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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 10. Juni 2021; 08:42
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  Religiöses:
  
  > Die christliche Rechte im Aufwind
  
  Politisch-religiöse Netzwerke sind nicht immer unbedingt muslimisch
  
  
  Gerade haben wir von der ÖVP erfahren dürfen, wie interessant doch die
  muslimischen Netzwerke in Österreich sind. So sehr, daß man da gleich eine
  Karte anfertigen lassen mußte. Da kam dann bei vielen auch die Idee auf, man
  könnte doch auch eine solche Karte über das Christentum erstellen -- genauso
  neutral und ohne jede Vorverurteilung wie bei der Islamlandkarte.
  
  Für eine solche Landkarte haben schon andere ordentlich Vorarbeit gemacht.
  Da gibt es einen Text der deutschen Gruppe *Arbeiterstimme*, der eigentlich
  vom politischen Katholizismus in Deutschland ausgegangen ist, dann aber aus
  naheliegenden Gründen den Focus auf Österreich legen mußte.
  
  Mit freundlicher Genehmigung der Arbeiterstimme bringen wir diesen Text
  leicht gekürzt in der akin und hoffen sehr, daß er eben kein allzu
  schlechtes und verallgemeinerndes Bild über die christlichen Netzwerke in
  Österreich hervorruft:
  
  *
  
  Was macht ein bayerischer Ministerpräsident, wenn er merkt, dass die Lage
  brenzlig wird und er mit seiner Regierung angesichts der entstandenen
  Probleme ziemlich nackt dasteht? Man wird's kaum glauben, er wird fromm. So
  geschehen im April letzten Jahres. Die Pandemie hat auch Bayern fest im
  Griff. Man hat's versemmelt. Kaum Masken, zu wenig Schutzkleidung. Das Virus
  kann sich weitgehend ungehemmt ausbreiten. Die hektischen Maßnahmen halten
  es nicht auf.
  
  In dieser Situation kann nur noch Hilfe von ganz oben kommen. Schnell wird
  ein Bitt-Event organisiert. Nach den Plänen der Organisatoren soll es die
  größte Gebetsaktion werden, die Deutschland je gesehen hat. Als Schirmherr
  stellt sich kein geringerer als der bayerische Ministerpräsident Markus
  Söder zur Verfügung. Eine ungewohnte Rolle für einen, der sich bisher als
  "harter Hund" gefiel. Der fromme Söder, Wolf im Schafspelz? Söder sieht das
  anders: "Gemeinsam zu beten, verbindet über die Konfessionen, über die
  Religionen hinweg. Das Unterhaken im Glauben, das Bekenntnis zu den Werten
  des Glaubens, zu der Menschlichkeit, aber auch zur Göttlichkeit, ist das,
  was uns alle verbindet..." und dann wird er noch persönlich:"Ich bete jeden
  Tag. Ich bete eigentlich immer." Kein Wunder, dass es für ihn mit diesem
  Bekenntnis im Ranking der Kanzlerkandidaten schnell aufwärts ging. An der
  Aktion "Deutschland betet gemeinsam" sollen sich laut Veranstalter über eine
  halbe Million Menschen beteiligt haben. Der Unterstützerkreis umfasste
  viele, die man in diesem Land kennt. Die Bundesministerin Julia Klöckner,
  Abgeordnete fast aller Parteien, Bischöfe, Prominente aus dem Showgeschäft
  bis zu Samuel Rösch, Sänger, Gewinner von "The Voice of Germany".
  
  Linke mögen derartige Vorgänge belächeln. Es lohnt sich aber, genauer
  hinzuschauen. Während einerseits Parteien, Gewerkschaften und Großkirchen
  seit Jahrzehnten an Bindungskraft einbüßen, entwickelt sich eine Bewegung
  mit neuer, erheblicher Anziehung. Sie ist konservativ bis reaktionär und in
  Teilen nach ganz rechts offen. Schlauere Teile dieser Bewegung geben sich
  nach außen unpolitisch, nur religiös. Wer die organisierenden Personen aber
  genauer unter die Lupe nimmt, wird sofort Zusammenhänge erkennen, die weit
  über das Religiöse hinausreichen.
  
  Hartls "Unternehmen" in Augsburg
  
  Herausragendes Zentrum der neuen Bewegung ist das Gebetshaus Augsburg mit
  seinem Leiter (Leader) Dr. Johannes Hartl, der auch die Aktion "Deutschland
  betet gemeinsam" ins Leben gerufen und organisatorisch umgesetzt hat. Er ist
  ein katholischer Laientheologe, der u.a. in den USA bei den Evangelikalen
  das Rüstzeug erworben hat.
  
  Hartls Augsburger "Unternehmen" beschäftigt etwa 50 Hauptamtliche und 100
  Ehrenamtliche. Die Hauptamtlichen werden zumeist über Spenden finanziert.
  Seine "Mitarbeiter" bezeichnen sich als Jünger. Einer von ihnen, Simon G.,
  ein sog. Gebetsleiter, stellt sich wie folgt vor:"Ich liebe es Reich Gottes
  und unternehmerisches Denken zu vereinen.". Seit 2011 wird ununterbrochen 24
  Stunden gebetet ("We pray day and night."). Höhepunkte sind seit Jahren die
  sog. ökumenischen MEHR-Konferenzen unter seiner Anleitung, zuletzt im Januar
  2020 in der Messe Augsburg mit 12.000 Teilnehmenden, vorwiegend Jugendliche.
  
  Worin besteht das Erfolgsmodell von Hartl? Um es kurz zusammenzufassen: Er
  weiß, wie man Massen mit Sprache und Gefühlen fesseln und lenken kann. Dabei
  vermeidet er es, zu konkret zu werden. "Gott ist gut" und "Gott bzw. Jesus
  ist der Herr" sind zwei Standardformulierungen in seinen Vorträgen. Er
  vermeidet Aussagen, die im konservativen christlichen Spektrum umstritten
  sind und spaltend wirken könnten. Als Charismatiker zielt er ab auf eine
  konfessionsübergreifende Strömung, die als Gegenbewegung zur Aufklärung
  entstanden ist und sich wertkonservativ definiert. Da wird nicht über
  unterschiedliche Standpunkte diskutiert. Auch die Arbeitswelt wird
  ausgeklammert. Wer ununterbrochen dabei ist, Jesus mit Lobpreis für sich
  einzunehmen, ist ausreichend beschäftigt. Neben seiner Tätigkeit in Augsburg
  ist Hartl noch Dozent für Neuevangelisierung und Mitglied des Instituts für
  Spirituelle Theologie und Religionswissenschaft an der
  Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz. Dort tritt er häufig
  auf. Bei einer Tagung im Januar dieses Jahres referierte er zum Thema:
  "Brennen, um für Jesus zu entzünden. Praxistipps für Brandstifter." Trotz
  der Wortwahl kein Grund für den Staatsschutz, aktiv zu werden. Man weiß, wie
  es bei Hartl und Co. gemeint ist.
  
  Ein Zisterzienserstift als Zentrum
  
  Wer immer sich mit dem katholischen Fundamentalismus beschäftigt, stößt sehr
  schnell auf das Stift Heiligenkreuz. Ein Stift ist ein Kloster.
  Heiligenkreuz liegt 15 km westlich von Wien, inmitten des herrlichen
  Wienerwalds. Im Unterschied zu anderen katholischen Klöstern, die vorwiegend
  mit Zusammenlegung und Auflösung beschäftigt sind, haben die Zisterzienser
  in diesem Stift diese Probleme nicht. Mit etwa 90 Mönchen und einem ziemlich
  günstigen Altersdurchschnitt sind sie gut aufgestellt. Es lohnt sich, einen
  genaueren Blick auf Heiligenkreuz zu werfen, weil hier viele Fäden
  zusammenlaufen. So werden freiwerdende Bischofsstühle in Österreich gern mit
  Personen besetzt, die einen engen Bezug zu Heiligenkreuz haben. Hier ist
  eine Philosophisch-Theologische Hochschule angesiedelt, die nicht zufällig
  den Beinamen Benedikt XVI. trägt. Sie ist stolz darauf, die größte
  Priesterausbildungsstätte im deutschen Sprachraum zu sein. Die aktuell 323
  Studierenden kommen zu jeweils einem Drittel aus Österreich, aus Deutschland
  und das letzte Drittel aus vielen Ländern der Welt. Nur 58 davon sind
  Frauen.
  
  Das Stift kann sich sehen lassen. Es besteht aus einem beeindruckenden
  Gebäudekomplex, dessen Finanzierung nicht ohne erhebliche Geldzuflüsse
  möglich wäre. Heiligenkreuz hat einflussreiche Freunde und natürlich auch
  Freundinnen, die sich sehr großzügig zeigen. Nehmen wir nur seine
  Durchlaucht Hans-Adam II. Fürst von und zu Liechtenstein, Herzog von Troppau
  und Jägerndorf, Graf zu Rietberg, Regierer des Hauses von und zu
  Liechtenstein und seine Gemahlin Marie. Beide sind Ehrensenatoren der
  Hochschule. Sie verfügen über Wald- und Schlossbesitz auch in der Umgebung.
  
  Das Stift hatte bis vor wenigen Jahren einen Abt, der über beste
  Verbindungen verfügt, einen Henckel von Donnersmarck. Die Adelsfamilie
  Henckel von Donnersmarck war durch Handel und Bergbau in Oberschlesien zu
  großem Reichtum gekommen. Vor seinem Klostereintritt war Ulrich Maria Karl
  Graf Henckel von Donnersmarck als Diplomkaufmann Geschäftsführer der
  Speditionsfirma Schenker & Co. in Barcelona.
  
  In einer Kontroverse mit der Theologischen Fakultät der Universität Wien,
  grenzte er die Tendenz seiner Hochschule als "knieende Theologie" ab. Was
  die Lage Europas anbelangt, sieht er sie pessimistisch: "Der Europäer hat
  sich durch Verhütung, Abtreibung, Ehescheidung, Gleichberechtigung anderer
  sexueller Lebensformen tatsächlich in einen Suizid gestürzt." Äußerungen
  dieser Qualität, für die der gebürtige Graf bekannt ist, machen ihn auch
  nach seiner Demissionierung zu einem begehrten Referenten bei hochkarätigen
  Anlässen.
  
  Heiligenkreuz sieht sich nicht nur als eine Institution, die sich mit
  religiösen Fragen beschäftigt. Hier werden gesellschaftspolitische
  Entwicklungen beobachtet, analysiert und konkrete Handlungsmuster
  entwickelt. Die Dozenten an der Hochschule prägen den Geist von
  Heiligenkreuz. So zum Beispiel, die in extrem konservativen Kreisen
  hochgeschätzte Professorin Gerl-Falkovitz, über die in der Online-Ausgabe
  der katholischen Wochenzeitung Tagespost zu lesen war: "Unermüdlich
  schreibend und vortragend ist Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz wie ein
  Leuchtfeuer im Nebel der postmodernen Landschaft." Seit 2011 leitet die
  Philosophin an der "Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI.
  Heiligenkreuz" das "Europäische Institut für Philosophie und Religion"
  (EUPHRat). Frau Gerl-Falkovitz ist die Schwiegertochter des ehemaligen
  Familienministers im Kabinett Adenauer, Franz-Josef Wuermeling, der sein
  Ministerium bei Amtsantritt 1953 zur Abwehrinstanz gegen die
  Gleichberechtigung der Frau erklärt hatte.
  
  Als bekennende Antifeministin, lehnt Frau Professor nicht nur
  Schwangerschaftsabbrüche, sondern auch Verhütung ab, bezeichnet
  nicht-heterosexuelle Beziehungen als Unzucht und vertritt ihre kruden
  Vorstellungen bei einschlägigen Veranstaltungen, die nach ganz rechts offen
  sind. Welches Welt-und Gesellschaftsbild die Studierenden von Heiligenkreuz
  vermittelt bekommen, kann man sich lebhaft vorstellen.
  
  Frau Gerl-Falkovitz trat im Februar 2016 in Stuttgart bei der DEMO FÜR ALLE
  (DFA) auf. Organisatorin dieser DFA ist die umtriebige Magdeburgerin Hedwig
  Freifrau von Beverfoerde. Sie kommt aus dem politischen Umfeld der Familie
  von Storch und betreibt das Projekt DFA offiziell eigenständig: "Weder die
  Partei AFD noch Beatrix von Storch" seien "an der Organisation von DEMO FÜR
  ALLE beteiligt." Österreich war auf der Kundgebung nicht nur mit
  Gerl-Falkovitz vertreten, auch der Weihbischof Andreas Laun aus der
  Erzdiözese Salzburg ordnete die "Genderverschwörung" als gesamteuropäisches
  Problem ein. Die Professorin und der Weihbischof trafen in Stuttgart auf
  einen Bruder im Geiste: Raphael Bonelli, ein österreichischer
  Psychotherapeut. Der vierfache Vater, verheiratet mit Victoria Fender (jetzt
  Bonelli), die bei kath.net, einer rechtskatholischen Online-Plattform
  beschäftigt war, ist in fundamentalistischen Kirchenkreisen gut vernetzt.
  2009 organisierte er in Heiligenkreuz eine Tagung zu "Liturgie und Psyche".
  
  Hochadel, Regierung und viel Geld
  
  Raphael Bonelli hat durch verwandtschaftliche Beziehungen auch einen guten
  Draht zur österreichischen Regierung, genauer gesagt zu Bernhard Bonelli,
  Kabinettchef bei Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Frau von Bernhard
  Bonelli, der vor seiner Heirat Adamec hieß, ist die Cousine von Raphael
  Bonelli. Er soll mit dem Opus Dei und den Legionären Christi (Regnum
  Christi) in Verbindung stehen. Bernhard Bonelli zählt zum Team Kurz, also
  zum innersten Zirkel der ÖVP.
  
  Über dieses Team schreibt der Journalist und Verfasser des Buches "Inside
  Türkis", Klaus Knittelfelder: "Vor allem die inhaltlich relevanten Player
  haben teilweise erzkonservative Denkansätze und sind der katholischen Kirche
  sehr stark zugeneigt." Zu diesen relevanten Playern gehört Bernhard Bonelli,
  Absolvent eines Philosophie-und Business-Administration-Studiums, der vor
  seiner Tätigkeit für Kurz bei der Boston Consulting Group beschäftigt war.
  Der überzeugte Neoliberale betreut auch das vom Wiener Kardinal Schönborn
  mitbegründete International Catholic Legislators Network (ICLN), das sich
  zur Aufgabe setzt, christlich engagierte Politiker international zu
  vernetzen.
  
  Auch im Alpenland gibt's inzwischen eine Initiative, die als "Österreich
  betet gemeinsam" auftritt und von Johannes Hartl unterstützt wird. Eine
  andere Unterstützerin ist Gudrun Kugler, Theologin und Juristin, außerdem
  Nationalratsabgeordnete der ÖVP. Dass sie aktive Schützerin des ungeborenen
  Lebens ist und alles vertritt, was in diesen Kreisen vertreten wird,
  versteht sich von selbst.
  
  Bekannt wurde Frau Kugler als Initiatorin der ersten katholischen
  Heiratsplattform kathTreff. Wie kommen katholische Singles korrekt zusammen?
  KathTreff bietet zwei Möglichkeiten: Eine sechstägige Singlewallfahrt nach
  Medjugorje mit Lobpreis und täglicher heiliger Messe in deutscher Sprache.
  Oder für Katholiken, die eher Italien affin sind: Eine Single-Wallfahrt zum
  Hl. Antonius nach Padua. Verheiratet ist die Chefin mit dem Historiker
  Martin Kugler, mit dem sie vier Kinder hat.
  
  Zusammen mit seiner Frau leitet Martin Kugler die Kairos Consulting, ein
  Firmengeflecht, das sich über mehrere Länder erstreckt. Sie berät und
  unterstützt z.B. die Päpstliche Hochschule Heiligenkreuz in der
  Öffentlichkeitsarbeit und im Fundraising. Martin Kugler war früher
  Pressereferent von OPUS DEI. Als im Herbst 2020 die Pandemieentwicklung in
  Österreich bedenkliche Ausmaße annahm und sich in Regierungskreisen eine
  gewisse Hilf-und Ratlosigkeit breitmachte, luden der Parlamentspräsident
  Sobotka (ÖVP) und die Bundesratspräsidentin Eder-Gitschthaler (ÖVP) zu einer
  "adventliche(n) Gebetsfeier", moderiert von Gudrun Kugler. Es wurde nicht
  nur gebetet, sondern auch referiert. Einer der beiden Referenten war Georg
  Mayr-Melnhof, Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg und Gründer der sog.
  Loretto-Gemeinschaft.
  
  Apropos Mayr-Melnhof. Dieser fromme Mann kommt aus nicht gerade ärmlichen
  Verhältnissen. Sein Vater war verheiratet mit einer Gräfin von
  Orsini-Rosenberg. Im Besitz der Familie sind 7000 ha Grund und Boden in
  Salzburg und Oberösterreich, dazu die Schlösser Glanegg und Kogl, Anteile an
  der Mayr-Melnhof Karton AG und an einer Wohnungsgesellschaft. Da hatten die
  alten Mayr-Melnhofs einiges zu vererben. Georg, das vierte von den zehn
  Kindern, sollte die geistliche Laufbahn einschlagen, was aber dann doch
  nicht zustande kam. Heute ist er Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg und
  Gründer sowie führender Kopf der Loretto-Gemeinschaft. Diese Organisation,
  die sich charismatisch verortet, hat ihr geistliches Zentrum im bereits
  erwähnten Medjugorje, einem Dorf in Bosnien-Herzegowina, wo seit 1981
  regelmäßig Marienerscheinungen stattfinden sollen. Seither entwickelte sich
  ein Tourismus, der dem Dorf und sonstigen Beteiligten durch inzwischen
  jährlich bis zu einer Million Wallfahrern aus ganz Europa nicht zum Schaden
  gereicht.
  
  Eng vernetzt ist Georg Mayr-Melnhof mit der Home Base Salzburg, einem
  Gebetshaus, das große Ähnlichkeiten mit dem Augsburger Gebetshaus des
  Johannes Hartl aufweist. Allerdings stehen die Salzburger auf noch solideren
  materiellen Füßen. Chef dieses Hauses ist nämlich der Unternehmer Patrick
  Knittelfelder. Zusammen mit einem Compagnon betreibt er die Firma "Network
  Touristik Management GmbH" unter dem Motto: "Lass uns die Feste des Lebens
  feiern. Mehr Champagner braucht das Land!" Sie betreiben mit 150
  Angestellten Hotels und Resorts, Gasthäuser und Cafes. Insgesamt sollen es
  15 Einzelunternehmen sein. In der Home Base Salzburg leben mit der Familie
  Knittelfelder 40 Jünger bzw. Jüngerinnen. Man mag sich fragen, wovon die
  alle leben. Vielleicht von den Einkünften Knittelfelders? Sicher nicht. Das
  Modell ist einfach. Auf der Website suche ich mir, sofern ich Bedarf habe,
  einen Jünger oder eine Jüngerin meiner Wahl aus und überweise monatlich für
  die ausgewählte Person einen Betrag ab 50 ? aufwärts. Diese Person kann ich
  auch besuchen, sofern das Leitungsgremium zustimmt. Liebschaften werden
  nicht geduldet.
  
  Was läuft sonst noch so? Jährlich wird von Loretto in Salzburg zu Pfingsten
  ein Jugendfestival organisiert, an dem zuletzt mehr als 8000 Jugendliche
  teilnahmen. Außerdem expandiert das Konzept Home Base nach Passau. Dort
  residiert der katholische Bischof Stefan Oster, ehemaliger Moderator des
  Regensburger Senders Radio Charivari. Oster ist neben dem Regensburger
  Bischof Voderholzer ein großer Freund der bisher erwähnten Bewegungen und
  fördert sie, wo immer ihm das möglich ist. Er hat auch den in anderen
  katholischen Diözesen unerwünschten mexikanischen Orden der Legionäre
  Christi bei sich aufgenommen. Marcial Maciel, der Gründer der Legionäre,
  musste vom Vatikan wegen diverser sexueller Verfehlungen (es waren nicht
  wenige) aus dem Verkehr gezogen werden. Ein sicherlich schmerzlicher Akt, da
  er als militanter Antikommunist dem inzwischen heilig gesprochenen
  polnischen Papst Johannes Paul II. sehr ans Herz gewachsen war.
  
  Ein weiterer Ableger der Salzburger Home Base soll gerade in der Steiermark
  entstehen, wo auf Schloss Kindberg der blaublütige Loretto-Aktivist Eugen
  "Schani" Waldstein einen Gebetskreis betreibt. Hauptberuflich war der Jurist
  Pressesprecher von Missio-Österreich ("Wir helfen unseren Brüdern und
  Schwestern in den ärmsten Ländern durch Gebet und Spende.") Und wer ist Chef
  von Missio Österreich? Pater Karl Wallner, vormals Rektor der Hochschule in
  Heiligenkreuz. Wallner ist omnipräsent. Wenn Heiligenkreuz das geistliche
  Zentrum der neuen Bewegung ist, dann ist Wallner das personifizierte
  Zentrum. Es würde den Rahmen des Artikels sprengen, auf die Aktivitäten des
  umtriebigen Mönchs weiter einzugehen.
  
  Laschets "Schatten"
  
  Bleiben wir noch kurz bei Heiligenkreuz. Hier befindet sich ein modernes
  Filmstudio. Die Leitung von Redaktion und Projektmanagement liegt in der
  Hand von Elisabeth Doczy, die auch im Sprecherteam von Initiative Pontifex
  ist. Diese Organisation hieß bis 2013 Generation Benedikt (!) und wurde
  mitgegründet von Nathanael Liminski. Muss man sich diesen Namen merken? Ja.
  Denn Liminski (35) ist als Staatssekretär Leiter der NRW-Staatskanzlei und
  könnte für den Fall, dass Armin Laschet Bundeskanzler wird, als Laschets
  "Schatten" Kanzleramtsminister in Berlin werden. Nathanael Liminski, ist
  Mitglied des OPUS DEI und war früher Redenschreiber für Roland Koch in der
  Hessischen Staatskanzlei. Sein Vater, der Journalist Jürgen Liminski,
  schreibt in konservativen katholischen Zeitungen, aber auch regelmäßig in
  der "Junge Freiheit". 2008 hielt er die Laudatio auf Ellen Kositza
  anlässlich der Verleihung des Gerhard-Löwenthal- Preises. Ellen Kositza ist
  die Lebensgefährtin des "gläubigen Katholiken" Götz Kubitschek, der in der
  New York Times 2017 als "The Prophet of Germany's New Right" bezeichnet
  wurde.
  
  So steht vieles mit vielem in Verbindung. Damit soll nicht alles in einen
  Topf geworfen werden. Viele Anhänger konservativer religiöser Gruppierungen
  würden sich vehement dagegen verwahren, als rechts bezeichnet zu werden. Es
  gibt aber - wie wir gesehen haben - nicht wenige inhaltliche und personelle
  Überschneidungen. In den USA soll es inzwischen etwa 300.000
  Religionsgemeinschaften geben und deren gesellschaftliche und politische
  Bedeutung nimmt zu. Ohne sie hätte Trump 2016 die Wahl nicht gewonnen. Ohne
  die massive Unterstützung durch neue religiöse Massenbewegungen hätte in
  Brasilien Bolsonaro nicht Präsident werden können. 1982 war es zwischen dem
  US-Präsidenten und dem polnischen Papst zu einer "Heiligen Allianz" gegen
  den Kommunismus gekommen. Bei der Gelegenheit wurde auch die in
  Lateinamerika aufkeimende Theologie der Befreiung ins Visier genommen und
  weitgehend beseitigt. Mag auch der gegenwärtige Papst in Rom gelegentlich
  harsche Worte gegen die Auswirkungen des Kapitalismus von sich geben ("Diese
  Wirtschaft tötet"), stehen die Großkirchen und sonstige religiöse
  Gruppierungen fest auf dem Boden des Dogmas von der Unantastbarkeit des
  Privateigentums an Produktionsmitteln. Eugen Drewermann, einer der klügsten
  Köpfe in der katholischen Kirche, entwickelte sich vom kritischen Theologen
  zum Kapitalismuskritiker ("Wie der Kapitalismus uns ruiniert") und wurde aus
  seiner Kirche verdrängt.
  
  Schließen möchte ich mit Karl Kautsky, der in seiner 1908 erschienenen
  Schrift "Der Ursprung des Christentums" das historische Grunddilemma
  treffend benennt: "Wir haben gesehen, dass das Christentum erst zum Siege
  gelangte, als es sich in das gerade Gegenteil seines ursprünglichen Wesens
  verwandelt hatte; dass im Christentum nicht das Proletariat zum Siege
  gelangte, sondern der es ausbeutende und beherrschende Klerus; dass das
  Christentum siegte nicht als umstürzlerische, sondern als konservative
  Macht, als neue Stütze der Unterdrückung und Ausbeutung, dass es die
  kaiserliche Macht, die Sklaverei, die Besitzlosigkeit der Massen und die
  Konzentration des Reichtums in wenigen Händen nicht nur nicht beseitigte,
  sondern befestigte. Die Organisation des Christentums, die Kirche, siegte
  dadurch, dass sie ihre ursprünglichen Ziele preisgab und deren Gegenteil
  verfocht." Die herrschenden Klassen haben sich das Christentum einverleibt
  und daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert.
  
  (hd, Stand: 23.2.2021 / leicht gekürzt)
  
  
  Quelle:
  https://www.arbeiterstimme.org/archiv/106-2021/nr-211/60-die-christliche-rechte-im-aufwind
  
  
  
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