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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 7. Juli 2021; 20:16
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  VERWORTET:
  
  > "Oida!"
  
  "Oida" sagt man nicht! Nein, es geht nicht um die Polizistengeschichte.
  Sondern darum: "Oida!" kann man mittlerweile beinahe als "verbrannt"
  ansehen. Wenn man sich anschaut, wie die Republik und vor allem die Stadt
  versuchen, sich amikal unter Verwendung von Dialekt an die Bevölkerung
  anzubiedern, kommt einem das Kotzen. Da darf man sich zuerst in den
  Corona-Kampagnen vom Staat duzen lassen und dann so Sachen lesen wie: "Hau
  di üba'd Häuser, Corona!" Beim Presse- und Informationsdienst heißt das dann
  als Erklärung: "Respektvoll und zugleich mit einer angemessenen Portion
  Augenzwinkern möchten wir die Wiener damit ermutigen, sich mit der Impfung
  den nun langsam wiederkehrenden Alltag nicht mehr nehmen zu lassen."
  
  Ahja. "Oida!" hats ihnen da aber besonders angetan. Das soll ein Akronym
  sein für "Obstand hoidn - Imma d'Händ' woschn - Daham bleiben - A Maskn
  aufsetzn!" Aber derlei geht auch ohne Umdeuten und auch ohne Corona. Jüngst
  postete die Gemeinde Wien ein Sujet, daß man sich doch gesund ernähren solle
  und mehr Gemüse essen -- und dazu völlig ohne Zusammenhang: "#OIDA!"
  
  Was soll das? Oder besser: "Herts, gehts no?"
  
  Auch die Fremdenverkehrswerbung bemüht sich schon seit längerem darum, das
  Wienerische irgendwie dazu nutzen zu wollen, die Stadt wieder vor allem für
  deutsche Touristen attraktiv zu machen. Wenn jetzt tatsächlich jemand zum
  Würstelstand geht und meint: "A Eitrige mit an Bugel und an Gschissenen und
  a Krokodü", kann man nur mehr wie einst Reinhard Mey singen: "Guckmal, ach
  ne, sieh mal da, Mann aus Alemania!" Weil ein echter Wiener würde das wohl
  früher so kaum gesagt haben -- und heute sicher gar nimmer, seit das eben in
  Fremdenführern steht.
  
  Auch "16er-Blech" wird kaum mehr verwendet -- seit es die Ottakringer
  Brauerei selbst verbreitet. Und das noch dazu falsch, resultierend aus
  völliger Unfähigkeit, zu verstehen, wie Dialekt-Scherzkonstruktionen
  funktionieren: Ein "Blech" ist selbstverständlich keine einzelne Dose -- wo
  bliebe da der Witz? -- sondern eine Palette Dosen, analog zum Backblech.
  
  Das Wienerische ist sowieso am Verschwinden -- jetzt wird es wieder
  hervorgeholt von medial wirkmächtigen Institutionen wie dem Staat oder
  Konzernen, zum Teil zum Einschleimen, zum Teil um der Stadtkultur eine
  gewisse Exotik zu verleihen, die eben für deutschsprechende Nichtwiener
  attraktiv ist oder zumindest erscheinen soll.
  
  Viel ist jetzt von "cultural appropriation", also "kultureller Aneignung"
  die Rede und meistens ist das ein aufgesetzter Topfen, weil es da um so
  brennende Fragen geht wie etwa, ob denn eine "Pizza Hawaii" politisch
  korrekt sei oder ob weisse Männer Dreadlocks tragen dürfen. Wenn es aber
  darum geht, gewachsene Kultur ökonomisch und politisch zu verwerten oder
  damit sich einzuweimpern beim "einfachen Volk", regt sich niemand auf. Das
  liegt vielleicht auch daran, daß unter den Bobos, die immer so politisch
  korrekt sind, halt auch eine Menge "kreativer" Werbefuzzis sind, die diese
  tatsächliche Ausbeutung und durch Pervertierung auch Zerstörung von
  Kultur -- die nur noch von der an sich sowieso verachteten Unterschicht
  gepflegt wird -- mit Wonne betreiben und dann eben von "einer angemessenen
  Portion Augenzwinkern" faseln.
  
  Wie komme ich dazu, daß ich jedesmal, wenn ich mir denke "Oida!", und das
  ist oft, vorkomme wie ein Abziehbild oder wie ein Afrikaner im
  Bambusröckchen?
  
  Der Staat und das Kapital sind nicht meine Freunde und schon gar nicht meine
  Haberer! Wenn diese Pappenheimer "respektvoll" mit mir umgehen wollen, dann
  sollen sie sich der Hochsprache bedienen und mich mit "Sie" ansprechen.
  
  Aber wißts wos? LmaA!
  
  *Mario Czerny*
  
  
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