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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 2. Februar 2022; 23:06
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Update: Nachfolgender Kommentar ist teilweise schon wieder obsolet, nachdem
Vizekanzler Kogler doch tatsächlich eingesehen hat, daß diese
Nebenabsprachen ein Fehler waren, und dafür um Entschuldigung gebeten hat.
Respekt, Herr Kogler, hätte der Kolumnist nicht erwartet!

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Glosse:

> Die Sache mit der Transparenz

"Wir waren zwar neu in der Regierung, aber nicht naiv!" Sagt der Kogler.
Deswegen hats diese Sideletter gegeben. Aber das mit dem Kopftuchverbot wäre
ja gar nie beschlossen worden. Und man habe das halt dann für "die
Psychologie der ÖVP" drinnenbehalten.

Hm, jetzt beschwert sich die grüne Spitze darüber, daß die ÖVP diese Papiere
lanciert habe. Sorry, aber mehr Naivität gibts wirklich nicht! "Jedes
Schriftl is a Giftl" -- das sollte Herr Kogler eigentlich wissen. Diese
Papiere waren ja wohl von Anfang an ein Faustpfand der ÖVP. Mit dieser
Veröffentlichung mußten Kogler und Maurer immer rechnen. Und möglicherweise
gibts da auch noch mehr, weil die Schwürkisen ja wohl wegen des
U-Ausschusses nicht ihr ganzes Pulver verschiessen wollten.

Aber es geht ja gar nicht um diese Kopftuch-Geschichte! Wäre das ein Papier,
das jetzt beispielsweise einem sozialdemokratischen Koalitionspartner auf
den Kopf gefallen wäre, wäre die Sache mit dem nicht ganz sauberen
inhaltlichen Zugeständnis schnell wieder erledigt. Weil man ja weiß, das
sowas üblich ist bei diesen Parteien.

Doch bei den so auf innerparteiliche Demokratie und Sauberkeit bedachten
Grünen geht es darum, daß Kogler und Maurer den Inhalt des ersten der beiden
Papiere sogar dem übrigen Verhandlungsteam verheimlicht, dem Klub und dem
Bundeskongreß aber sogar die schiere Existenz von Nebenabsprachen
verschwiegen haben.

Ja, am Buko hätte jemand fragen können, ob es solche Nebenpapiere gibt, aber
das hat niemand getan, weil man der Meinung war, daß die Grünen sowas doch
nie machen würden -- oder weil man ahnte, daß sowas doch stattgefunden hat,
und eine dann notwendige eindeutige Lüge Koglers darüber später zu einer
massiven Selbstbeschädigung der Partei führen könnte. Schließlich war ja
immer und gerade in diesem Wahlkampf 2019 Transparenz ein zentrales Thema
der Partei.

Doch genau diese Selbstbeschädigung ist jetzt passiert. Kogler könnte das
jetzt vielleicht noch teilweise retten, wenn er sagt, er sehe ein, daß das
ein schwerer Fehler gewesen wäre. Aber wie alle Regierungspolitiker fährt
auch er weiter diese Schiene: 'Mauern! Nur keine Fehler zugestehen, weil das
wäre ja Schwäche -- und gefährdet den eigenen Job.'

Mit dem Versagen in der Flüchtlingspolitik (Moria, Georgien-Abschiebung) und
dem Abschmettern von Mißtrauensanträgen gegen Innen- und Finanzminister hat
die Partei sich schon schwer geschadet und viele der gerade erst gewonnenen
Wähler von 2019 wieder vergrätzt. Jetzt bleibt ihnen wirklich nur mehr der
Klimawandel.

Aber auch das Thema Transparenz ist schwer beschädigt -- da paßt es ja
wunderbar, daß die Abschaffung des Amtsgeheimnisses zwar seit fast einem
Jahr fix-fertig ausverhandelt ist, aber eben nicht und nicht beschlossen
wird. Die Sideletter wären da wohl nicht betroffen, da keine amtlichen
Papiere, aber das Thema ist das gleiche: Geheimdiplomatie als
Herrschaftsnotwendigkeit. Und man wird einfach nicht davon ausgehen können,
daß die Grünen bei der praktischen Umsetzung des
Informationsfreiheitsgesetzes in den Amtsstuben Druck machen würden, sollte
dieses Gesetz vielleicht doch einmal verabschiedet werden. Die Hoffnung, daß
sich an diesem k.u.k.-System irgendwas ändern könnte, werden viele wohl
jetzt begraben.

Qualtingers Travnicek sagt auf den Vorhalt, er könne doch nicht, wenn er
Politiker wäre, seine Wähler enttäuschen: "Gehns, die wählen ja nicht zum
ersten Mal!" Daß das auch ein Argument von grünen Politikern sein könnte,
haben jetzt wohl viele ihrer Wähler auf die harte Tour lernen müssen.

*Bernhard Redl*



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