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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 18. November 2021; 04:09
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  Pandemische Zeiten:
  
  Zum anstehenden Gesetz zur Erleichterung von Forschung an personenbezogenen
  Daten sandte die NGO epicenter.works an die Parlamentsabgeordneten folgenden
  
  > Offenen Brief
  
  Sehr geehrte Abgeordnete des Nationalrats und des Bundesrates,
  
  die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieses Briefes stehen dem
  Grundanliegen der Registerforschung positiv gegenüber, haben aber
  schwerwiegende Datenschutzbedenken bezüglich der Regierungsvorlage zur
  Novelle des Bundesstatistikgesetzes und Forschungsorganisationsgesetzes zur
  Schaffung eines Austrian Micro Data Centers. (1)
  
  Im Begutachtungsverfahren(2) wurde substantielle Kritik insbesondere des
  Datenschutzrates, der Datenschutzbehörde, der Arbeiterkammer und von
  epicenter.works vorgebracht. Leider begegnet die Regierungsvorlage dieser
  Kritik nicht ausreichend.
  
  Die Erläuterungen des vorgelegten Entwurfs versuchen vielmehr,
  Unvereinbarkeiten mit der Datenschutzgrundverordnung dadurch aufzulösen,
  dass einer EU-Verordnung aus 2009(3) Anwendungsvorrang gegenüber der DSGVO
  eingeräumt wird. Die Vorgaben der DSGVO können nicht durch früheres
  Unionsrecht aufgehoben oder abgeändert werden, außer die DSGVO selbst würde
  (in ihren Schlussbestimmungen) derartiges zulassen. Dies ist durch die DSGVO
  im Hinblick auf Unionsrechtsakte aus dem Bereich der Statistik jedoch nicht
  erfolgt. Auch kann unmittelbar gültiges Unionsrecht nicht durch nationales
  Recht, wie den gegenständlichen Vorschlag, abgeändert werden. Eine
  (bewusste) Nichtanwendung der DSGVO innerhalb ihres Anwendungsbereichs
  schafft einen über den Anlassfall weit hinausgehenden negativen
  Präzedenzfall.
  
  Weiters bricht das vorliegende Gesetz mit einem in Österreich seit vielen
  Jahrzehnten festgeschriebenen Grundsatz: Daten, die mit einem
  bereichspezifischen Personenkennzeichen (bPK) versehen sind, sind als
  pseudonyme Daten zu behandeln, es handelt sich dabei nicht um anonyme Daten.
  Mit dieser Vorgangsweise wird nicht nur versucht das gesamte
  Datenschutzregime auszuhebeln (für anonyme Daten gilt weder die DSGVO noch
  das DSG noch sind Datensicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben), sondern es wird
  auch versucht die betroffenen Personen um alle ihre Betroffenenrechte aus
  der DSGVO zu bringen!
  
  Folgte man dieser Ansicht, würden auch alle anderen Datenverarbeitungen,
  die, der E- Government-Strategie des Bundes folgend, das bPK als
  Identifikator verwenden (zB Transparenzdatenbank, ELGA etc), plötzlich zu
  anonym geführten Datenbanken außerhalb des Datenschutzregimes werden.
  
  Im Zuge der Ausweitung der zugriffsberechtigten Institutionen und der
  potentiell geöffneten Register sollte es nicht - wie derzeit geplant - zu
  einer Abschwächung der Protokollpflichten für zugriffsberechtigte Personen
  kommen. Ein etwaiger Missbrauch der Daten kann nach dem vorliegenden Entwurf
  durch die Statistik Austria nur mittels Stichproben oder Algorithmen erkannt
  werden. Wir plädieren dafür, der Statistik Austria per Gesetz eine
  vollumfängliche Kontrolle der Verarbeitung der Daten des Austrian Micro Data
  Center einzuräumen. Schließlich ist angesichts dieser derart weit reichenden
  Eingriffe nicht nachvollziehbar, warum keine Datenschutz-Folgenabschätzung
  vorgenommen worden ist.
  
  Ein Ausschluss derselben oder die Feststellung des Vorliegens einer solchen
  mit Gesetz ist mit den Vorgaben des Unionsrechts nicht vereinbar.
  
  Wir stehen dem Anliegen der Registerforschung nicht ablehnend gegenüber.
  Jedoch sehen wir im vorliegenden Entwurf signifikante Mängel und ein sich
  daraus ergebendes Missbrauchspotential. Im bisherigen Prozess wurde auf die
  Kritik in Bezug auf den Datenschutz unzureichend bzw. überwiegend gar nicht
  reagiert. Wir raten deshalb von einer Beschlussfassung des vorliegenden
  Entwurfs eindringlich ab.
  
  *Hochachtungsvoll, epicenter.works - Plattform Grundrechtspolitik; Mag. Max
  Schrems; Univ.-Prof. Mag. Dr. Nikolaus Forgó; Mag. Albert Steinhauser, Abg.
  z. Nationalrat aD; Mag. Dr. Doris Allhutter; AssProf. Dr.med Brigitte
  Litschauer; Dr.in Nicole Amberg; Mag Gabriele Zgubic-Engleder, AK-Wien (Abt
  Konsumentenschutz); Mag. Christian Drobits (Vors. Stlv. Datenschutzrat,
  SPÖ); Dipl.-Ing. Dr. Walter Hötzendorfer (Mitglied Datenschutzrat); Dr.
  Christof Tschohl; Dr. Kurt Einzinger (Datenschutzrat); Mag. Georg Markus
  Kainz*
  
  1
  https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01098/index.shtml#tab-Uebersicht
  2
  https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00135/index.shtml#tab-Stellungnahmen
  3 Verordnung (EG) Nr. 223/2009
  
  *
  
  Der Protest wird wohl umsonst gewesen sein -- das Gesetz steht am
  19.November in der kritisierten Form im Plenum des Nationalrats zur
  Beschlußfassung an.
  
  Quelle des Briefes:
  https://epicenter.works/sites/default/files/brief_registerforschung_0.pdf
  
  
  
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