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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 16. Dezember 2021; 05:06
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Krieg und Frieden:
> Waffen für die Ukraine
Die Kriegstrommeln werden wieder gerührt.
Die internationalen Schlagzeilen haben außer Corona derzeit als wichtigstes
Thema eine vermeintliche Kriegsdrohung Rußlands gegen die Ukraine und die
mögliche Reaktion von NATO und EU darauf. Litauens Außenminister Gabrielius
Landsbergis wird mit den Worten zitiert: "Wir sind davon überzeugt, dass
Russland sich tatsächlich auf einen totalen Krieg gegen die Ukraine
vorbereitet. Und das ist ein beispielloses Ereignis -- wahrscheinlich seit
dem Zweiten Weltkrieg." Dies bedeute, das die Antwort der westlichen Staaten
ebenfalls beispiellos sein müsse, so Landsbergis. Und dieser weiß ganz
genau, was er mit den Schlagworten "totaler Krieg" und "Zweiter Weltkrieg"
andeutet -- damit ist jede deeskalierende Stimme gleich als verwerfliche
Appeasementpolitik gebrandmarkt und Putin ein Hitlerbärtchen aufgemalt.
Die neue deutsche Regierung spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale
Rolle. Denn gerade die neue Koalition erinnert sehr an die
Schröder-Fischer-Regierung, die im Kosovokrieg erstmals die Bundeswehr in
einen Kampfeinsatz führte. Die deutschen Grünen sind auch schon seit dieser
Zeit für eine dezitierte Anti-Rußland-Politik speziell im Zusammenhang mit
der Ukraine bekannt. Robert Habeck, frischgebackener Minister, ließ sich
erst im Mai dieses Jahres mit Stahlhelm in der Ukraine ablichten, mit der
Forderung verbunden, Deutschland müsse Waffen an die Ukraine liefern -- was
ihm sogar von Union und SPD heftige Schelte einbrachte. Interessanterweise
kommt jetzt ausgerechnet Kritik an der neuen Regierung und speziell an den
Grünen, daß sie die Aufrüstung der Ukraine zu sehr einbremsen würden.
Tatsächlich hatte die bisherige deutsche Regierung eher kalmiert und die
neue will nicht so gerne in das Fahrwasser der letzten sozialdemokratisch
geführten Regierung kommen. Die anderen NATO-Staaten allerdings haben da
weniger Bedenken, wie nachfolgender Bericht von "German Foreign Policy"
zeigt.
(akin)
***
Die Ukraine erhält, seit sie sich nach dem Umsturz vom Februar 2014 fest an
den Westen gebunden hat, immer wieder Rüstungslieferungen und andere
militärische Unterstützung aus diversen NATO-Staaten. Eine herausragende
Rolle haben dabei bislang die USA gespielt. Washington hat Kiew seit 2014
Militärhilfen im Wert von mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung
gestellt. Zunächst ging es dabei insbesondere um die Lieferung von "nicht
tödlichen" Waffen, laut Auskunft des Congressional Research Service aus
Washington unter anderem Helme, Nachtsichtgeräte, Abwehrradare und
Uniformen.[1] Im Juli 2016 kamen 24 unbemannte Aufklärungsdrohnen vom Typ
AeroVironment RQ-11B Raven hinzu.[2] Ab 2017 lieferten die Vereinigten
Staaten auch Material zu Drohnenabwehr und elektronischer Kampfführung, ab
2018 des Weiteren Javelin-Panzerabwehrraketen - erst 360 Exemplare, im
September 2021 erfolgte eine neue Zusage für Javelin-Raketen und weiteres
Gerät im Wert von 60 Millionen US-Dollar. Seit 2015 bilden US-Militärs
gemeinsam mit Soldaten aus verbündeten Staaten, darunter Großbritannien,
ukrainische Truppen fort. Erst kürzlich hat Washington in sein übliches
Gesetz zum Militärhaushalt zusätzlich 300 Millionen US-Dollar für die
Aufrüstung der Ukraine eingefügt.
Schützenpanzer, Kampfdrohnen
An der Aufrüstung der Ukraine beteiligen sich auch europäische Staaten. Wie
das Bonn International Center for Conversion (bicc) berichtet, lieferte etwa
Tschechien 56 gebrauchte Selbstfahrlafetten und 50 gebrauchte Schützenpanzer
BMP-1; damit war es in den Jahren von 2016 bis 2020 Kiews bedeutendster
Lieferant von Großwaffensystemen.[3] 37 BMP-1-Schützenpanzer bekam die
Ukraine von 2018 bis 2020 aus Polen, das dem Nachbarstaat auch 54 gepanzerte
Mannschaftstransporter MT-LB sowie 100 Lenkwaffen Warmate verschaffte. In
Frankreich hat Kiew unter anderem zwölf gebrauchte Transporthubschrauber vom
Typ EC725 Super Cougar bestellt; mindestens drei davon wurden mittlerweile
ausgeliefert. Hinzu kommen seit einiger Zeit insbesondere türkische Drohnen
vom Typ Bayraktar TB2. Bei diesen handelt es sich um eine Waffe, die zuletzt
unter anderem in den Kriegen in Libyen und in Aserbaidschan eingesetzt wurde
und der dabei kriegsentscheidende Bedeutung zukam. Offiziell hat die Ukraine
seit 2019 zwölf Bayraktar TB2-Drohnen erhalten; allerdings gehen Beobachter
davon aus, dass die tatsächlich gelieferte Zahl ganz erheblich höher
liegt.[4]
Ein Flottenrüstungsprogramm
Um die Aufrüstung der ukrainischen Marine kümmert sich mittlerweile
insbesondere Großbritannien. Gebrauchte Patrouillenboote hat die Ukraine
bereits von den USA erhalten, zwei im Jahr 2018, zwei weitere im November
2021. 20 neue Patrouillenboote hat sie bei der französischen Werft OCEA
bestellt; fünf davon sollen im ukrainischen Mykolajiw montiert werden.
London hat nun im Juni eine umfassendere Vereinbarung mit Kiew geschlossen,
der zufolge nicht nur eine Kooperation bei der Beschaffung neuer
Kriegsschiffe für die ukrainischen Seestreitkräfte vorgesehen ist; das
Vereinigte Königreich will Kiew zudem bei der Ausbildung von Marinesoldaten
sowie beim Bau neuer Marinebasen unterstützen.[5] Konkret ist etwa der Bau
einer neuen Marinebasis in Berdyansk geplant, an dem sich weitere Staaten
Europas und die USA beteiligen sollen; zudem ist die gemeinsame Produktion
von Schnellbooten und einer Fregatte vorgesehen. In einem ersten Schritt
soll die Ukraine zwei Minenjagdboote erhalten, die das Vereinigte Königreich
im August außer Dienst gestellt hat. Hintergrund der Maßnahmen sind Pläne
der ukrainischen Regierung, bis 2035 eine neue Flotte aufzubauen.[6]
NATO-Integration
Hinzu kommt nun auch Aufrüstung durch die NATO bzw. die NATO Support and
Procurement Agency (NSPA), die sich bislang vor allem um die Versorgung
verwundeter ukrainischer Soldaten gekümmert hat sowie Kiew mit der Lieferung
medizinischer Güter zur Seite gesprungen ist. Jetzt wird die NSPA den
ukrainischen Streitkräften ein System zur Abwehr von Drohnen liefern, das in
Litauen produziert wird und die Steuerung von Drohnen mit elektronischen
Signalen stört.[7] Die Lieferzusage erfolgt zu einer Zeit, zu der Kiew immer
enger in die NATO eingebunden wird - das auch ohne formelle Mitgliedschaft.
So hat die NATO ihre Zusammenarbeit mit der Ukraine in der militärischen
Logistik und Kommunikation wie auch in der Cyberkriegsführung intensiviert;
zudem werden ukrainische Minister in NATO-Treffen einbezogen, so etwa beim
jüngsten Außenministertreffen zu Monatsbeginn, bei dem phasenweise der
ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zugegen war. Geplant war außerdem
die Lieferung von Scharfschützengewehren aus US-Produktion über die NSPA.
Diese ist nun allerdings - zumindest vorläufig - gescheitert, laut Berichten
an der Ablehnung Deutschlands sowie mindestens eines zweiten
NATO-Staates.[8]
"Defensivwaffen"
Die Ablehnung hat nun eine massive Kampagne ausgelöst, die von der Kiewer
Regierung und stark transatlantisch orientierten Kräften in Deutschland
vorangetrieben wird; gefordert werden deutsche Waffenlieferungen an die
Ukraine. Bereits Ende Mai hatte der damalige Grünen-Vorsitzende und heutige
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärt, er wünsche die Lieferung
angeblicher "Defensivwaffen" an die ukrainischen Streitkräfte.[9] Jetzt legt
Kiew nach. Am Wochenende hatte Verteidigungsminister Oleksij Resnikow
moniert, Berlin "blockiere ... unsere Defensivwaffen"; das sei "unfair".[10]
Jetzt erklärt der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, Berlin habe
sein Land "daran gehindert", "Lieferungen von Waffensystemen zur
Verteidigung zu erhalten" - das gehe nicht an. Auch der Kiewer Bürgermeister
Vitali Klitschko dringt auf "militärische Hilfe". In Deutschland werfen
transatlantisch orientierte Kommentatoren der Bundesregierung mittlerweile
"unterlassene Hilfeleistung" vor - weil sie "der Ukraine Waffen zu ihrer
Verteidigung ... verweiger[e]".[11] Der Druck, Kiew weiter hochzurüsten,
steigt. ###
Quelle: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8793/
[1] Ukraine: Background, Conflict with Russia, and U.S. Policy.
Congressional Research Service. Washington, 05.10.2021.
[2], [3] bicc Länderinformation: Ukraine. Bonn, Juli 2021.
[4] Tomas Avenarius: Warum die Türkei Waffen an Kiew verkauft.
sueddeutsche.de 07.12.2021.
[5] UK signs agreement to support enhancement of Ukrainian naval
capabilities. gov.uk 23.06.2021.
[6] Ajsa Habibic: UK signs deal to back Ukrainian navy. navaltoday.com
17.11.2021.
[7], [8] NATO genehmigt Drohnenabwehrsystem. Frankfurter Allgemeine Zeitung
14.12.2021.
[9] S. dazu Die Eisbrecher,
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8616/
[10] Selenskyj wirft Deutschland Blockade von Waffenlieferungen vor. faz.net
14.12.2021.
[11] Reinhard Veser: Unterlassene Hilfeleistung. Frankfurter Allgemeine
Zeitung 14.12.2021.
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