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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. Dezember 2021; 20:08
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Debatten

> Professor Kickls Kampf gegen das WIRUS

Zur Rolle der FPÖ in den Auseinandersetzungen um die Impfpflicht zum Wohle
des Kapitalismus

Von *Karl Czasny*

Der Kapitalismus fürchtet Krisen nicht wegen der von ihnen angerichteten
Schäden. Im Gegenteil lebt er von ihnen. In den Konjunkturkrisen werden
beträchtliche Teile des Kapitals durch Konkurs entwertet, sodass wir in alle
Ewigkeit weiter wachsen können. In den Umweltkrisen werden Teile unserer
natürlichen Umwelt, im Idealfall sogar unser gesamtes Klima, aus dem
Gleichgewicht gebracht. Da entstehen dann riesige Märkte für neue Produkte
und enormer Bedarf an neuen Technologien, mit denen sich ausgezeichnet
verdienen lässt. Und das Beste, was dem Kapitalismus überhaupt passieren
kann, ist eine Krise, die in einen Krieg mündet. Da werden nicht nur viele
bloß auf dem Papier existierende ökonomische Werte vernichtet, sondern
massenweise auch materielle Güter wie Häuser, Wohnungen, Fabriken, Straßen
usw. Im zweiten Weltkrieg ist das so perfekt gelungen, dass danach eine
dreißigjährige Prosperität mit traumhaften Wachstumsraten einsetzte ...

Das Einzige, was der Kapitalismus beim Ausbruch einer Krise wirklich
fürchten muss, ist das Entstehen von Empörung bei den von all jenen
Krisenschäden betroffenen Menschen. Denn die kann dazu führen, dass sie sich
fragen, "Warum lassen WIR UNS das gefallen?". Besagte Frage ist deshalb so
gefährlich, weil sie womöglich weiterführt zu dem Gedanken "Übernehmen WIR
doch diesen ohnehin nur von UNS selbst am Laufen gehaltenen Laden".

Und genau an diesem Punkt treten die rechtspopulistischen Ruhestifter auf
den Plan. Ihre Aufgabe ist es, zu verhindern, dass Fragen und Gedanken
entstehen, die sich auf jenes gefährliche WIR und seinen Begleiter, das
nicht minder gefährliche UNS beziehen.

Wie schafft der Rechtspopulismus dieses Kunststück? Ich erkläre es mir mit
einem Bild, das sich heutzutage aufdrängt:

Immer dann, wenn eine massenhafte Infektion der Menschen mit dem für den
Kapitalismus so gefährlichen WIRUS droht, startet der Rechtspopulismus eine
Impfkampagne mit einem völlig harmlosen Pseudo-WIR, das die damit Geimpften
immun gegen die gefährlichen WIR-Gedanken macht. Je nach Art des jeweiligen
Krisenphänomens mixt das Laborteam von Prof. Kickl seinen Impfstoff nach
einer etwas anderen Formel. Denn er soll ja in jedem Fall andere Arten von
Empörung auf unbedenkliche Weise ableiten. Bei der jüngsten Migrationskrise
etwa präsentierte sich jenes Pseudo-WIR als "WIR Österreicher", stets
begleitet von "UNSERER Heimat". Bei der Finanzkrise bangten "WIR Sparer" um
"UNSER Geld", und für die bei weiterer Zuspitzung der Klimakrise drohenden
Auseinandersetzungen um ein klimagerechtes Verkehrssystem werden "WIR
Autofahrer" auf Angst um "UNSERE Straßen" eingeschworen.

Besonders delikat ist die Situation in der aktuellen Gesundheitskrise. Denn
diejenigen, die davor jahrzehntelang alles unternommen haben, um uns als
Konsumenten und mit einander konkurrierende Ich-AGs zu vereinzeln, müssen
nun plötzlich von uns den Eintritt in ein ganz großes WIR fordern. WIR alle
sollen uns impfen lassen, damit Herdenimmunität entsteht und das davor
jahrzehntelang kaputtgesparte Gesundheits- und Pflegesystem nicht
überfordert wird. Das ist heikel für den Kapitalismus. Denn in dieser
Situation könnten viele der Opfer jenes Kaputtsparens denken, "WIR fordern
als Gegenleistung von euch auf der Stelle Ersatz für all die finanziellen
und personellen Ressourcen, die ihr UNSEREM Gesundheits- und Pflegesystem in
den letzten Jahren verweigert habt." Das wäre wieder einer jener
gefährlichen WIR-Gedanken. Könnten sich doch aus ihm weitere, womöglich noch
gefährlichere WIR-Phantasien entwickeln. Da muss der Rechtspopulismus wieder
Krisenfeuerwehr spielen und ganz schnell ein neues Pseudo-WIR aus dem Hut
zaubern. Es darf wie immer jede Menge Schaden anrichten, soll aber für das
System selbst völlig ungefährlich sein.

Die Formel des neuen Impfstoffs lautet: "WIR wollen selbst über UNSERE
Körper entscheiden. WIR lassen UNS diese Freiheit nicht durch eine
Impfpflicht nehmen."


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