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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 17. Februar 2022; 05:58
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Serbien:
> Das Rätsel um eine Raubkopie
Gibt es die serbische Grünpartei wirklich und wenn ja: Wieviele?
*Christoph Baumgarten* bemüht sich in einer seiner Balkan Stories um eine
Antwort.
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In Serbien versucht sich die ehemalige Konservative Partei als Raubkopie der
deutschen Grünen. Andere grünnahe Parteien wie Ne Davimo Beograd sehen sie
als Fünfte Kolonne des Regimes von Präsident Aleksandar Vucic. Das Büro der
deutschen grünen Heinrich Böll-Stiftung in Beograd distanzierte sich rasch
von der neuen Partei, die Partei selbst erst nach einer längeren
Nachdenkpause.
Viel offensichtlicher kann man keine Raubkopie sein als die neue serbische
"Savez 90 / Zelenih Srbije". Wortwörtlich übersetzt lautet der Parteiname:
"Bündnis 90 / Die Grünen Serbiens".
Da hätte es die Sonnenblume im Logo gar nicht gebraucht, die man ebenfalls
von den deutschen Grünen übernommen hat. Unterscheiden kann man die
Online-Auftritte der beiden Parteien nur durch die Sprache.
Simon Ilse, Leiter des Büros der Heinrich Böll-Stiftung von Bündnis 90/Die
Grünen in Beograd, distanziert sich gegenüber Balkan Stories von der neuen
Partei. Simon verweist auf eine Stellungnahme von Ende Jänner im Namen der
Europäischen Grünen. Dort wird klargestellt, dass Savez 90 / Zelenih Srbije
Logo und Namen der deutschen Grünen ohne Genehmigung verwendet: "Hereby, we
want to state that the two parties are not formally or legally connected,
nor is there any form of cooperation activities that would allow the
transfer of the German Greens' symbols or political credibility to this
party."
Die Partei Bündnis 90 / Die Grünen selbst hat aber auf mehrfache Anfragen
von Balkan Stories nicht reagiert. Sehr zum Unmut von Sympathisanten in
Serbien sowie Anhängern anderer grünnaher Bewegungen gab es bis 10.Februar
keine offizielle Stellungnahme. Erst da distanzierte sich die deutsche
Partei von Savez 90 / Zelenih Srbije. Diese sei kein Teil der European Green
Party und es gebe keinerlei Verbindungen zwischen Bündnis 90 / Die Grünen
und Savez 90 / Zelenih Srbije.
Dabei bemüht sich die erst im Herbst gegründete Partei Savez 90 / Zelenih
Srbije nach Kräften, den Eindruck einer tiefen Verbundenheit zu den
deutschen Grünen zu erwecken.
Eine Parteilizenz ganz einfach gekauft?
Die bloße Existenz von Savez 90/Zelenih Srbije wirft viele Fragen auf, das
bisherige politische Engagement tut es noch viel mehr. Wie die kritischen
Plattformen BIRN und Masina übereinstimmend recherchiert haben, sind die
neuen serbischen Grünen die alten serbischen Konservativen.
Diese grüne Partei hat sich nie selbstständig gegründet. Im serbischen
Parteienregister hat sie die gleichen Nummer wie die seinerzeitige
Konservative Partei. Das ist die Nummer 88.
Grünen-Vorsitzender Ðura Vlaskalic hat als Bindeglied fungiert und die
Konservativen ganz einfach umbenannt. Was Vlaskalic auch gar nicht groß
abstreitet.
Das hat vor allem damit zu tun, dass das serbische Parteiengesetz aus dem
Jahr 2009 es fast unmöglich macht, Parteien neu zu gründen oder mit neuen
Parteien zu Wahlen anzutreten. Für eine neue Partei braucht man die
Unterschriften von mindestens 10.000 serbischen Staatsbürgern. Ein Notar
muss jede einzelne Unterschrift beglaubigt haben. Zusätzlich braucht man
mindestens 30.000 Euro, berichtet die Plattform Balkan Investigative
Research Network (BIRN).
Das könnte serbische Parteiregisternummern zum begehrten Handelsgut machen -
ganz ähnlich etwa wie die österreichischen Boxerlizenzen bei den
Klitschko-Brüdern oder die Plakarden von New Yorker Taxis.
Funktionäre einer de facto schon inexistenten Partei verkaufen die Lizenz
einfach weiter, eine neue Partei muss nur den Namen ändern und suggerieren
können, das sei auf den Willen der Mitglieder hin geschehen. Man könnte
vielleicht auch das noch als Zeichen der Korruption des serbischen
politischen Systems sehen und Savez 90 / Zelenih Srbije als deren Opfer
begreifen. Wenn das nur die einzigen Merkwürdigkeiten wären.
Viele Grüne, viele Fragen
Selbst, wenn man bedenkt, dass das serbische Parteienspektrum überwiegend
aus Spaltprodukten des Ancien Regimes besteht, das seit dem Zerfall
Jugoslawiens den Ton in Serbien angibt, und daher Verwirrung der
Ausgangszustand jeglicher Analyse ist - grüne Bewegungen und Parteien in
Serbien sind noch eine Spur verwirrender. Und genau hier könnte es politisch
fragwürdig werden. So gab es etwa die "Zelenka Stranka", die Grüne Partei.
Die ging im Juni im angeblichen Bündnis von Ðura Vlaskalic auf.
Dann gibt es - oder gab es - die "Zelena Stranka Srbije", die Grüne Partei
Serbiens. Die existiert seit 2008 und präsentiert sich als grüne Partei wie
als Partei der Angehörigen der slowakischen Minderheit. Zumindest einige der
offiziellen Vertreter sind tatsächlich ethnische Slowaken. Seit 2018 findet
sich keine Information über irgendwelche Tätigkeiten. In der Zelena Stranka
scheint die Zelena Stranke Srbije nicht aufgegangen zu sein.
Zwei weitere Raubkopien
Dann gibt es die "Evropska Zelena Partija" (EZP), übersetzt: Europäische
Grüne Partei. Sie hat nichts mit der European Green Party zu tun und ist in
Sabac in Nordwestserbien registriert. Bei Gemeinderatswahlen trat die Partei
bisher als Partei der russischen Minderheit an. Denn anders als im Westen
angenommen, haben nationale Minderheiten in Serbien weitreichende kulturelle
und politische Rechte. Parteien nationaler Minderheiten haben deutlich
niedrigere Hürden bei der Registrierung. Für sie gelten auch die
Mindeststimmklauseln für den Einzug in kommunale oder andere Parlamente
nicht. Das erlaubte es der Evropska Zelena Partija, in den Sabacer
Gemeinderat einzuziehen. Ohne einen einzigen ethnischen Russen auf ihrer
Wahlliste, wie das kritische linke Portal Masina schreibt. Heute scheint ein
einziger ethnischer Russe Teil des Parteivorstands zu sein, Ivan Artukov aus
Kraljevo.
Dann gibt es noch die "Zeleni Srbije", die Grünen Serbiens. Diese Partei ist
aus dem komplizierten Spaltungsprozess der Demokratischen Partei
hervorgegangen und biedert sich seitdem dem Ancien Regime an. So
unterstützte sie etwa die Kandidatur des damaligen Ministerpräsidenten
Aleksandar Vucic von der nationalkonservativen SNS als Staatspräsident und
war Teil eines Wahlbündnisses der Sozialistischen Partei Serbiens, SPS. Die
SPS hat nach wie vor ein problematisches Verhältnis zu ihrem Parteigründer
Slobodan Milosevic und ist Juniorpartner der SNS in der serbischen
Regierung.
Man kann sie getrost als neuen Teil des Ancien Regime beschreiben. Die
Zeleni Srbije sind auch Teil der "Ujedinji zeleni front", der Vereinten
Grünen Front. Der gehört auch die "Zelena ekoloska partija-Zeleni" (ZEP) an,
die Grüne ökologische Partei - die Grünen.
Eine gewisse Regimenähe kann hier nicht ausgeschlossen werden, auch wenn die
ZEP zeitweise der Partei der Freiheit und Gerechtigkeit des Beograder
Ex-Bürgermeisters Dragan Ðilas nahestand, die wiederum ihrerseits ein, wenn
auch spätes, Spaltprodukt der Demokratischen Partei ist.
Gründet das Regime eine Fünfte Kolonne?
Daneben wurden vor Kurzem mindestens vier weitere offiziell grüne
Bewegungen, Initiativen oder Parteien gegründet - in auffälliger zeitlicher
Nähe zur Gründung von Savez 90/Zelenih Srbije.
Das dokumentiert die Partei "Ne Davimo Beograd" (NDMBG). Sie ist aus der
gleichnamigen Bürgerinitiative gegen die fragwürdigen Vorgänge um das
Milliardenprojekt Belgrade Waterfront hervorgegangen. (Balkan Stories
berichtete mehrfach über das Projekt.)
Die Namen dieser Parteien ähneln in den meisten Fällen sehr stark den Namen
etablierter grüner und linksgrüner Parteien und Bürgerinitiativen. Ganz so
wie Savez 90/Zelenih Srbije an Bündnis 90/Die Grünen erinnert.
Herauszustreichen ist hier vor allem "Pokret zeleno-leva koalicija" - die
Bewegung für eine grün-linke Koalition. Eine Grün-Linke Koalition gibt es
tatsächlich in Serbien. Sie heißt "Moramo", Wir Müssen, und ist ein
Wahlbündnis mehrerer linker und grüner beziehungsweise grünnaher Parteien
für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 3. April. NDMBG ist Teil
von Moramo.
Bei Moramo vermutet man, dass die neuen vorgeblich grünen Bewegungen die
Fünfte Kolonne der Regime-Partei SNS sind. "Hauptaufgabe dieser
Organisationen ist es, Medien, Wähler und die Öffentlichkeit zu verwirren",
sagt etwa Radomir Lazovic von NDMBG. Ähnlich klingende Namen könnten etwa
dazu führen, dass sich Wählerstimmen auf mehrere Listen verteilen - und so
die Oppositionsparteien schwächen.
Diese Strategie ist ein Kernstück vor allem konservativer autoritärer
Politik, um bei nominell demokratischen Wahlen an der Macht zu bleiben. So
zog etwa Savez 90 / Zelenih Srbije Anfang des Jahres in den Gemeinderat von
Negotin ein.
Öffentliche Stellungnahmen der Organisation Pokret zeleno-leva koalicija
könnten auch für Stellungnahmen des grün-linken Wahlbündnisses Moramo
gehalten werden und so die Öffentlichkeit über die Positionen von Moramo
verwirren. Auch diese Strategie kennt man von anderswo.
Öko-Proteste sind echt
Dass das vor allem grüne Parteien trifft, macht es besonders interessant.
Die Proteste gegen eine geplante Lithiummine des Rio Tinto-Konzerns im
Drinatal in den vergangenen Wochen sind aus Sicht des SNS-Regimes die größte
Bedrohung seit Langem. Die SNS wollte dem Projekt mit einem neuen Gesetz den
Weg ebnen, das es ausländischen Konzernen deutlich erleichtert, Grund und
Boden zu enteignen. Dieses neue Gesetz war der Funke, der landesweite
Demonstrationen zündete.
Der Erfolg dieser Proteste - wie auch der Wahlerfolg eines grün-linken
Bündnisses in Zagreb - haben das Wahlbündnis Moramo erst geschaffen. Es ist
keine abwegige These, dass die SNS versucht, die ökologische und soziale
Protestwelle zumindest auf dem Stimmzettel zu brechen - und sei es mit
halbseidenen Tricks.
Ausdrücklich sieht Moramo auch Savez 90/Zelenih Srbije als Teil dieser
Strategie der SNS. Moramo und das kritische Portal Masina sagen, die neue
Partei habe etliche Büros in zentralen Lagen in mehreren serbischen Städten
gemietet und fragen sich, woher das Geld wohl kommen möge. Für eine
funktionierende Homepage haben die Mittel bisher nicht gereicht. Die Partei
tritt vorwiegend auf Facebook auf.
Der Parteichef schweigt
Die vielen Fragen könnte vielleicht Parteigründer Ðura Vlaskalic
beantworten. Er hat auf eine Anfrage von Balkan Stories bislang nicht
reagiert. Gegenüber serbischen Medien hat er bislang eine politische Nähe
zur SNS in Abrede gestellt. Bei den beiden Gemeinderatswahlen, in denen
Savez 90 / Zelenih Srbije bisher angetreten sei, hätten die Behörden der
Partei das Leben schwer gemacht, sagt er etwa in einem Interview mit Danas.
So bleibt es rätselhaft, warum eine von ihm gegründete Partei als Raubkopie
von Bündnis 90 / Die Grünen auftritt.
(bearb.)
***
Originaltext mit vielen Quellen-Links und Faksimiles:
https://balkanstories.net/2022/02/11/das-ratsel-um-eine-raubkopie/
Anm.: akin hat die Berechtigung von Balkan Stories, deren Inhalte zu
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