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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 14. Oktober 2021; 02:52
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  Klimapolitik:
  
  > Der Strom kommt aus der Steckdose
  
  Und der Markt wird die Nebenbahnen wieder eröffnen. Dafür kriegen wir jetzt
  alle einen Klimabonus. Ein Realitäts-Check. Und ein Wutausbruch.
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  Jetzt hat die WKStA die ganze schöne Präsentation der tollen
  Öko-Steuerreform versulzt. Gut, Werner Kogler kann irgendwie auch froh sein,
  sonst reden die Leute weiter darüber, daß ÖVP-Wähler wie jene der gut
  verdienenden Gmundner Familie mit der 160m2-Wohnung und der
  Solar-Wärmepumpen-Heizung vom Klima- und Familienbonus profitieren. Ja, wer
  es nicht mitbekommen hat, das war das wichtigste Rechenbeispiel der Grünen
  via Instagram (bevor sich dieses Netzwerk kurzfristig gemeinsam mit Facebook
  in eine Nachdenkpause begeben hat, während auf Twitter sich alle über beides
  lustig machten -- die Grünen und den Facebook-Crash).
  
  Bevor der Gesalbte sich in den Nationalrat verabschiedete, hielt Kogler die
  Handlungsfähigkeit der Regierung für "voll gegeben". Er meinte, daß man ja
  sehe, wie "immer größere Reformen" in "immer größerer Geschwindigkeit"
  erledigt würden. Und jetzt gehen mit dem Grafen an der Spitze dieser
  Regierung diese Reformen sicher noch viel schneller vonstatten.
  
  Reden wir also über die Reformen!
  
  Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Größe der Reformen oder das Prinzip
  "Speed kills" ein Qualitätsmerkmal sind. Schnell viel machen sagt nichts
  über die Güte des Gemachten aus. Weniger höflich ausgedrückt: Die
  Wahrscheinlichkeit, daß es ein Schmarrn wird, ist unter diesen Prämissen
  recht hoch.
  
  Die Öko-Steuerreform also. Die Grünen verteidigen sich, indem sie lancieren,
  daß die ÖVP ursprünglich den Klimabonus ähnlich wie den Familienbonus als
  Steuergutschrift machen wollte -- also kein Geld für arme Leute -- und sie
  das verhindert hätten. Witzigerweise grätschte da Christoph Chorherr
  dazwischen, indem er einen 30 Jahre alten Antrag der Grünen für einen
  solchen Klimabonus verbreitete, um zu belegen, daß erst eine grüne
  Regierungsbeteiligung so etwas möglich macht. Blöd, daß das halt genau so
  eine Steuergutschrift gewesen wäre, die den Grünen damals vorgeschwebt hat.
  Aber gut, sagen wir, auch die Grünen seien lernfähig.
  
  Und ja, die Idee, die Krankenversicherungsbeiträge für Armutschkerln (wie
  der Autor dieser Zeilen einer ist) zu senken, weil man bei unsereins mit
  Steuererleichterungen nichts ausrichtet, dabei aber aus dem Budget diese
  Verluste der Krankenkassen auszugleichen, ist wirklich gut. Wobei: Wie das
  konkret aussehen wird, muß man sich noch anschauen. Nicht, daß dann bei der
  Subvention der Spitäler gespart wird, um die Differenz wieder auszugleichen!
  
  Aber sonst? Heutzutage hat ja jedes Medium, das auf sich hält, sogenannte
  "Faktenchecker". Das ist ein seltsamer Begriff, weil an sich ist das
  Überprüfen von Behauptungen irgendwie schon prinzipiell zentraler
  Bestandteil von Journalismus. Aber vielleicht galt das nur im 20.
  Jahrhundert und heute lagert man das aus als besonderes Goodie. Naja. Ich
  hingegen versuche mich da mal im Realitäts-Check -- und das noch dazu sehr
  ichbezogen, also meine Person pars pro toto quasi als Beispiel:
  
  Die SPÖ hat ja durchaus zu Recht moniert, daß Menschen, die zu Miete wohnen,
  sich meistens nicht aussuchen können, wie sie heizen. Der Lenkungseffekt sei
  daher eher ein Witz. Und in Wien wohnen erstens hauptsächlich Mieter und die
  heizen mehrheitlich mit Gas. Aber das ist halt nur die halbe Wahrheit. Weil:
  Auch andere können sich das nicht wirklich aussuchen. Meinereiner zum
  Beispiel wohnt mit seiner Partnerin auf 35 Quadratmetern in einer
  Eigentumswohnung mit Gasheizung. Fernwärmeanschluß gibts nicht. Für Holz
  bräuchten wir ein Kellerabteil, das wir nicht haben. Also bliebe nur Strom,
  der ja neuerdings als sauber und umweltverträglich gilt. Blöderweise ist der
  aber sauteuer und wenn ich mir die internationale Entwicklung anschaue, wird
  der jetzt bald noch sehr viel teurer. Wärmedämmung wäre auch noch eine Idee,
  um die Heizkosten zu senken -- blöderweise würde der Ersatz meiner alten
  Kastenfenster trotz Förderungsversprechen mich mindestens ein
  Jahreseinkommen kosten.
  
  Mit anderen Worten ist die Botschaft der Regierung: Arme Leute müssen halt
  frieren um das Klima zu retten. Generell dürfte man bei "denen da oben" der
  Meinung sein, daß es vor allem eine individuelle Schuld sei, wenn der Planet
  vor die Hunde geht, nicht die globalisierte Weltwirtschaft oder der
  europäische Binenmarkt seien schuld daran. Es ist völlig in Ordnung, wenn
  chinesische Sweatshop-Produkte bei uns billig importiert werden oder Tiroler
  Käse nach Frankreich gebracht werden muß, um dort verpackt zu werden, um
  schließlich in Wien verkauft zu werden. Es ist auch kein Problem, wenn
  Arbeitslose dazu verdammt werden, einen Job anzunehmen, der hundert
  Kilometer von ihrem Wohnort entfernt ist. Generell ist derlei eine
  Schweinerei, aber das sind auch Wege, die unnötig wären und alles andere als
  gut sind für die CO2-Bilanz. Man könnte ja auf die Idee kommen, Arbeitslosen
  Jobs in näher gelegenen verstaatlichten Betrieben anzubieten oder Zölle wieder
  einzuführen, aber derlei ist erstens gotteslästerlich und zweitens nicht so
  einfach.
  
  Okay, das ist ein in Rage geschriebener Text über so ziemlich alles, aber
  schließlich hängt ja alles mit allem zusammen, auch wenn das Politiker nicht
  gerne hören. Also komme ich jetzt nochmal zurück zum Heizen.
  
  Holz also ist da eine Idee. Wirklich? Wenn mehr mit Holz geheizt wird, wird
  man feststellen, daß Bäume halt nicht so schnell wachsen, wie sie verheizt
  werden können. Gerade in Wien weiß man das, als im Nachkriegswinter 1918/19
  der halbe Wienerwald abgeholzt wurde, weil die Wiener keine Lust hatten, bei
  der beschissenen Versorgungslage in der Kälte zu krepieren. Abgesehen davon
  ist auch Holz nicht klimaneutral, weil es erst einmal geschlägert,
  verarbeitet und transportiert werden muß, was auch nicht per Fahrradboten
  funktioniert. Und war nicht einmal das Waldsterben zentrales Thema der
  Umweltbewegung? Und sind Hochwasserkatastrophen und Murenabgänge vielleicht
  gar nicht oder zumindest nicht nur klimabedingt, sondern auch die Folge der
  Abholzung von Bannwäldern? Und gehts nicht auch darum, die "grünen Lungen"
  dieser Erde zu beschützen? Ist das jetzt egal? Einmal abgesehen davon: Auch
  die Holzpreise explodieren gerade, sind also auch nicht wirklich eine
  Alternative für arme Leute.
  
  Die andere Idee: Strom! Ja, super, der kommt ja aus der Steckdose. Das ist
  jetzt blöd, daß Zwentendorf nicht eingeschalten worden ist und Hainburg
  nicht gebaut. Aber dann hätten wir ja auch keine Grünen, die uns heute
  erklären, wie toll doch der Strom ist. Weil schon jetzt ist es halt so, daß
  wir auch in Österreich unseren Strombedarf nicht komplett aus erneuerbaren
  Energien decken können -- wenn wir in Zukunft nur noch damit fahren und
  heizen sollen, wird auch die Million-Dächer-Solaranlagen-Initiative nicht
  ausreichen. Vor allem dann, wenn wir in genau der Zeit, wo es kalt ist, weil
  wenig Sonnenlicht auf unsere Breiten trifft, die Sonnenenergie zum Heizen
  verwenden sollen. Vielleicht könnte man ja die Flächen, die man für die
  Brennholzgewinnung abrasiert hat, mit Windrädern vollstellen, um die
  Energielücke zu schließen? Dann müßte man diesen Anlagen nur mehr
  Photosynthese beibringen, aber das sollte ja kein Problem sein.
  
  Ich werde schon wieder sarkastisch, aber das ist halt ein Wuttext, da darf
  ich das. Ja, also der Strom! Die Wunderlösung für alles! Damit kann man auch
  Mobilität einsparen, weil man ja jetzt vieles im Home-Office erledigen kann,
  wie Corona bewiesen hat. Natürlich führt das zu einer massiven Vereinzelung,
  aber das ist ein soziales Problem und derlei ist egal, weil es das Klima
  nicht schädigt. Blöderweise braucht das aber auch sehr viel Strom. Vor allem
  aber braucht es immer leistungsfähigere Geräte und zwar alle paar Jahre ein
  neues, um kompatibel zu bleiben, deswegen muß man natürlich die halbe Welt
  umgraben, um die entsprechenden Rohstoffe zu bergen. Ist zwar schlecht für
  die CO2-Bilanz, dafür kann man die gegrabenen Löcher dazu verwenden, um dort
  die Altgeräte zu entsorgen. Aber das ist weit weg, in Afrika und wo sonst
  halt die Bloßfüßigen zu Hause sind; die sind eh froh, wenn sie Arbeit haben,
  dann kommen sie wenigstens nicht zu uns und Frontex hat weniger zu tun.
  
  Ähnliches gilt übrigens für die Batterien der Elektroautos. Auch die sind
  nicht sonderlich umweltfreundlich, weder in der Produktion noch in der
  Entsorgung. Strom läßt sich halt nur sehr schlecht lagern im Gegensatz zu
  Benzin und der Wirkungsgrad ist bei einer chemischen Zwischenspeicherung
  immer noch unter jeder Sau. Die CO2-Bilanz eines Elektroautos ist daher
  alles andere als klimaneutral. Mir kommt das ein wenig so vor wie die
  Entscheidung des Odysseus: Wir meiden wie einst der gar so weise Krieger und
  Seefahrer die Benzin-Charybdis, verschweigen aber die Gefahren der
  elektrischen Skylla, weil wir halt doch nichts an unserm Lebensstil und
  Wirtschaftssystem ändern wollen oder können. Nur: Wie das bei Homer
  ausgegangen ist, sollten wir auch nicht vergessen.
  
  Aber es soll ja eh viel mehr öffentlich gefahren werden. Ich bin sehr froh,
  daß ich in Wien lebe und immer noch fit genug bin, meine Wege mit dem
  Fahrrad (ohne e-) erledigen zu können -- ein Klimaticket würde mich knapp
  ein Monatseinkommen kosten. Wie die Grünen doch tatsächlich richtig erkannt
  haben, geht das am Land nicht so einfach. Vor hundert Jahren, als gerade mal
  ein paar Großbürger ein Auto hatten, ging das schon. Ein Zurück in diese
  Zeiten ist aber weder wünschenswert noch machbar. Dennoch hat es etwas damit
  zu tun, daß Arbeitsplatz und Infrastruktur sich vom Wohnort immer weiter
  wegbewegen können, je besser die Mobilität ist. Und wenn die Öffi-Mobilität
  halt scheiße ist, braucht man einen privaten motorisierten Untersatz. Wenn
  die Politik diese Notwendigkeit vermeiden will, muß sie dafür sorgen, daß
  der öffentliche Verkehr besser wird und die Wege generell kürzer. Letzteres
  ist nur langfristig zu bewerkstelligen und selbst dann alles andere als
  einfach. Das mit den Öffis hingegen wäre zumindest mittelfristig machbar
  aber das kostet halt weitaus mehr Geld als so ein Klimabonus. Der
  Lenkungseffekt der jetzigen Maßnahmen geht da aber gegen Null -- denn sowohl
  ein Klimabonus als auch ein ebensolches -ticket wird niemanden dazu bringen,
  auf Öffis umzusteigen, die es nicht gibt. Und es wird auch keine
  öffentlichen Verkehrsverbindungen produzieren, weil der Markt gar keine Lust
  hat, das bisserl Nachfrage zu bedienen. Das rentiert sich nämlich nicht.
  Und: Ein Auto ist sicher in der Totalrechnung teurer als ein Klimaticket --
  aber wenn man gezwungen ist oder sich zumindest gezwungen fühlt, ein Auto zu
  besitzen, dann wird man es auch benützen, weil das Klimaticket eben doch
  teurer ist als der Sprit, selbst wenn die Öffis brauchbar sind.
  
  Reden wir doch Tacheles! Reden wir, wie wir früher geredet haben! Verwenden
  wir wieder so Ausdrücke wie "multinationale Konzerne" oder "Dritte Welt"
  oder "Ausbeutung"! Wenn also die Multis in der Dritten Welt auch weiterhin
  Mensch und Natur ausbeuten, kann das nicht ausgeglichen werden damit, daß
  die Mindestpensionistin in Rudolfsheim-Fünfhaus frieren muß -- und auch noch
  ein schlechtes Gewissen haben soll! "Meine Oma ist 'ne alte Umweltsau!" --
  ihr erinnert euch doch noch alle an diese deutschen Greta-Chöre, oder? Es
  hat gute Gründe, warum Heizöl bislang nicht so besteuert wurde wie Diesel!
  
  Vielleicht braucht es Umweltzölle statt Steuern! Ja, das mag die EU nicht,
  das mag die WTO nicht. Das mögen auch die hiesigen Industriellen nicht, weil
  Zölle immer mit Gegenzöllen beantwortet werden. Was machen dann
  Steyr-Mannlicher und Glock, wenn sie ihre Waffen nicht einmal mehr über
  Umwege in eben diese Dritte Welt exportieren können? Wenn wir schon von
  Steuern reden, dann reden wir über Besteuerung der hiesigen Konzerne, zum
  Beispiel der OMV, oder gleich der Wiederverstaatlichung samt amtlicher
  Regulierung der Preise für Mineralölprodukte. Das Gleiche gilt für den
  Betrieb, der immerhin immer noch "Bundesbahnen" heißt. Die halbseidene
  Lösung, die da sagt: Die ÖBB gehören dem Staat, werden aber kommerziell
  geführt, ist Schrott! Ja, das ist 70er-Denke und -Jargon, nur halt nicht
  damit verbunden, rauchende Schlote für etwas Positives zu halten --
  genausowenig wie lustig blinkende LED-Lamperln, dem heutigen Symbol einer
  naiven postmodernen Form des Fortschrittsglaubens.
  
  Die Staat hats halt nicht leicht, aber wenn man das mit der CO2-Reduktion
  wirklich angehen will, muß man ganz anders einschneiden in unser
  Wirtschaftssystem.
  
  Und mir meine Iso-Fenster zahlen.
  
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  Ce
  
  
  
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