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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 24. Juni 2021; 06:09
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  Ö/Demokratie:
  
  > Zwei grüne Parteitage
  
  Bund und Land hielten ihre Versammlungen ab -- überrascht durfte man über
  deren Verläufe nicht sein
  
  
  Das positive vorweg: Für den grünen Bundeskongreß am 13.Juni wurde eine sehr
  faire Medienstrategie gewählt -- die erste Hälfte der Veranstaltung, also
  den Feierevent, ließ man den ORF mitfilmen und auf der Tvthek streamen, den
  gesamten Parteitag konnte man aber komplett auf Youtube mitverfolgen. Damit
  wurde vermieden, daß ein allzustarker medialer Druck auf die Delegierten
  entsteht, dennoch aber für wirklich interessierte Transparenz gewährleistet
  war. Das war zwar nicht von Anfang an so geplant, aber es war eine wirklich
  gute Lösung.
  
  Allerdings wurde es gleich nach der Begrüßung eher peinlich, weil der Einzug
  der Parteispitzen wie eine der Gladiatoren erfolgte, aber erst, bis sich
  alle brav niedergesetzt haben, wegen Corona nämlich. Dann durften aber
  prompt alle wieder aufstehen, weil Standing Ovations halt nicht im Sitzen
  machbar sind.
  
  Danach folgte bald eine Wahlkampfrede von Stefan Kaineder, dem Nachfolger
  von Rudi Anschober in der oberösterreichischen Landespolitik, der in
  romantischer Verklärung seine Kindheit auf einem Mühlviertler Bauernhof
  schilderte und der Wiederaufbaugeneration seiner Großeltern huldigte, wo man
  meinen konnte, man wäre auf einem ÖVP-Landesparteitag. Inhaltlich hatte er
  nur ein Thema, natürlich den Klimawandel, und machte daraus eine
  Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede, wie schwer doch die kommenden Aufgaben im
  nächsten Vierteljahrhundert sein werden um den Planeten oder zumindest
  Oberösterreich zu retten.
  
  Es kam sodann zur üblichen einstündige Kogler-Show, des Inhalts, wie
  segensreich doch das Wirken der Grünen in der Regierung sei, auch wenn die
  böse ÖVP ständig alles torpediere. In weiterer Folge durften dann auch die
  anderen Spitzen auf die Bühne, damit die auch sich ein bisserl
  selbstbeweihräuchern durften -- inclusive der beiden eingewechselten
  Regierungsmitglieder Mayer und Mückstein, die ja noch einer formalen
  Bestätigung bedurften.
  
  Danach kam der Leitantrag mit dem überaus aussagekräftigen Titel "Unser
  historischer Auftrag -- Neue Wege statt altem Denken". Ein paar Rednerinnen
  und Redner durften dann noch begeistert sein, bis der Wiener Gemeinderat
  Martin Margulies die Stimmung versaute, als er meinte, daß es zwar sehr
  wichtig sei den Kohlendioxid-Ausstoß zu begrenzen, aber ihm ist das "zu
  wenig". Denn: "Momentan ist es so, daß der globale Wettbewerb täglich neu in
  Wirklichkeit die Welt zerstört. Und wir müssen alternative Modelle finden,
  die nicht nur auf die Umwelt und auf den Treibhauseffekt Einfluß haben, wir
  müssen verhindern, daß diese Welt sozial zerstört wird. ... Darauf wollte
  ich nur hinweisen, weil ich glaube, daß das in diesem Leitantrag einen Hauch
  zu kurz kommt." Den drei Mitgliedern des Parteitagspräsidiums, die vorher
  immer versuchten, Jubelstimmung zu erzeugen, war danach ins Gesicht
  geschrieben, wie wenig sie dieses Statement jetzt gebraucht hätten.
  
  Dann noch ein paar Anträge, die problemlos beschlossen wurden, bis es bei
  dem Beschluß, keine Landesbasisvertreter mehr in den Erweiterten
  Bundesvorstand zu schicken, zu den ersten Breseln kam. Aber immerhin der
  Antrag ging durch. Nicht mehr durch ging allerdings nach langer Debatte und
  ständigen Mahnungen durch das Präsidium, sich kurz zu halten, der Beschluß,
  den Bundeskongreß zu entmachten bei der Vorsitzwahl und der Bestimmung der
  Bundesliste. (Siehe prinzipiellere Analyse "Das Führerprinzip" in dieser
  Ausgabe)
  
  
  Nach diesem Frusterlebnis der Statutenkommission -- Jennifer Kickert gab die
  empörte Gouvernante, die doch alles für ihre Kinderchen gegeben hätte, aber
  Undank eben der Welten Lohn sei -- kamen jene inhaltlichen Anträge, die
  nicht von oben erfunden worden waren.
  
  Und hier wurde natürlich erst recht die Zeit knapp. Wie schon beim
  Koalitionsparteitag 2020 war es auch diesmal so, daß zuerst die
  Parteispitzen sich elendslang ausbreiten konnten, sodaß dann für die
  Diskussion der echten Basisdelegierten kaum mehr Zeit war. Man bemühte sich
  im Präsidium, die Ordnungsrufe bzgl. Redezeitbeschränkung möglichst
  liebevoll-demokratisch zu gestalten, aber es blieb dennoch autoritär. Bei
  einer Alev Korun allerdings scheiterte Diskussionsleiter Georg Prack, denn
  die ließ sich bei den inhaltlichen Resolutionen nicht mehr den Mund
  verbieten. Da ging es um zwei Anträge, einerseits einer Forderung an die
  Regierungsmitglieder, doch gefälligst gegen die ÖVP auf ein
  menschenfreundliches Staatsbürgerschaftsrecht hinzuarbeiten, andererseits
  das Bleiberecht zu humanisieren und die Abschiebungen speziell nach
  Afghanistan zu stoppen. Am Schönsten war allerdings das Statement von Zerife
  Yatkin zu den Abschiebungen, die ihre empörte Rede direkt an Werner Kogler
  adressierte, daß sie mittlerweile auch gegen die Grünen demonstrieren gehe,
  weil diese sie so etwas zuließen -- mit dem abschließenden Worten: "No
  pasaran!"
  
  Diese doch sehr gegen die Regierungsmitglieder gerichteten Resolutionen
  gingen zumeist ohne Gegenstimmen durch -- die Angesprochenen waren froh,
  wenn sie nicht dazu gezwungen waren, ihre Haltung irgendwie rechtfertigen zu
  müssen.
  
  Abschließend durfte der große Vorsitzende mit leicht säuerlichem Lächeln
  verkünden, daß es bei den Grünen ja im Gegensatz zu anderen Parteien doch
  noch sowas wie interne Demokratie gäbe -- natürlich im Wissen, wie wurscht
  es ist, was da beschlossen worden ist.
  
  
  Der zweite grüne Parteitag war hingegen noch mehr ein Abgesang an
  demokratische Zustände, nämlich die Wiener Landesversammlung eine Woche
  darauf. Die veranstaltete man sicherheitshalber nicht live, sondern wieder
  online -- weil man sich bei der Vorbereitung nicht sicher gewesen sei, ob
  das coronamäßig überhaupt ginge, war verlautbart worden. Man fragt sich
  allerdings schon, warum das beim vorher stattgefundenen Buko sehr wohl
  möglich gewesen ist. Denn vielleicht hatte es auch einen anderen Grund,
  schließlich gab es da ja auch keinen Stream, bei dem Außenstehende zuhören
  durften.
  
  Waren es nicht auch die Grünen, die sich darüber beschwert hatten, daß
  Thomas Schmid nicht nur den ÖBAG-Aufsichtsrat nominierte, sondern auch sich
  selbst eine paßgenaue Ausschreibung für den Chef-Posten geschrieben hatte?
  Nun, so ähnlich läuft das jetzt bei den Wiener Grünen ab, die Statuten
  beschlossen habe, wonach es in Hinkunft zwei Vorsitzende zu geben habe,
  wovon einer eine Frau sein müsse -- da ist es schon auffällig, daß alle
  wissen, daß das wohl nur die zwei nicht-amtsführenden Stadtsenatsmitglieder
  sein können, die dafür gesorgt hatten, daß die eigentlich zur Wahl gestanden
  habende Spitzenkandidatin und Kurzzeitobfrau aus dem Klub geekelt worden
  ist.
  
  Ja, da kann man verstehen, warum man sowas nicht für die Öffentlichkeit
  aufzeichnen will.
  
  
  Summa summarum: Die Grünen sind -- nicht erst seit Kurzem -- zur
  Normalpartei geworden, wenn es darin auch noch ein paar Leute gibt, die das
  nicht wahrhaben wollen. Das ist allerdings bei der SPÖ auch nicht anders.
  
  *Bernhard Redl*
  
  
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