboten -- bis hin zur Anweisung an
Internetprovider, diese Seiten zu sperren. Weil das ist ja keine
Information, sondern Propaganda, und davor müssen die dummen kleinen Leute
hierzulande ja bewahrt werden. Das ist also diese freie Welt, in der uns
noch die Ukraine fehlt!
In Österreich macht man bezüglich dieses Verbots wiedermal den
Musterschüler: Im Verfassungsausschuß des Nationalrats stimmten auf Antrag
der Regierungsparteien auch alle anderen außer der FPÖ dafür, daß "mit
Geldstrafe bis zu 50 000 Euro zu bestrafen" sei, "wer entgegen unmittelbar
anwendbaren Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union als Anbieter eines
Kommunikationsdienstes einen audiovisuellen Mediendienst oder ein
Radioprogramm überträgt oder dies ermöglicht, erleichtert oder auf andere
Weise dazu beiträgt ... die Umgehung dieser Sanktionsmaßnahmen zu bezwecken
oder zu bewirken." Das betrifft ganz generell jegliche Verbreitung
audiovisueller Inhalte, selbst "Teile von Sendungen von ausländischen
Programmen", also das Zitat, aber auch wenn man diese Umgehung eben nur
"erleichtert".
Die meisten großen unionseuropäischen Internetprovider -- besonders relevant
Magenta -- haben schon in vorauseilendem Gehorsam die RT-Homepages geblockt.
Wenn also die EU beschließt, daß ich bestimmte Meinungen nicht konsumieren
darf, dann kann ich mir Artikel 10 EMRK aufzeichnen, denn der garantierte
bislang nicht nur das Recht auf freie Meinungsäußerung, sondern auch "die
Freiheit zum Empfang ... von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe
öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen".
Interessanterweise gibt es bei den politischen Eliten schon noch ein paar
Leute, die sich an den Wert der EMRK erinnern: "Wenn wir jetzt in Gefahr
geraten, unsere Pressefreiheit ein Stück weit zu opfern: Wie wollen wir dann
künftig Tendenzen zur Gängelung der Medien wie etwa in Ungarn begegnen?"
Denn es seien "Verbote in einer liberalen Medienwelt, in der wir in Europa
zum Glück leben, immer die schlechteste Variante". So sprach die deutsche
Europa-Abgeordnete Petra Kammerevert. Sie und 11 weitere der SPD-Fraktion im
EP stimmten gegen eine diesbezügliche Vorlage, die allerdings ansonsten mit
großer Mehrheit angenommen worden ist. Was sowieso nur symbolische Bedeutung
hatte, weil ja in der EU immer noch gilt, daß, was der Rat beschlossen hat,
das Parlament nicht blockieren solle. Die Ablehnung durch österreichische
Sozialdemokraten wäre aber dann schon noch drinnen gewesen.
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine tobe "auch ein
Informationskrieg", hat im EP Christdemokratin Verheyen in ihrer
Positionierung zum Abschlussbericht des Sonderausschusses festgestellt. Es
sei "entscheidend, dass wir die legislativen Möglichkeiten nutzen, um hier
handlungsfähiger zu werden und die Unversehrtheit unserer Demokratie besser
schützen können".
Zensur ist Wahrheit? Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit
ist Stärke? Was wäre eigentlich die große Gefahr, wenn man doch Feindsender
hört? Wo das doch alles so jenseitige Propaganda ist und in der EU die
Menschen doch so mündig, daß sie ab ihrer Volljährigkeit alle das Wahlrecht
haben? Aber vielleicht würde den RT-Konsumenten ansonsten die
Spiegelbildhaftigkeit der Berichterstattung zwischen Hüben und Drüben
auffallen. Sie wären dann verwirrt und würden gar nichts mehr glauben! Denn
der Großteil der Meldungen und Meinungen auf RT liest sich nicht wie eine
Goebbelsrede, sondern genau so wie die hiesigen Massenmedien: Man arbeitet
mit Zitaten von Politikern und aus Agenturen, läßt bestimmte Aussagen weg,
betont dafür andere und bedient sich spezieller Sprachregelungen -- nicht
anders als bei uns, nur eben mit einem anderen Spin.
Und das Spiegelbild wird mit diesen Verboten komplettiert. Ja, es ist
weitaus gefährlicher in Rußland, westliche Positionen zu verbreiten, als
hierzulande solche der russischen Regierung. Dieser quantitative Unterschied
ist wichtig und ich muß nicht damit rechnen für diesen Kommentar hier
eingesperrt zu werden. Aber wenn ich jetzt zum Beispiel aus RT zitiere oder
gar anderen Leuten erkläre, wie sie trotz der Netzsperren zu RT gelangen,
also die "Umgehung erleichtere", kann ich mir diesbezüglich nicht mehr
sicher sein in dem Moment, wo oberwähntes österreichisches Gesetz im
Nationalrat beschlossen worden und in Kraft getreten ist. Und wenn man als
Imperium, daß die EU mittlerweile sehr wohl ist, besonders nach der Betonung
der militärischen Beistandspflicht, einmal anfängt damit, die
"Unversehrtheit der Demokratie" mit solchen Mitteln zu "schützen", wo landet
man dann letztendlich?
Staat und Volk
Wie so oft werden Volksgemeinschaften postuliert. #StandWithUkraine ist ein
beliebter Hashtag und die Leute führen blaugelbe Flaggen in ihren
Twitter-Accountnamen und ihren Facebook-Avataren. Es ist dieses
Allegemeinsam, diese Schicksalsgemeinschaft einer Verwaltungseinheit, dieses
Versammeln um die Fahne, das Betonen der gemeinsamen Interessen des
Staatsvolks. Man nennt den Namen eines Staates und denkt sich Regierung,
Territorium und die Menschen in diesem Land als eine Einheit -- bis auf die
paar "Volksverräter" halt. Wenn man dann vielleicht einen bestimmten anderen
Staat nicht mag, heissen die "Volksverräter" eben "Dissidenten" oder
"Oppositionelle". Im Prinzip ist das aber egal, das Bild der Einheit bleibt
gleich. Das wird auch nicht besser, wenn man, wie in diesem Fall,
Formulierungen findet wie "Putins Krieg gegen die Menschen in der Ukraine".
Denn einen Krieg führt man nie gegen Menschen, weil die einem staatlichen
System scheißegal sind, sondern eine Herrschaft führt einen Krieg gegen eine
andere Herrschaft. "Die Menschen" sind da einfach nur Opfer, Verschubmasse,
Geiseln oder nützliche Idioten in Mannschaftsuniformen.
Man nenne den Namen eines Staats und meine damit genau nur das: Diesen Staat
und dessen Nutznießer! Denn es geht ja doch nur um diese Interessen. Und
zwar deren "berechtigte", die Rußland einerseits, EU und USA andererseits
verfolgen. Diese Formulierung verwendete schon 1914 der deutsche Kaiser in
seiner (vom Reichskanzler geschriebenen) Rede in Bezug auf die
Habsburger-Herrschaft: "Bei der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen ist
der verbündeten Monarchie das Russische Reich entgegengetreten." So wie
damals die beiden Kaiser und deren Industrielle um nichts besser waren als
der Zar und sein Gefolge sind auch heute deutsche, US-amerikanische und
ukrainische Oligarchen nicht besser als die Rußlands. Eine souveräne,
demokratische und sozial gerechte Ukraine will niemand von denen. Aber für
diese Oligarchen sollen die ukrainische Bevölkerung und auch die russischen
Soldaten bluten.
Kant hatte in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" gehofft, daß unter
demokratischen Verhältnissen keine Kriege mehr geführt werden. Diese gäbe es
nur solange, wie sie nicht die "höfischen Ballspiele" störten. Er hat wohl
nicht damit gerechnet, daß auch mit Wahlen die gleichen Figuren an die Macht
kommen und die genauso für ihre Refugien sorgen, wo sie ihre Ruhe haben.
"Don't fight, gentleman, this is the War Room", wie der US-Präsident in
Kubricks "Dr. Seltsam" meinte.
Herrschaft der Angst
Wir leben jetzt seit zwei Jahren wegen eines Virus in ständiger Angst und
Verteidigungshaltung. In dieser Zeit, sind der autoritäre Charakter und der
Militarismus aufgeblüht -- überall Feinde, gegen die es sich zu verteidigen
gilt, nein, nicht die Viren, sondern die Ungeimpften und die Geimpften, die
Staatshörigen und die Verschwörungstheoretiker und die zwischen allen
Stühlen, die jeweils der Gegenseite zugerechnet werden. Das hatte schon
einen leichten Hauch von Bürgerkriegsstimmung. Aber jetzt gibts einen echten
Krieg, noch dazu recht nahe und mit einem dämonenhaften Bedroher unserer
Freiheit und unserer Lebensart; na, das freut doch die geistigen
Landesverteidiger ungemein. Und jetzt schwärmen wir in Österreich von
Aufrüstung, NATO-Beitritt und Truppenübungen! In Deutschland werden für das
Militär gerade Euros aus dem Fenster geworfen, als würde das Geld morgen
verboten, und man denkt dort auch über die Wiedereinführung der Wehrpflicht
nach.
Ich halte mich da lieber an obzitierten HC! Der ist aus der Wehrmacht
desertiert, wurde in ein Strafbataillon gesteckt, desertierte noch einmal
und geriet trotzdem in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Der wußte, was
Krieg und Militarismus bedeuten. Daher sei hier nochmal aus seinem
"Manifest" zitiert: "Wir rufen euch alle auf: wehrt euch gegen diese
barbarei! laßt euch nicht durch radetzky-, deutschmeister- und
kaiserjägermarsch aug und ohr auswischen... pfeift auf den lorbeer und laßt
ihn den linsen!"
*Bernhard Redl*
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