**********************************************************
  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 24. Februar 2022; 02:37
  **********************************************************
  
  Bücher:
  
  > Grundeinkommen als Hebel zum Systemwandel
  
  Robert Reischer:
  Grundeinkommen -- eine stabile Existenzgrundlage in Zeiten prekärer Jobs und
  brüchiger Karrieren; Sozialstaat 4.0
  120 Seiten, Books on Demand, 2022
  ISBN-13: 9783755729228
  
  Es geht wiedermal ums bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Auf dem
  Waschzettel des vorliegenden Buches steht: "Sozialstaat 4.0 ist die Antwort
  auf Deregulierung, Privatisierung und Globalisierung, die für Jobverlust und
  Sozialabbau politisch verantwortlich sind. Reparaturen und Anpassungen im
  bestehen System sind möglich. Das emanzipatorische Grundeinkommen ist die
  Erweiterung des Systems und ein Weg zu mehr Freiheit und weniger
  Abhängigkeiten." Statt einer Buchbesprechung bringen wir hier eine
  Leseprobe:
  
  ###
  
  Ein BGE hinterfragt durch die verbesserte Unabhängigkeit die hierarchischen
  Herrschaftsverhältnisse, die durch den de facto Zwang zu Erwerbseinkommen im
  gesellschaftlichen Bewusstsein verankert sind, und ist damit ein Baustein im
  Transformationsprozess mit dem Ziel, durch materielle, soziale und
  kulturelle Teilhabe an der Gesellschaft allen Menschen ein Leben in Würde zu
  sichern. Es muss von gesellschafts-, wirtschafts- und bildungspolitischen
  Maßnahmen begleitet werden und ist die Brücke in eine Gesellschaft, in der
  für alle von allem Notwendigen genug da ist.
  
  Es ist ein Schritt in Richtung einer Gesellschaft, in der die Menschen frei
  und selbstbestimmt leben und tätig sein können. Ziele sind eine Umverteilung
  des gesellschaftlichen Reichtums, materielle Unterstützung
  nicht-marktfähiger Arbeit, individuelle Bildungswege, gesellschaftliche
  Teilhabe und freie Meinungsäußerung.
  
  Alle Menschen in unserer auf Geld begründeten Volkswirtschaft brauchen eine
  finanzielle Grundlage um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, indem sie Produkte
  und Dienstleistungen der Anbieter kaufen können. Damit wird Produktion
  stimuliert und das Rad von Leistung, Geld und Wirtschaft angetrieben.
  
  Die Finanzierung des BGE soll eine umverteilende Wirkung von den hohen zu
  den niedrigen Einkommen haben. Diese ist notwendig, weil sonst die Schere
  zwischen Arm und Reich systembedingt ständig weiter aufgeht. Die Reichen,
  die vom Ertrag ihres Vermögens ohne Erwerbsarbeit leben könnten, werden
  dadurch keineswegs arm, aber die derzeit schon viel zu große Kluft zwischen
  den Einkommen wird verringert und das automatische Wachstum der großen
  Vermögen gebremst.
  
  Das Grundeinkommen allein wird nicht der Schlüssel zu einem ausgeglichenen
  Arbeitsmarkt sein. Angesichts der Produktivitätssteigerungen, der
  Überproduktion und der gesättigten Absatzmärkte, ist eine generelle
  Verkürzung und Neuverteilung der Arbeitszeit auch ohne Grundeinkommen
  dringend erforderlich. Durch die Reduzierung der Arbeitszeit könnten auch
  die Beiträge zur Sozialversicherung sinken, weil Maschinen und Roboter keine
  Sozialversicherung zahlen. Eine Wertschöpfungsabgabe aus automatisierten und
  digitalen Leistungen, aus Wissen, Beratung und anderen Erträgen könnte die
  Berechnungsgrundlage auf eine breitere Basis stellen und die Lohnkosten
  verringern.
  
  Lebensnotwendige Dinge wie Wohnung, Nahrung, Wasser usw. sollten in der sog.
  Freiheit des Marktes nicht zur Disposition stehen und der Logik von Angebot
  und Nachfrage als Preis bestimmend entzogen werden.
  
  Selbstverantwortliche Entscheidungen für verschiedene Tätigkeiten und
  zivilgesellschaftliches Engagement fördern die Persönlichkeitsentwicklung.
  Sie führen zu Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Anerkennung durch
  andere.
  
  Ein BGE kann daher dazu beitragen, dass Demokratie besser verwirklicht wird
  und Macht tatsächlich vom Volk statt vom Finanzkapital ausgeht. Eine
  demokratische Gesellschaft braucht Menschen, die sich politisch engagieren,
  die Politik muss dazu in einem demokratischen Prozess die Rahmenbedingungen
  schaffen.
  
  Das BGE geht weit über den Charakter einer Sozialleistung hinaus da es in
  Richtung Ausweitung der Entscheidungsautonomie wirkt und gegen Entwürdigung
  durch den Zwang, jede Arbeit anzunehmen oder Erwartungen an Rollenklischees
  zu erfüllen. Mit dem BGE verliert Erwerbsarbeit den absoluten Vorrang vor
  allen anderen Lebensentwürfen, wodurch diese relativ aufgewertet werden.
  
  Nur durch eine gesicherte Existenz kann man Jobs die destruktiv (Schädigung
  der Umwelt, Ausbeutung anderer Menschen) oder unzumutbar (Lohn,
  Arbeitsbedingungen) sind, ablehnen.
  
  Wenn die Bereitschaft zu bestimmten Erwerbsarbeiten zurückgeht, müssen die
  entsprechenden Löhne steigen (schwere körperliche, seelisch belastende oder
  monotone Fließband- oder Hilfsarbeit).
  
  Daher muss ein Grundeinkommen über der Armutsgrenze liegen und darf an keine
  Bedingungen gekoppelt sein, um eine tatsächliche Trennung der
  Existenzsicherung von Erwerbsarbeit zu erreichen.
  
  Die Forderung nach einem Grundeinkommen entspringt auch aus der Kritik an
  der erlebten Realität in der Arbeitswelt, die ihre Versprechen nach
  Existenzsicherung, nach Sinnfindung und Anerkennung immer weniger erfüllt.
  
  Der freie Wettbewerb geht immer zu Lasten der Schwächeren und jenen, die
  sich nicht wehren können. Die Bauern gegen die Supermarktketten, Lagerhäuser
  und Molkereien, die Unternehmer*innen gegen die Lohnabhängigen und die
  Männer gegen die Frauen mit Verantwortung für Sorgepflichten und Familie.
  
  Für die "Nur-Lohnarbeiter" soll durch ein Grundeinkommen das Recht auf
  Arbeit gewährleistet werden, weil die Wachstumslogik aufgebrochen und
  Arbeitszeitverkürzung durchsetzbar wird, wodurch auch traditionelle Jobs
  frei werden.
  
  Jugendliche finden eher Arbeit, weil Kaufkraft und wirtschaftliche
  Aktivitäten sich in Randzonen und in kleinere Betriebe hin verlagert, weg
  von den Arbeitsplatz-sparenden und konzentrierenden Konzernen.
  
  Die tief verwurzelte Grundeinstellung zur Arbeit, die jahrhundertelange
  Disziplinierung und das Misstrauen der Kontrollierten gegenüber den
  Selbstbestimmten ruft alle möglichen Widerstandsformen wach.
  
  Aber die traditionellen Arbeitervertreter*innen sehen die Relativierung der
  Lohnarbeit als Verlust ihres Machtbereiches. Umfangreiche Änderungen oder
  allzu neue Modelle der Abgabenberechnung, verstärken diese Widerstände und
  zusätzliche Hürden zu einer raschen Realisierbarkeit werden aufgestellt.
  
  Die Entscheidungsträger und Meinungsbildner, die in grundsätzlich
  skeptischen Institutionen (Gewerkschaften, Parteien und Interessensverbände)
  verankert, aber auch für die Vorteile und Perspektiven ihrer Klientel offen
  sind, müssen überzeugt werden, dass sowohl die offenen Fragen beantwortet
  als auch ihre kulturellen und sozialen Interessen und Gewohnheiten
  respektiert werden. Daher müssen Szenarien für moderate Wege entworfen
  werden, die Ängste verringern und Teile der Bevölkerung überzeugen können.
  Nicht zuletzt sind Ängste vor einer generellen Einführung zu erwarten, wenn
  die Möglichkeit für Korrekturen oder Nachbesserungen nicht zu erkennen ist.
  
  Die erforderlichen Änderungen der Rahmenbedingungen im Sozial- und
  Arbeitsrecht, wie zB. Arbeitszeit, Mindestlohn, Mitbestimmung und Ähnliches,
  brauchen verstärkte Aufmerksamkeit und Engagement von Arbeiterkammern,
  Gewerkschaften und Betriebsräten ebenso wie verbesserte Zusammenarbeit
  dieser Institutionen.
  
  Aus diesen Gründen könnte eine regional begrenzte Modellphase mit
  wissenschaftlicher Begleitforschung, wie sie im Kapitel Teilschritte
  beschrieben wird, einige Widerstände abbauen. Auch soll so weit als möglich
  das - zum Zeitpunkt der Einführung - bestehende Steuer- und Abgabensystem
  weitgehend erhalten bleiben und nur die Freibeträge, Progressionsstufen und
  Hebesätze verändert werden. Dies hätte den Vorteil, dass die Beschäftigten
  in den diesbezüglichen Einrichtungen (Finanzamt, Sozialversicherungen,
  Steuerberatung etc.) nicht befürchten, ihre Arbeitsplätze zu verlieren.
  
  Wendepunkt in der Sackgasse der Wachstumslogik
  
  In der sog. Zivilgesellschaft wird die Kritik an der wachstumsorientierten
  Wirtschaftslogik lauter und die Diskrepanz zwischen Lebensqualität und
  Leistungssteigerung immer deutlicher. Bruttosozialprodukt und Arbeitsplätze
  als Argument für die Rüstungsexporte wurden von zig-tausend Friedensbewegten
  nicht mehr länger akzeptiert und als Sinn von Arbeit abgelehnt. Fridays for
  Future lenken nun die Aufmerksamkeit auf eine weitere Eiterblase des von
  Gier und Egoismus getriebenen Marktsystems.
  
  Die Einführung des Grundeinkommens kann den Druck von den politisch
  Verantwortlichen nehmen, um jeden Preis auch die unsinnigsten
  Arbeitsbeschaffungsprojekte durchführen zu müssen. Sie kann den Blick
  befreien für andere Werte als Wachstum und Gewinn.
  
  ###
  
  Neben Argumentationsgrundlagen liefert das Buch eine ganze Menge Zahlen,
  Fakten, Daten sowie Finanzierungsmöglichkeiten und Abgrenzungen zu den den
  BGE-Verfechtern immer wieder vorgehalteten neoliberalen
  Klostersuppen-Modellen. Das Buch ist unter anderem online über Book on
  demand www.bod.de beziehbar. Den Direktlink zur Bestellung sowie weitere
  Infos gibt es auf dem Blog https://sozialstaatdotblog.wordpress.com
  
  
  ***************************************************
  Der akin-pd ist die elektronische Teilwiedergabe der nichtkommerziellen
  Wiener Wochenzeitung 'akin'. Texte im akin-pd muessen aber nicht
  wortidentisch mit den in der Papierausgabe veroeffentlichten sein. Nachdruck
  von Eigenbeitraegen mit Quellenangabe erbeten. Namentlich gezeichnete
  Beitraege stehen in der Verantwortung der VerfasserInnen. Ein Nachdruck von
  Texten mit anderem Copyright als dem unseren sagt nichts ueber eine
  anderweitige Verfuegungsberechtigung aus. Der akin-pd wird nur als
  Abonnement verschickt. Wer versehentlich in den Verteiler geraten ist, kann
  den akin-pd per formlosen Mail an akin.redaktion@gmx.at abbestellen.
  
  
  
  *************************************************
  'akin - aktuelle informationen'
  postadresse a-1170 wien, lobenhauerngasse 35/2
  redaktionsadresse: dreyhausenstraße 3, kellerlokal, 1140
  vox: 0665 65 20 70 92
  https://akinmagazin.at/ oder https://akin.mediaweb.at
  blog: https://akinmagazin.wordpress.com/
  facebook: https://www.facebook.com/akin.magazin
  mail: akin.redaktion@gmx.at
  bankverbindung lautend auf: föj/BfS,
  bank austria, zweck: akin
  IBAN AT041200022310297600
  BIC: BKAUATWW