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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 14. Oktober 2021; 02:35
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causa prima:

> grüne werden "gerädert und gevierteilt"

"gerädert und gevierteilt" beschreibt die grausamsten foltermethoden zum
tode aus dem mittelalter. nicht weil ein adeliger nun bundeskanzler spielt,
dürfte das mittelalter für die grünen begonnen haben, sondern weil der
grosse koalitionspartner viel mehr gekränkt und erniedrigt als geschwächt
ist.

einmal mehr wird in diesen tagen parteiintern das grosse
rechtfertigungsnarrativ von den "leuchtturmprojekten" bemüht, weshalb mensch
nun nicht "gerade jetzt" am "entscheidenden punkt" mit den türkisen brechen
dürfte.

mag sein, dass es ein erster erfolg ist, kurz auf die parlamentsbank zu
setzen. aber mit recht betonen viele, dass dadurch das "türkise system" oder
"system kurz" längst nicht besiegt sei. im gegenteil.

wieviel selbst von schriftlichen türkisen zusagen zu halten ist, zeigt, dass
alle derzeitigen türkisen minister*innen noch wenige stunden zuvor eine
erklärung unterschrieben haben, dass sie - wenn kurz aus der regierung gehen
muss - mit ihm die regierung verlassen werden. entgegen ihrer schriftlichen
erklärung bleiben sie nun, um mit dem kurzschen platzhalter schallenberg
weiter die altbekannte taktik zu fahren.

was diese tage auch gezeigt haben: die von den grünen immer wieder
herbeigefürchtete alternative, kurz könnte bei der geringsten unstimmigkeit
mit dem koalitionspartner einen fliegenden wechsel zu kickl wagen, war in
wirklichkeit keine wahrscheinliche.

aber auch: eineinhalb jahre zusammenarbeit mit jener partei, die alles
unternimmt, um mindestens so grausam zu gelten, wie die blaubraunen, haben
zur folge, dass es wohl nicht mehr viel unterschied bedeuten würde, einen
kickl als verteidigungsminister "einzubinden".

einem teil der övp-basis könnte die derzeitige "lösung" durchaus auf dauer
gefallen: innerparteilich rumorte es in den letzten tagen besonders heftig
in den erzkonservativen und katholischen kreisen, die noch nie mit "schwarz
macht geil" etwas anfangen konnten. diese kreise waren über die enthüllungen
letzte woche mehr als entsetzt.

für sie ist es beruhigend, einen adeligen an der spitze zu wissen. adelige
haben einen grossen vorteil: sie brauchen keine netzwerke schmieden, sie
SIND das netzwerk seit jahrhunderten. da braucht es keine chats, keine
anrufe, keine emails, alle wissen was sie zu tun und zu unterlassen haben.

diese innerparteiliche bruchstelle ist nun mit der person alexander
schallenberg kalmiert, das bedeutet irgendwie ein "back to the roots" oder
besser wohl "echte heimatgefühle" für so manche spendenbereite
grossgrundbesitzer*innen.

zurück zu den grünen: da werner kogler in seiner forderung explizit den
austausch der person des bundeskanzlers und nicht der gesamten türkisen
truppe gefordert hatte, wäre es leider nur schwer vermittelbar gewesen, nach
dem "zur seite treten" des unkanzlers auf mehr zu beharren.

manche grünromantisch denkenden meinen sogar, vielleicht kommt der bruch
nach den budgetbeschlüssen, wenn also die grünen das denkbar schlechte
steuerpaket samt überteuerter klimakarte durchgebracht haben. danach könne
ja immer noch ein anlass gefunden werden, nun doch den türkisen insgesamt
das vertrauen zu entziehen.

in diesen tagen kann sich stündlich etwas ändern, aber wirklich ändern wird
sich erst etwas, wenn die "ich liebe meinen kanzler-familie" samt und
sonders durch untadelige leute ersetzt sein wird, ob diese aus der övp
kommen oder nicht. untadelig hiesse aber untadelig und damit fern jeder
türkisen familienverbindung. nicht so einfach.

es hätte ein feiertag für die demokratie sein können, wenn der
vielzulangkanzler zurücktritt. schon die weigerung, diesen so zu nennen und
ihn als "sidestep" zu framen, liegt verdammt nahe zum "seitensprung", was
pikanter weise fast wieder als "untreue" verstanden werden kann. bei der
verkündigung des kurzen seitensprungs liessen manche schon die sektkorken
knallen, bei der ausführung, wohin es nun den unheiligen sebastian zieht
hätten viele gerne die sektkorken wieder in die flasche zurückgedrückt.

mag sein, dass es manche der grünen tatsächlich so meinen: sie wollen grüne
kernprojekte umsetzen und sind dafür bereit, sich zu opfern, selbst wenn es
das ende bedeutet. sie nehmen vielleicht wirklich das land, die dringenden
themen und das klima wichtiger als ihre partei.

aber irgendwann wird die liste der selbstentleibung unerträglich:
menschenrechte, kinderabschiebungen, moria-ignoranz und eine steuerreform,
die alles andere als ökologisch wirksam und schon gar nicht sozial ist.

niemand zwingt die grünen auf das schafott, sie betreten freiwillig den
platz und schnallen sich auf die räder. war es und ist es den politischen
freitod wert?
*bernhard jenny *

auf seinem blog (gekürzt)
original:
https://bernhardjenny.blog/2021/10/10/grune-werden-geradert-und-gevierteilt/



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