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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 16. September 2021; 00:59
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Verkehr/Energie:

> Wasserstoff: Ein Energiefresser

Erneuerbarer Strom braucht Speicher - aber Batteriezellen sind schmutzig.
Kann Wasserstoff die Alternative sein? *Klaus Meier* analysiert für die
deutsche Zeitschrift SoZ den nicht ganz so gerechtfertigten Enthusiamus für
carbonneutrale Energieformen.
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In den Debatten über Klimaschutz ist heute das Thema Wasserstoff (H2)
allerorten präsent. Das H2-Gas besitzt das Potenzial, viele industrielle
Prozesse zu dekarbonisieren - Teile der Chemieindustrie oder auch die
Stahlherstellung. Auch mit Wasserstoff angetriebene Lkw, Schiffe und
kleinere Flugzeuge sind prinzipiell als klimaneutrale Lösungen möglich. Aber
es gibt dafür Grenzen, die zu beachten sind. Die kapitalistische
Wachstumsparty einfach mit Wasserstoff fortzusetzen, wird nicht gehen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Grundlagen. Wenn man Wasser mit
Hilfe von Strom in einem Elektrolyseprozess zerlegt, entsteht dabei
Wasserstoff. Er wird als «grün» bezeichnet, wenn man dafür Wind- und
Solarstrom einsetzt. Dieser Prozess ist aber mit hohen Energieverlusten
verbunden. Etwa 30 Prozent des eingesetzten Stroms gehen verloren. Danach
muss das entstandene Wasserstoffgas für den Transport und die Verteilung
unter hohem Druck zusammengepresst und verflüssigt werden. Auch dafür gehen
wieder rund 20 Prozent Energie verloren.

Die hohen Energieverluste sind das große Problem der Wasserstoffnutzung.
Ohne die fossilen Brennstoffe verfügt die Menschheit über kein unendliches
energetisches Füllhorn mehr. Die erneuerbaren Energien liegen, anders als
Kohle, Öl oder Erdgas, nicht in einfach abzubauenden großen Lagerstätten
vor. Sondern sie müssen mit hohem technischem Aufwand durch Solaranlagen und
Windkraftwerke kleinteilig eingesammelt werden.

Wir müssen daher mit Energie und insbesondere mit dem nur verlustreich
herstellbaren Wasserstoff sehr sparsam umgehen und dürfen ihn nur gezielt
einsetzen. Diese Position vertritt auch das Potsdamer Institut für
Klimafolgenforschung (PIK). In einer Studie des PIK vermerkt ein Autor: «Wir
sollten daher die wertvollen wasserstoffbasierten Brennstoffe prioritär für
diejenigen Anwendungen einsetzen, für die sie unverzichtbar sind: die
Langstreckenflüge, Teile der chemischen Produktion, Stahlerzeugung und
möglicherweise einige industrielle Hochtemperaturprozesse.» Also vor allem
Sektoren, die kaum direkt elektrifiziert werden können.

Aber was ist mit dem Einsatz von Wasserstoff im automobilen Pkw-Bereich?
Macht das Sinn?

Die wichtigste Technologie, um Wasserstoff im Mobilitätssektor zu nutzen,
ist die Brennstoffzelle. Wenn man ihr H2 zuführt, kann sie damit
elektrischen Strom erzeugen. Der Strom kann dazu genutzt werden, um
Fahrzeuge mit einem Elektromotor anzutreiben.

Das Verfahren hat allerdings einen kleinen Schönheitsfehler: Auch bei der
Brennstoffzelle entstehen erneut Energieverluste von rund 30 Prozent. Dazu
kommen noch Wandlungsverluste des erzeugten Stroms. Zusammen mit den
Verlusten durch die vorherige Elektrolyse und die Verflüssigung des
Wasserstoffs kommt ein automobiler Brennstoffzellenantrieb auf energetische
Gesamtverluste von bis zu 70 Prozent. Das heißt, von dem elektrischen Strom,
den man vorne reinsteckt, kann man am Ende des Prozesses nur wenig über 30
Prozent nutzen.

Würden wir alle heutigen Pkw in Deutschland mit Brennstoffzellen antreiben,
bräuchten wir dafür 553 Terawattstunden (TWh) Strom. Das wäre mehr als der
gesamte hierzulande erzeugte Strom, denn der lag 2019 bei 519 TWh. Zum
Vergleich: Würden alle heutigen Pkw mit Batteriebetrieb ausgerüstet, läge
deren Energieverbrauch für die gleiche Fahrleistung bei «nur» 126 TWh. Das
wäre auch noch sehr viel, aber dennoch nur 23 Prozent von dem, was ein
Brennstoffzellen-Pkw verbraucht.

Fürs Auto untauglich

In dieser Rechnung ist bisher nur der Verbrauch der Autos im Betrieb
berücksichtigt, nicht der Energieaufwand für die Herstellung der Fahrzeuge,
der Batterien und der Brennstoffzellen. Auch der Verbrauch knapper
Ressourcen (Lithium, Kobalt, Kupfer, Platin, seltene Erden und
Halbleitermaterialien) ist in der Betrachtung nicht eingeschlossen. Dazu
kommt, dass auch elektrische Batteriefahrzeuge auf Öl angewiesen sind, denn
Autos bestehen zu 15-20 Gewichtsprozenten aus Kunststoffen (die gesamte
Innenausstattung und die Reifen). Nach dem Lebensende eines Autos wird alles
verbrannt und es werden Treibhausgase freigesetzt.
Angesichts einer prognostizierten Zunahme der weltweiten Autozahl bis 2050
auf über 3 Milliarden kann das nicht mehr vernachlässigt werden.

Wird dies alles berücksichtigt, kann die Schlussfolgerung nur lauten: Wir
müssen den überbordenden Pkw-Individualverkehr unvermeidlich aufgeben.

Sicherlich werden auch in Zukunft noch Autos benötigt werden, aber deren
Anzahl kann gegenüber heute massiv reduziert werden. Wir brauchen sie z.B.
als Krankenwagen, kleine Lieferfahrzeuge, Handwerkerfahrzeuge oder
Leihwagen. Für ländliche Gemeinden, die vom öffentlichen Verkehr
abgeschnitten sind, brauchen wir auch Kleinbusse und Pkw, damit die dort
Wohnenden flexibel zu ihren Arbeitsstellen, zum Einkaufen oder in ein
größeres ärztliches Zentrum kommen.
Welcher Autotyp wäre dafür einzusetzen? Aus energetischen Gründen eher
Batteriefahrzeuge als Brennstoffzellenautos.

Für Lkw gut?

Anders verhält es sich mit Lkw oder mit großen Bussen. Die Gesamtenergie,
die ein Lkw pro Kilometer verbraucht, ist etwa zehnmal so hoch wie bei einem
Pkw. Das Batteriegewicht bei einem derartigen Fahrzeug läge bei mehreren
Tonnen. Ein 40-Tonner-Lkw würde beispielsweise 4 bis 5 Tonnen schwere
Batterien benötigen. Man müsste fast schon einen Anhänger an das Fahrzeug
hängen, nur um die Batterien zu transportieren.

Ein Brennstoffzellenmodul ist dagegen sehr viel platz- und gewichtsparender.
Es würde bei einem 40-Tonner bei ungefähr einer Tonne Gewicht liegen. Das
liegt durchaus schon in der Größenordnung heutiger Verbrennungsmotoren.

Ein weiterer Vorteil: Das Tanken würde schneller gehen, vielleicht 10 bis 15
Minuten dauern. Das Laden einer sehr großen Lithium-Ionen-Batterie würde
dagegen nicht nur sehr lange dauern, man bräuchte für die erforderlichen
Strommengen auch fast schon ein kleines Kraftwerk neben der Tankstelle.
Zahlreiche Studien belegen, dass die Brennstoffzelle für große Lkw und Busse
die bessere Option ist.

Allerdings sind Lkw wahre Energiefresser. Sie stehen heute für rund ein
Drittel des Treibstoffverbrauchs. Mit Wasserstoff angetrieben, würden sie
noch mehr Energie fressen.

Nicht zuletzt deswegen muss die Zahl der Lkw deutlich reduziert werden. Das
kann erreicht werden durch einen wirtschaftlichen Rückbau (weniger Chemie-,
Stahl- und Autoproduktion), durch die Abkehr von einer
Just-in-Time-Produktion hin zu einer lokal und regional optimierten
Produktion, die Industrieprodukte nicht mehr quer über alle Kontinente
transportiert. Dazu muss eine Verlagerung von Mittel- und
Langstreckentransporte insbesondere auf die Schiene stattfinden.

Erneuerbarer Strom ist endlich

Neben dem Batterieantrieb und der Brennstoffzelle sind noch synthetische
Kraftstoffe (E-Fuels) in der Diskussion. Sie können hergestellt werden,
indem Wasserstoff zusammen mit kohlenstoffhaltigen biogenen Rohstoffen
(Holz, Stroh, Mais usw.) zu synthetischen flüssigen Kraftstoffen
weiterverarbeitet wird. Sie können in normalen Verbrennungsmotoren
eingesetzt und wie heutiges Benzin an den Tankstellen gezapft werden.

Doch die Umwandlungsverluste bei der Herstellung und Nutzung von E-Fuels in
einem Verbrennungsmotor sind extrem hoch. Dabei entstehen Energieverluste
von 87 Prozent. Ein Auto mit Verbrennungsmotor und E-Fuels braucht für die
gleiche Strecke rund fünfmal so viel erneuerbaren Strom wie ein
batteriebetriebenes Elektroauto. Wollte man alle heutigen Pkw und Lkw in
Deutschland mit synthetischen Treibstoffen betreiben, würde man dafür 1100
TWh erneuerbaren Strom benötigen.

Außer diesem wahnwitzig hohen Stromverbrauch bleibt zudem völlig unklar,
woher die Biostoffe für die Karbonisierung des Treibstoffs kommen sollen.
Trotzdem propagieren Teile der Autolobby diese Technologie für den
Automobilsektor. Insbesondere BMW, Bosch und der VDA wollen die
synthetischen Kraftstoffe als mögliche Alternative offenhalten.

Die E-Fuel-Befürworter sprechen dabei von «Technologieoffenheit» für die
automobilen Antriebslösungen. In Wahrheit ist dies ein Kampfbegriff, hinter
dem die Verbrennertechnologie versteckt wird. Denn Hersteller, die vorgeben,
dass sie auf synthetische Kraftstoffe setzen, können real ihre schmutzigen
Verbrenner weiter produzieren und damit das Weltklima erheblich schädigen.
Schließlich winken hier weiterhin große Absatzmärkte und satte Profite.

Bei allen Bewertungen müssen wir berücksichtigen, dass wir nur begrenzt
erneuerbaren Strom zur Verfügung haben. Wir brauchen ihn vor allem für warme
Häuser und Warmwasser. Dazu noch für die sparsame Herstellung von
Wasserstoff.

Den benötigen wir dann in einer verkleinerten Chemie- und Stahlindustrie, in
einer reduzierten Lkw-Flotte und in einem deutlich kleineren Schiffs- und
Flugzeugsektor. Strom und Wasserstoff hemmungslos für einen ausufernden
Auto-Individualverkehr zu verpulvern, steht dagegen in krassem Gegensatz zu
jeder gesellschaftlichen Verantwortung.
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