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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 16. September 2021; 00:53
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Justiz:
> Abschreckendes Beispiel Julian H.
Strafverfolgung darf nicht zur Einschränkung der Meinungsfreiheit führen,
betont ein Protestbrief von Epicenter.Works und anderen NGOs
*
Anlässlich der Prozesseröffnung gegen den Sicherheitsberater Julian
Hessenthaler, der maßgeblich an der Produktion des Ibiza-Videos beteiligt
war, zeigen sich 15 österreichische und internationale
Menschenrechtsorganisationen besorgt darüber, dass dessen ausufernde
Strafverfolgung - ganz bewusst - einen abschreckenden Effekt auf zukünftige
Aufdecker*innen und die Ausübung der Meinungs-, Presse- und
Informationsfreiheit in Österreich haben könnte. Julian Hessenthaler sitzt
seit Ende 2020 in Auslieferungs- bzw. Untersuchungshaft, da ihm Drogen- und
Urkundendelikte vorgeworfen werden. Expert*innen u.a. von epicenter.works
sowie der renommierte Menschenrechtsprofessor Manfred Nowak haben den Fall
analysiert und äußern erhebliche Bedenken, dass die Ermittlungen auf teils
konstruierten Vorwürfen basieren, die dazu genutzt wurden, den Aufdecker zu
diskreditieren und seiner Person habhaft zu werden.
Verfolgung in und durch ganz Europa
Die Strafverfolgung von Julian Hessenthaler liest sich ein wenig wie ein
dramatischer Krimi: Ausgehend von dem Vorwurf der versuchten Erpressung von
HC Strache und Johann Gudenus im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video wurde
Julian Hessenthaler über mehrere Monate in verschiedenen EU-Ländern gesucht.
Obwohl der ursprüngliche Tatvorwurf letztendlich gar nicht zu einer Anklage
führte, wurde darauf basierend seine Festnahme angeordnet, ein europäischer
Haftbefehl erlassen und Julian Hessenthaler quer durch Europa verfolgt.
Dabei wurden folgende europäische Ermittlungsanordnungen der Reihe nach
durchgeführt: Kontoöffnungen, Hausdurchsuchungen, Einsatz von IMSI-Catchern
zur telefonischen Überwachung, Funkzellenauswertungen und das Abfragen von
Passagierlisten (PNR) von Flügen, auf denen sich Beschuldigte oder auch
Johann Gudenus von 01.01.2017 bis 17.05.2019 befunden haben. Die
Ermittlungen umfassten auch Funkzellenauswertungen rund um die Kanzlei des
Berliner Rechtsanwalts von Julian Hessenthaler, Server-Beschlagnahmungen und
Zielfahndungen nach den von Julian Hessenthaler genutzten Fahrzeugen über
mehrere Länder hinweg. Personen in seiner Nähe wurden observiert oder deren
Telefone überwacht. Das klare Ziel lautete, den Macher des Ibiza-Videos
ausfindig zu machen sowie dessen Verhaftung und Auslieferung nach Österreich
zu erzielen.
Versäumnisse der Behörden und politische Einflussnahme auf die Ermittlungen
Ob Julian Hessenthaler die ihm nun vorgeworfenen Urkundenfälschungs- und
Drogendelikte begangen hat, muss von einem Gericht geklärt werden. Die
enorme Intensität, der Mittelaufwand und die Eingriffstiefe, mit der die
Ermittlungen gegen Julian Hessenthaler, für den nach wie vor die
Unschuldsvermutung gilt, geführt wurden, sind jedoch beachtlich. Wären die
österreichischen Behörden schon 2015 den Hinweisen des Rechtsanwalts M. in
Bezug auf die Korrumpierung Straches so intensiv nachgegangen wie die
Ermittlungen gegen Julian Hessenthaler geführt wurden, hätte sich jede
Notwendigkeit für ein Ibiza-Video erübrigt. Auch die im
Untersuchungsausschuss bekannt gewordene polizeiliche Ressourcenverteilung
gibt Anlass zur Sorge, dass es eine politische Einflussnahme auf die
Ermittlungen gab: Von über 20 SOKO-Mitgliedern ermittelten siebzehn gegen
Julian Hessenthaler und nur drei für die Wirtschafts- und
Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Strache.
Die Expert*innen der Menschenrechtsorganisationen, die sich mit dem Fall
beschäftigten, sind sich einig: Die besondere Motivation hinter der
Verfolgung des Julian Hessenthaler sendet ein problematisches Signal an alle
Aufdecker*innen und Whistleblower*innen.
EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblower*innen
Vor dem Hintergrund des Falles appellieren nun die Expert*innen an den
Staat: Die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden muss objektiv und
parteiunabhängig erfolgen. Schon der Anschein der politischen Einflussnahme
auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden birgt eine Gefahr für den
Rechtsstaat. Bis Ende 2021 hat Österreich Zeit, die EU-Richtlinie zum Schutz
von Whistleblower*innen umzusetzen. Bei diesem wichtigen Projekt muss
besonders acht auf den Schutz von Hinweisgeber*innen gelegt werden.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat nach der Veröffentlichung des
Ibiza-Videos gesagt: "So sind wir nicht". Das bedeutet aber auch: Wir
brauchen einen transparenten Staat, unabhängige Strafverfolgungsbehörden und
mehr Schutz für jene Menschen, die Missstände aufdecken.
(Statement gekürzt)
Unterstützende Organisationen: epicenter.works, Amnesty International
Österreich, ARTICLE 19, Blueprint for Free Speech, Whistleblowing
International Network, The Centre for Investigative Journalism, Global
Leaks, Civil Liberties Union for Europe (Liberties), Wiener Forum für
Demokratie und Menschenrechte, Electronic Frontier Foundation (EFF), X-net,
Centre for Research in Employment and Work, University of Greenwich, Campax
Switzerland, Citizen D, Reporter ohne Grenzen (RSF)
Hintergrundpapier über den Ablauf des bisherigen Verfahrens:
https://epicenter.works/document/3541
Um der interessierten Öffentlichkeit zu ermöglichen sich selbst ein Bild
über die bisherige Strafverfolgung zu machen, veröffentlicht epicenter.works
geschwärzte Teile (442 Seiten) des Gerichtsakts:
https://epicenter.works/document/3540.
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