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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 1. Dezember 2021; 20:03
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Debatten:

> Egal wie radikal, Rechte sind "normal"?

Oder: Die Dreißigerjahre haben angerufen


Von *Dagmar Schindler*, *Ernst Wolrab* und *Birgit Hebein*


Als VertreterInnen des Verbandes österreichischer AntifaschistInnen,
WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus (KZ-Verbandes Wien und
Niederösterreich) waren wir als BeobachterInnen auf der von der FPÖ
organisierten und im Vorfeld in rechtsextremen Netzwerken beworbenen
Demonstration der Corona-Leugner und Maßnahmen-Kritiker am Samstag (20.11.)
dabei.

Vorgefunden haben wir antisemitische Plakate und Parolen, Faschismus- und
Diktatur-Vergleiche, Steckbriefe von JournalistInnen, die als Flugblätter
verteilt wurden. Angeführt wurde die Demo von bekannten Rechtsextremen. Es
begegneten uns Menschen, die bewusst die NS-Verbrechen mit ekelhaften
Vergleichen verharmlosten ("1938 darf sich nicht wiederholen"); die
Impfpflicht wurde mit dem NS-Vernichtungslager Mauthausen gleichgesetzt;
mittendrin ein Mann mit einem Galgen, brüllend: "Friede, Freiheit, keine
Diktatur". Ein Bekannter vor Ort erzählte gleichzeitig von immer wieder die
Polizei und JournalistInnen angreifenden extremen Rechten.

Diese Vorfälle kann man mittlerweile auch online nachverfolgen. Jüdische
Personen wurden am Rande mit "Wo sind die Gaskammern, wenn man sie braucht",
angepöbelt und bedroht. Auf Twitter berichtet ein User: "Eine Freundin mit
afrikanischen Wurzeln wurde heute gemeinsam mit einer 15-jährigen
Kopftuchträgerin beim Volkstheater von Neonazis eingekreist, die Hitlergruß
zeigten und sie bespuckten. Ein Mitarbeiter des Volkstheaters hat die Szene
beobachtet und sie ins Theater geholt".

Am Heldenplatz angekommen, fanden wir die Situation sehr beklemmend. Ein
Einpeitscher über Lautsprecher zog Parallelen zum 2. Weltkrieg, eine
grölende Masse applaudierte, dazwischen das oft wiederholte Lied "Immer
wieder Österreich". Hier fühlte man sich wirklich in die Dreißigerjahre
versetzt. Und nein, wir hatten keine Angst, dass unter diesem Menschen jene
sind, bei denen unlängst ein Waffenlager gefunden wurde, mit dem man eine
Armee von Rechtsextremen bewaffnen kann, oder dass jemand ein Messer zückt.
Aber müssen wir erst diese Angst spüren, bevor aufgeklärte Menschen die
Bedrohung erkennen? Gilt die Gefahr für uns als Gesellschaft erst dann, wenn
Blut fließt oder sich ein Mob zusammentut und -- wie im Vorfeld
angekündigt -- ein Krankenhaus stürmt und PflegerInnen und ÄrztInnen
bedroht?

Niemand redet davon, dass hier nur Neonazis marschiert sind. In der U-Bahn
trafen wir ein freundlich wirkendes Pärchen, das besprach, wie sie wohl am
besten zum Heldenplatz kommen. Eine Gruppe Steirer rief nach dem Aussteigen:
"Scheiß mi an, jetzt samma in Wien." Hier trafen sich NaturanpreiserInnen,
Menschen mit Plakaten "Lieber stehend sterben als kniend leben -- Freiheit"
oder eine Gruppe junger Studierender. Und alle marschieren hinter
geschichtsvergessenen, zynischen Transparenten. Niemand (niemand!) von den
TeilnehmerInnen darf sich darüber wundern, wenn man sie für rechtsextrem
hält, wenn sie hinter rechtsextremen Transparenten herlaufen.

Umso bedauerlicher finden wir die medialen Reaktionen nach den Aufmarsch am
Samstag: Liberale predigen Harmonie mit den Rechten, die hier marschiert
sind, seien ganz "normale" Menschen, die ihren Protest ausdrücken. Nein. Wir
plädieren dafür, die Menschen nicht zu entmündigen, sie ernst zu nehmen und
keinen Harmonieschleier über die Demo-TeilnehmerInnen zu legen. Sie wissen,
was sie tun. Durch die mediale "Normalisierung" verschiebt sich der Diskurs
gefährlich weiter nach rechts. Und leider können sich die Demonstrierenden
auch darauf verlassen, dass die Polizei sie (fast) ohne Konsequenzen
marschieren lässt, sie brauchen sich nicht einmal an die vorgeschriebene
Maskenpflicht halten, denn die Polizei(-führung) lässt sie seit Monaten
ungehindert marschieren. Rechte Demonstrationen werden begleitet, ohne die
Einhaltung von Covid-Regeln einzumahnen. Im Gegensatz zu anderen
Demonstrationen: linke DemonstrantInnen, ausnahmslos Masken tragend, wurden
z.B. im Frühjahr wegen fehlendem 2-m-Abstand belangt.

Jene, die seit 20 Monaten Covid verharmlosen, werden wiederkommen, um auf
Wiens Straßen zu marschieren. anderen Angst machen, angeführt von
Rechtsextremen, und so manch einer glaubt, sie seien die "neuen Juden". Und
gleichzeitig kämpfen Menschen in Spitälern um Menschenleben. Wir sollten uns
alle fragen, wie es soweit kommen konnte, und uns mit Rechtsextremismus
ernsthaft beschäftigen.

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