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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 16. Dezember 2021; 04:47
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Krieg und Frieden:

> Der Preis der so genannten Welt

Alfred Nobel und Berta von Suttner rotieren immer noch in ihren Gräbern


Zib1, 10.Dezember. Nachdem man die Corona-Berichterstattung überstanden hat,
hört man die internationalen Meldungen. Der Friedensnobelpreis wurde
übergeben an eine Journalistin von den Philippinen und an einen Journalisten
aus Rußland. Über die beiden wird nicht viel gesagt, hingegen so einiges
über den Laureaten von 2019, einem äthiopischen Politiker, der sich in der
europäischen Wahrnehmung gerade als Kriegsverbrecher entpuppt. Danach der
Bericht, daß in London das Auslieferungsverbot im Falle des
Wikileaks-Gründers aufgehoben worden ist.

Der 10.Dezember steht als politischer Lostag für zwei Dinge: Es ist der
Todestag von Alfred Nobel, an dem deswegen immer der von ihm gestiftete
Friedenspreis vergeben wird. Und es ist der Tag der Menschenrechte, da an
diesem Tag im Jahre 1948 die diesbezügliche UN-Deklaration beschlossen
worden ist. Und da kommt dann oft einiges durcheinander in den Symbolik.

Frieden und Menschenrechte passen ja ganz gut zusammen, sollte man meinen.
Schon, aber die Vergabe als Menschrechtspreis war nicht Nobels (und Berta
von Suttners) Intention. Denn so wurde der Friedensnobelpreis immer wieder
recht beliebig und oft genug als eine Art Moralpreis verliehen. Da die
Vergabe durch ein politisches Komitee erfolgt, bestellt vom norwegischen
Parlament, und dominiert von Ex-Politikern, sind die Geehrten oft genug vor
allem dadurch aufgefallen, was die Politik des NATO-Staates Norwegen für
moralisch hochstehend erachtet. Im heurigen Falle wurden mit Maria Ressa und
Dmitri Muratow zwar zwei sehr verdienstvolle Menschen ausgezeichnet, aber
gemeinsam ist ihnen, daß sie sich mit Regimen anlegten, die in der
"internationalen Gemeinschaft" (oder mit Peter Handke: der "sogenannten
Welt") verpönt sind. Da muß man aber auch die Definition von "Frieden" schon
sehr weit dehnen, damit das paßt. Der alte Topos, daß Frieden mehr sein
müsse als "Abwesenheit von Krieg", reicht da nicht mehr aus.

Besonders seltsam wird es aber, wenn nicht echte Friedensstifter und
Oppositionelle geehrt werden, sondern gleich die Herren der Welt. Mit Barack
Obama wurde 2009 ein kriegsführender US-Präsident ausgezeichnet, in der
ausgesprochenen Hoffnung, daß er als Friedensnobelpreisträger vielleicht
eher die Versprechungen aus seinem Wahlkampf einhält. Was sich hinterher
dann als genauso daneben herausstellte wie im Fall von Abiy Ahmed, dem
oberwähnten Laureaten von 2019.

Die Vergabe an die Europäische Union 2012 war auch seltsam -- begründet
wurde sie mit der Befriedung des Kontinents, aber die neokolonialen
militärischen Aktivitäten mußte man da schon sehr lautstark verschweigen. Da
ist der Hintergrund wohl eher, daß die norwegische Politik eine von ihr
präferierte Staatengemeinschaft ehren wollte, damit das eigene Wahlvolk
endlich kapiert, daß Norwegen jetzt nun endlich auch dabei sein müsse. Von
der Ehrung eines nie zur Macht gelangten Feudalherrens wie dem Dalai Lama
brauchen wir da gar nicht mehr reden.

Mit solchen Vergaben quält man aber auch die echte internationale
Friedensbewegung. Von der ist zwar nach dem Ende des Kalten Kriegs und
seiner nuklearen Bedrohung nicht mehr viel übrig, aber es gibt sie doch
noch. Und die braucht Friedensnobelpreisträger, die als moralische Instanzen
auftreten können, wenn auf dieser Welt wieder zum Krieg gerüstet und mit den
Säbeln gerasselt wird.

Julian Assange -- auch stellvertretend für Chelsea Manning und all die
anderen Wikileaks-Aktiven -- wäre sicher ein guter Kandidat. Da bräuchte man
auch gar nicht viel konstruieren, denn das Aufdecken von Kriegsverbrechen
ist wohl schon ein großes Verdienst um den Frieden.

Aber Assange sitzt im Gefängnis in einem NATO-Staat und ein weiterer
NATO-Staat will ihn lebenslang wegsperren. Den Wikileaks-Gründer
auszuzeichnen wäre ein Affront Norwegens gegen seine Verbündeten und
natürlich auch gegen den voreilig ausgezeichneten Barack Obama persönlich.

Menschenrechtlich gäbe es da aber einen Präzedenzfall: Carl von Ossietzky.
An diesen Journalisten wurde 1936 der Friedensnobelpreis vergeben in der
Hoffnung, daß ihn die Nazis aus dem KZ lassen. Das hat sogar funktioniert,
kam aber zu spät, der gefolterte und tuberkulosekranke Ossietzky starb in
einem Berliner Krankenhaus.

Ein britisches Gefängnis ist sicher nicht mit einem deutschen KZ zu
vergleichen. Aber die Hölle dürfte es doch sein, denn Assange ist todkrank.
Wenn sogar die Nazis sich einstens vom Nobelpreis beeindrucken liessen,
könnte es die Regierungen Großbritanniens und der USA wohl nicht völlig kalt
lassen.

Eine solche Vergabe würde aber auch den Preis selbst wieder stärken und
damit die Friedenskräfte in der Welt. Dazu bräuchte es aber den politischen
Willen. Und der ist halt nicht gegeben.
*Bernhard Redl*



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