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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Februar 2022; 23:58
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Ukraine/BRD/NATO:
> "Wie der französische Pazifismus von 1939"
Mehr NATO-Truppen für Osteuropa! Wenn es nach einem nicht einflußlosen
deutschen Thinktank geht, ist jetzt bei unseren Nachbarn die totale
Mobilmachung angesagt.
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Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP),
Thomas Enders, fordert eine drastische Verschärfung der deutschen
Russlandpolitik und dramatische Schritte zur Aufrüstung der Bundeswehr. Wie
Enders in einem aktuellen Beitrag schreibt, sei das derzeitige Vorgehen der
Bundesregierung in der Krise um die Ukraine "verantwortungslos"; Berlin
müsse umgehend "auf eine robuste Außen- und Verteidigungspolitik
umschalten".[1] Zur Begründung spricht Enders von "unverhohlener russischer
Aggression" und nennt Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen "russischen
Diktator". Implizit parallelisiert er zudem Moskaus Politik mit derjenigen
des NS-Reichs: Laut Umfragen wolle eine "Mehrheit der Deutschen nicht einmal
für Nato-Partner wie die baltischen Staaten in den Krieg ziehen"; das
erinnere "an den französischen 'Mourir pour Danzig?'-Pazifismus von 1939".
In der vergangenen Woche hatten schon die Europaabgeordneten Michael Gahler
(CDU) und Viola von Cramon-Taubadel (Bündnis 90/Die Grünen) eine Parallele
zwischen Russland und dem NS-Reich gezogen.[2]
Waffen für die Ukraine
Enders, der einst im Planungsstab des Bundesverteidigungsministeriums tätig
war, bevor er 1991 in die Luft- und Raumfahrtindustrie wechselte und von
2012 bis 2019 als Vorsitzender im Vorstand von Airbus wirkte, fordert zum
einen "sofortige militärische Unterstützung ... für die Ukraine". Die
Lieferung von 5.000 Militärhelmen und die Instandsetzung von Bunkeranlagen
bei Odessa, die die Bundesregierung bereits zugesagt hat, genügen demnach
nicht: Die Bundesrepublik soll laut Enders "Ausrüstung, Waffen und Munition"
liefern, und zwar "in Abstimmung mit den Nato-Partnern". Darüber hinaus
müsse man "zusätzliche Truppenstationierungen in den baltischen und
osteuropäischen Nato-Staaten" in Erwägung ziehen, "sofern dies dort
gewünscht wird". Ergänzend schlägt Enders Maßnahmen vor, die als
Voraussetzung für eine beliebige Konflikteskalation gelten können: Es
sollten "sofort erste Schritte eines Umbaus der deutschen Energiepolitik"
gestartet werden - dies "mit dem Ziel", die "Abhängigkeit von russischen Öl-
und Gaslieferungen so bald [!] wie möglich und so weit [!] wie möglich zu
reduzieren".
Zum anderen spricht sich Enders für eine Erhöhung des deutschen Wehretats
"auf 2 bis 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den nächsten fünf Jahren"
aus. Das wäre eine Steigerung des Militärhaushalts von 50,3 Milliarden Euro
im Jahr 2022 auf einen Betrag, der - je nach Wirtschaftsentwicklung - 2027
erheblich über 100 Milliarden Euro liegen könnte. Damit will Enders unter
anderem "eine Aufstockung der drei Teilstreitkräfte auf 200.000 bis 250.000
aktive Soldaten" finanzieren, "Schwerpunkt Kampftruppen"; Ende 2021 lag die
Personalstärke der Bundeswehr bei rund 184.000.[5] Enders äußert zudem, "die
Einführung einer allgemeinen Dienst- oder Wehrpflicht für Männer und Frauen"
müsse schnell "auf die Tagesordnung kommen" - dies unter anderem, "um eine
rasch mobilisierbare Reserve zur Landesverteidigung aufzubauen". Nicht
zuletzt sollten "unverzüglich Gespräche mit Frankreich über eine Europäische
Verteidigungsunion" geführt werden, wobei "auch der Aufbau einer
europäischen nuklearen Abschreckung auf der Basis der französischen Force de
Frappe" zu vereinbaren sei, fordert der Präsident der DGAP.[6] Die DGAP ist
neben der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) einer der zwei
einflussreichsten deutschen Think-Tanks auf dem Gebiet der Außenpolitik.
Offen für NATO-Truppen
Während vor allem transatlantische Kreise - wie Enders - eine weitere
Aufstockung der NATO-Truppen in Ost- und Südosteuropa fordern, führt dies
dort zu Widerständen sowie zu Anzeichen einer neuen Spaltung in der Region.
Prinzipiell befürwortet wird die Entsendung zusätzlicher Soldaten von Polen
und den baltischen Staaten. Großbritannien hat am Wochenende in Aussicht
gestellt, seine Truppen in Estland zu verdoppeln; dort sind zur Zeit, im
Rahmen der enhanced Forward Presence (eFP) der NATO, gut 900 britische
Militärs stationiert. Die NATO plant, eFP-Truppen, wie sie bisher nur in
Polen und den baltischen Staaten installiert wurden, auch in Rumänien und
Bulgarien zu etablieren; zuweilen sind Ungarn und die Slowakei als weitere
Standorte im Gespräch. Rumänien hat erklärt, für eine eFP völlig offen zu
sein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Stationierung
französischer Soldaten in Rumänien in Aussicht gestellt - offenbar als
Führungsnation beim Aufbau einer rumänischen eFP. Experten spekulieren, um
die notwendige Truppenstärke - mindestens 600 bis 800 Soldaten - zu
erreichen, könnten die zur Zeit 300 französischen Soldaten aus der eFP in
Estland abgezogen werden.[7] Die von London in Aussicht gestellte
Verdopplung der britischen Einheit gliche das mehr als aus.
Russland: "Strategischer Partner"
Aus anderen Staaten Ost- und Südosteuropas wird hingegen Unmut über die
NATO-Pläne gemeldet. Bulgariens Verteidigungsminister Stefan Janew hat dem
Vorhaben, in seinem Land eine eFP-Einheit zu stationieren, bereits im
Dezember eine Absage erteilt und vergangene Woche seine Haltung vor dem
bulgarischen Parlament bekräftigt.[8] Bulgarien verfügt über gute
Beziehungen nach Russland. Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde
berichtet, die Regierung der Slowakei sei einer eFP-Stationierung ebenfalls
abgeneigt; zwar zeige Außenminister Ivan Korcok für die Pläne Sympathien,
doch spreche sich eine Mehrheit in der Regierung dagegen aus, auch, weil
Unruhen befürchtet würden: Mehr als 60 Prozent aller Slowaken sehen Russland
nicht als Bedrohung an, mehr als 50 Prozent betrachten das Land als einen
strategischen Partner.[9] Ungarns Außenminister Péter Szijjártó nannte
Berichte, denen zufolge eine Stationierung von rund 1.000 NATO-Soldaten im
Gespräch sei - das ist die übliche Größe einer eFP-Einheit -, "fake
news".[10] Bereits kürzlich hatte der kroatische Präsident Zoran Milanovic
mit der Äußerung für Aufsehen gesorgt, bei einer militärischen Eskalation
des Ukraine-Konflikts würden alle kroatischen Soldaten aus Bündnistruppen
abgezogen. Zwar hat in Kroatien der Präsident nicht die Kompetenz, darüber
zu entscheiden, und die Regierung ist strikt NATO-loyal. Allerdings gilt
dies nicht für die Bevölkerung: Aktuelle Umfragen ergeben, dass lediglich 44
Prozent "Vertrauen" gegenüber dem Bündnis haben; 47 Prozent hingegen
misstrauen ihm.[11]
(german-foreign-policy/gek.)
Volltext: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8826/
[1] Thomas Enders: Für eine realistische deutsche Russlandpolitik. dgap.org
25.01.2022. (Anm. akin: Die "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik"
(DGAP) ist ein Thinktank, 1955 gegründet von führenden CDU-Politikern sowie
deutschen Konzernherren)
[2] S. dazu Die Erwartungen der Ukraine.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8822/ (Anm. akin: siehe
auch
https://www.tagesspiegel.de/politik/kritik-aus-dem-europaparlament-an-deutscher-ukraine-politik-die-geschichte-gebietet-solidaritaet-mit-den-opfern/28008594.html
[5] Thomas Wiegold: Personalstärke Dezember 2021: Zum Jahresabschluss fast
unverändert. augengeradeaus.net 18.01.2022.
[6] S. dazu Griff nach der Bombe (III)
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8178/ und Ein
Nuklearschild für die EU.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8182/
[7] Philippe Chapleau: Des "centaines" de soldats français bientôt en
Roumanie. lignesdedefense.blogs.ouest-france.fr 30.01.2022.
[8] Krassen Nikolov: Defence minister says no decision to deploy NATO troops
in Bulgaria. euractiv.com 26.01.2022.
[9] Michal Hudec: NATO mulls sending troops to Slovakia, government
reluctant. euractiv.com 28.01.2022.
[10] Szijjártó: Report of 1,000 NATO Troops Deploying to Hungary "Fake
News". hungarytoday.hu 29.01.2022.
[11] Michael Martens: Zagreb und der Westen. Frankfurter Allgemeine Zeitung
28.01.2022.
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