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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 20. Januar 2022; 04:37
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Zum Geleit:

> Corona Cancel Culture

Warum den Redakteur ein Abo-Storno dermassen aufregt, daß er einen
Leitartikel dazu verfassen muß. Und eine dringende Bitte um langatmige
Diskussionsbeiträge!
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Seit zwei Jahren ist die Welt im Panikmodus. Österreich ist da keine
Ausnahme. Da es aber natürlich vor allem ein Problem ist, wo von der Politik
Antworten gefordert werden, ist es auch in den jeweiligen Ländern vor allem
eine nationale Angelegenheit. Die Auseinandersetzung findet zwar global
statt, aber in den einzelnen Staaten sind die Akteure dieselben, die schon
vorher da waren. In den sich als Demokratien verstehenden Staaten sind
das -- mit lokalen unterschiedlichen Ausprägungen, wo man oft genug nicht
weiß, wer wer ist -- die konservativen, sozialdemokratischen, liberalen und
nationalistischen Parteien sowie die diversen Ökoversionen davon, die
Religionsvertreter, die Beamten, die NGOs, die Wissenschafter aller
Disziplinen, die Konzerne, die parteilosen Oppositionellen und Wutbürger und
Verschwörungsphantasten und die Massenmedien. Und alle beschäftigen sich
seit zwei Jahren hauptsächlich mit Corona-Fragen, jeweils mit ihren
gewohnten Herangehensweisen und Welterklärungsmodellen, und viele
mißbrauchen diese Debatten auch. Die Süppchen, die da auf der lodernden
Flamme der Pandemie gekocht werden, sind aber so ziemlich alle grauslich.


Unmutsverschuldung

Daher ist es auch kein Wunder, daß hinter jedem Statement nicht der Inhalt
dessen sondern etwas Anderes als Beweggrund vermutet wird -- oft sogar zu
Recht. Für jedes Argument gilt die Schuldvermutung. Auch das ist zwar nichts
Neues in der öffentlichen Auseinandersetzung, mit Corona aber wurde das auf
die Spitze getrieben. Dazu kommt, daß man vielleicht als Einzelner noch die
Seuche an sich ignorieren konnte, die Maßnahmen dagegen aber jeden
betreffen, was die Debatte weiter anheizt, weil sich jeder damit
auseinandersetzen und letztlich auch positionieren muß. Damit ist aber ein
seriöser öffentlicher und auch privater Diskurs so gut wie unmöglich
geworden.

Das hat aber auch damit zu tun, daß hier sehr viele Ebenen gleichzeitig
behandelt werden, die wohl getrennt werden müßten. Man kann prinzipiell für
Impfungen sein, aber diesen konkreten Impfstoffen mißtrauen. Man kann ihnen
auch mißtrauen, wenn man nicht glaubt, daß man dadurch genverändert, gechipt
oder magnetisiert wird. Man kann generell Wissenschaftern vertrauen, aber
schon auch fragen, welche Wissenschafter für wen arbeiten. Man kann
prinzipiell der Medizin vertrauen, aber man kann schon noch nachfragen, ob
die Mediziner das Recht haben, ihre Wissenschaft als für die Gesellschaft
einzig relevante anzusehen. Und man kann ihr mechanistisches Menschenbild
kritisieren, ohne irgendwelche homöopathischen Strahlungsausleiter oder das
Wurmmittel des Gaulreiters für Alternativen zu halten. Es kann einem bei den
Nazis auf den Demos das Kotzen kommen, man kann diese Demos aber trotzdem
für notwendig halten. Man kann auch die Maßnahmen prinzipiell für richtig
halten, aber skeptisch sein, ob sie nicht gerade jenen gesellschaftlichen
Zusammenhalt ruinieren, der da von Regierungsseite beschworen wird --
nationale Schulterschlüsse brauchen bekanntermassen immer unsolidarische
Volksverräter. Da kann man sich auch Sorgen darüber machen, welche
psychischen und kulturellen Folgen das alles zeitigt. Man kann sogar für
eine Impfpflicht sein und Faschismus-Vergleiche für daneben halten, trotzdem
aber vor der Gewöhnung an autoritäre Tendenzen warnen.


Nein, Faschismus ist das noch lange nicht, aber...

Und so weiter und so fort. Gerade was Letzteres angeht, sind in Österreich
besonders in diesen Tagen Tendenzen zu beobachten, die diskutiert werden
müssen. Da gibt es eine Regierungsumbildung, wo ein ehemaliger
Berufsoffizier Bundeskanzler wird und man dessen Nachfolger im
Innenministerium als Austrofaschismusleugner titulieren muß. Es wird eine
Kommission namens GECKO ins Leben gerufen, die eine Art Nebenregierung
bildet, und explizit dazu aufgerufen ist, als "Hilfestellung" für die
Polizei "Richtlinien" zu erarbeiten, welche Demonstrationen zu untersagen
seien. In dieser GECKO bestimmt ein aktiver Generalmajor aus dem Abwehramt,
der im Flecktarn auftritt und, seinem Vokabular nach zu urteilen, eine
Impfspritze nicht von einem StG77 unterscheiden kann. Da tritt eine grüne
Klubchefin auf, die verkündet, daß man bei einem unbotmäßigen Mandatar
bereits "die Konsequenzen gezogen", sprich: diesen aus dem Amt entfernt
habe. Ebenjene Klubchefin erklärt auch, daß bei der Abstimmung über die
Impfpflicht es in der Nationalratsfraktion keinen Klubzwang gäbe, aber eh
alle einer Meinung seien -- da fragt man sich schon, ob das was mit so
problemlos ziehbaren "Konsequenzen" zu tun haben könnte. Da brechen
demokratische Dämme, die nach Corona nur sehr schwer wieder zu errichten
sein werden, wenn überhaupt daran das Interesse noch vorhanden sein sollte.
Und eben genau das: Gewöhnen dürfen wir uns an derlei wirklich nicht!


Kein Leserbrief

Ja, der Verfasser dieser Zeilen und Redakteur dieses Blattes hat in eben
diesem sehr viel Kritik an der Regierungspolitik und der offiziellen
Erzählung geübt und zugelassen. Vielleicht war diese Kritik bisweilen
überzogen -- in diesen hysterischen Zeiten, wo die vielbemühten Evidenzen
unsicher sowie die Interessenslagen vielfältig sind, ist das auch kein
Wunder. Und ich hätte diese Dinge auch gerne in diesem Blatt diskutiert --
aber offensichtlich ist die Linke in diesem Land genauso diskussionsunfähig
geworden wie der Rest der Bevölkerung.

Was die akin hingegen jetzt bekommen hat, ist ein Abo-Storno, begründet mit
der Corona-Berichterstattung und -Kommentierung. Ein Storno kommt schon mal
vor, in diesem Fall aber bat ich den Stornierer darum, seine Begründung als
Leserbrief abdrucken zu dürfen. Das allerdings möchte der Briefschreiber
nicht, weil er nicht als "Feigenblatt" fungieren möchte. Das heißt für die
akin und für mich: 'Wir wollen solche Sachen nicht lesen und auch nicht
darüber diskutieren. Haltet einfach euer Maul!' Vor allem, wenn ich dann
über Umwege erfahre, daß jener Briefschreiber dieses sein Abo-Storno sehr
wohl verbreitet wissen wollte -- über einen eigenen Verteiler, was ich nur
als Werbung dafür verstehen kann, es ihm gleich zu tun. Sorry, das ist
Cancel Culture at his worst!

Die akin versteht sich immer noch als Diskussionsorgan und so etwas ist
gerade heute, wo nur mehr schnell herausgeschossene Debattenbeiträge mittels
schimpfwortgeschwängerten Einzeilern in Facebook passieren, einfach
notwendig. Derlei Plattformen tun aber auch deswegen Not, weil nicht nur
wegen Corona Diskussionen von Angesicht zu Angesicht kaum mehr passieren --
sowas findet nur mehr im Fernsehen statt, aber eben nach den Regeln dieses
Mediums und nur unter den als vom jeweiligen Sender als relevant angesehenen
Promis und Experten. Und das kann man halt nur konsumieren und nicht
mitreden.

Ja, vielleicht ist das akin-Konzept aus der Zeit gefallen und der Redakteur
ein Kommunikations-Dinosaurier, der langatmige textbasierte Analysen und
Debattenbeiträge für notwendig hält und lustige Youtube-Videos nicht. Aber
ich bitte die geneigte Leserschaft darum, sollte ihr das so sehen wie ich,
dann antwortet doch mit abdruckbaren Texten auf Dinge, die ihr in der akin
lest und für falsch haltet. Bitte und Danke!
*Bernhard Redl*


PS: Andere Medien, andere Umgangsformen: Im Radio muß es halt deftiger sein.
Wer den Redakteur einmal so richtig grantig hören möchte, dem sei der
Podcast "Schallmooser Gespräche #209: Lauter (,) Trotteln!" ans Herz gelegt.
Da ist auch viel Wut-, Grant- und Spottmusik zu hören, über die man sich
noch mehr ärgern kann, wenn man möchte: https://cba.fro.at/537236

Nebenbei sei hier auch noch jene grüne Plattform erwähnt, die Alternativen
zur herrschenden Coronapolitik fordert. Auch die könnte in der akin gerne
jemand kritisieren:
https://www.corona-strategie.at



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