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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 17. Februar 2022; 05:26
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Coronositäten/Debatte:
> Kommunikationsfallen
Die Sache mit der Quantität und der Qualität in der Corona-Berichterstattung
Wie wir vom ORF neulich erfahren durften, gibt es da den Leiter einer
Covid-Station in Israel, der zitiert wurde, daß die meisten Patienten in
seiner intensivmedizinischen Abteilung Geimpfte wären. Die zitierende
Homepage schloß daraus, die Impfung würden nichts nützen oder sogar schaden.
Im ORF-Interview macht der Mediziner klar, daß seine Äußerung zwar richtig
gewesen wäre, aber die meisten Intensivpatienten nicht wegen Covid ins
Spital gekommen wären, sondern wegen anderer schwerer Erkrankungen, sich
aber eben auch mit besagtem Virus angesteckt hätten -- und nur deswegen auf
der Covid-Station landen. Und natürlich wären die meisten wirklichen
Covid-Intensivpatienten Ungeimpfte. Er wäre als Arzt jetzt ziemlich
erschüttert, daß man seine Aussagen derart benutzt.
Gedacht war der Bericht offensichtlich als Aufklärung, daß man
Fake-News-Sites nicht alles glauben darf und diese oft richtige Aussagen aus
dem Zusammenhang rissen und in einen neuen falschen Kontext stellten.
Aber herausgekommen ist dabei etwas ganz anderes: Daß die Kritik, die von
Anfang an geäußert worden ist, daß man genau zwischen Patienten resp.
Verstorbenen MIT dieser Virus-Infektion und wirklichen Corona-Opfern
unterscheiden müsse, berechtigt war. Eine solche Unterscheidung ist
natürlich nur teilweise möglich, da bei vielen Corona eine bisweilen
tödliche Komplikation dargestellt hat. Das war aber viel zu kompliziert und
auch kaum im Detail zu erheben, weswegen man damit auch keine statistischen
Kurven zeichnen konnte. Also wurden uns in den ZiBs wie beim Wetterbericht
täglich eindeutige Zahlen präsentiert, wo bisweilen noch die Formulierung
bei der Sterbestatistik war, die Opfer seien "an oder mit" dem Virus
verstorben. So korrekt war man mitunter, aber das änderte nichts an der
Dezitiertheit und damit Eindringlichkeit der Zahlen. Wundert man sich
wirklich, wenn diese Dogmatik Widerspruch hervorruft?
Das ist das Problem mit Statistiken: Man braucht exakte Zahlen auch dort, wo
diese nicht zu erheben sind. Und diese nicht ganz sauberen Zahlen verwenden
Politiker und deren Experten dann als Argumentations- und
Entscheidungsgrundlage, was aber nur solange gut geht, solange man die von
diesen Entscheidungen betroffene Bevölkerung sowie andere Politiker und
Experten von der Authentizität dieser Zahlen überzeugen kann. Folglich
funktioniert das nur so recht und schlecht.
Die Maßnahmen der letzten zwei Jahre wurden immer mit der jeweiligen
Auslastung der Covid-Intensivbetten begründet. Die diesbezügliche Statistik
wird seit 1.April 2020 geführt. Wir können uns auf dem AGES-Dashboard
tagesaktuell ansehen, wie die Auslastung in Prozent der belegten Betten und
die absoluten Zahlen an Patienten aussieht -- und zwar mit oder ohne Covid.
Die Kurve über die ganze Zeit wird aber nur für die Covid-Patienten
dargestellt. Will man aber wissen, wieviele Patienten insgesamt entlang der
Zeitleiste auf Intensivstationen lagen, findet man keine Kurve.
Das hat wohl zwei Gründe: Der eine ist, daß die diesbezüglichen Zahlen aus
Wien nur statistische Ableitungen sind, denn die Krankenhäuser der
Bundeshauptstadt liefern keine Daten über Nicht-Covid-Intensivpatienten,
daher kann es auch keine belastbaren Daten über ganz Österreich geben.
Der andere ist aber anscheinend, daß die Aussagekraft dieser Kurven eher
kontraproduktiv für die Regierungsargumentation wäre. Man sehe sich in
Ermangelung einer gesamtösterreichischen Statistik beispielsweise die Zahlen
nur aus Niederösterreich an. Diese sind nur schwer zu finden in der
Open-Data-Initiative des Bundes, aber sie sind vorhanden. Es ist
erstaunlich, was sich da ergibt: Die Belegung der Intensivstation der
NÖ-Spitäler hatten über das ganze Jahr 2021 nur sehr geringfügige
Schwankungen, lediglich der Anteil an Patienten mit Covid-Infektionen ging
rauf und runter. Mit anderen Worten: Rein quantitativ gab es zumindest 2021
nie Probleme mit den ICUs und die meisten Patienten waren entweder gar nicht
oder nur auch wegen Corona auf der Intensivstation.
Qualitativ ist der Unterschied aber sehr wohl vorhanden. Denn es ist
natürlich sinnvoll, alle Patienten mit einer Corona-Infektion zu
isolieren -- egal, weswegen sie im Krankenhaus sind. Deswegen landen die
auch unabhängig vom Grund ihrer Hospitalisierung in der Covid-Statistik, was
innerhalb der medizinischen Verwaltung auch sinnvoll ist. Die enorme
qualitative Mehrbelastung bei den jeweiligen Corona-Wellen liegt in der
Notwendigkeit des größeren Aufwands bei Isolierstationen und
Infektionsschutzmaßnahmen sowie in häufigeren Ausfällen der Personals, das
immer wieder in Quarantäne muß. Aber eben nicht in der schieren Anzahl der
belegten Betten.
Leider aber verwendet nicht nur die österreichische Regierung diese Zahlen
als Argumentation für die Gefährlichkeit einer Covid-Infektion und die
Notwendigkeit der Impfung -- und erzeugt dadurch ein komplett falsches Bild,
das natürlich geradezu dazu auffordert, in Frage gestellt zu werden. Dieses
Bild bricht aber jetzt eben nicht nur wegen der milderen Omikronwelle gerade
zusammen.
Wenn man dann eben auch noch in der Absicht, Fake News zu entlarven,
berichtet, daß die meisten Patienten auf einer Covid-Intensivstation nur
mit, aber nicht wegen Corona dort sind, ist der Schaden in der Kommunikation
total und die Glaubwürdigkeit dahin -- denn warum sollte das in Österreich
anders sein als in Israel, das ja immer das große Vorbild war? Daß dann
Landeshauptleute von der gemeinsamen Corona-Linie abspringen, ist weniger in
deren ökonomischen Interessen begründet, sondern eher darin, daß sie nicht
mehr mit dieser Kommunikationspolitik der Bundesregierung und deren
Justamentstandpunkt der Impfpflicht in Verbindung gebracht werden möchten.
Ähnlich verhält es sich mit den jetzt hauptsächlich in Deutschland geführten
Debatten, ob denn die Labortheorie, also die Behauptung, das Virus wäre
künstlich in Wuhan erschaffen worden, nicht vielleicht doch in Betracht
gezogen werden sollte. Es wurde klar, daß die Ablehnung dieser Theorie eher
politische Gründe hatte denn sachliche. Damit ist zwar nichts bewiesen und
schon gar nichts über die Gefährlichkeit der Krankheit ausgesagt, aber auch
hier ist die Glaubwürdigkeit der vielzitierten und in Fernsehshows
herumgereichten Experten schwer geschädigt -- und natürlich auch die
Virologie als solche in ein schiefes Licht geraten.
Wer sich dann noch wundert, daß wirkliche Fake News eine größere
Anziehungskraft haben als die Statements der Regierungen, dem ist da nicht
mehr zu helfen.
*Bernhard Redl*
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