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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Donnerstag, 10. Juni 2021; 08:42
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Religiöses:

> Die christliche Rechte im Aufwind

Politisch-religiöse Netzwerke sind nicht immer unbedingt muslimisch


Gerade haben wir von der ÖVP erfahren dürfen, wie interessant doch die
muslimischen Netzwerke in Österreich sind. So sehr, daß man da gleich eine
Karte anfertigen lassen mußte. Da kam dann bei vielen auch die Idee auf, man
könnte doch auch eine solche Karte über das Christentum erstellen -- genauso
neutral und ohne jede Vorverurteilung wie bei der Islamlandkarte.

Für eine solche Landkarte haben schon andere ordentlich Vorarbeit gemacht.
Da gibt es einen Text der deutschen Gruppe *Arbeiterstimme*, der eigentlich
vom politischen Katholizismus in Deutschland ausgegangen ist, dann aber aus
naheliegenden Gründen den Focus auf Österreich legen mußte.

Mit freundlicher Genehmigung der Arbeiterstimme bringen wir diesen Text
leicht gekürzt in der akin und hoffen sehr, daß er eben kein allzu
schlechtes und verallgemeinerndes Bild über die christlichen Netzwerke in
Österreich hervorruft:

*

Was macht ein bayerischer Ministerpräsident, wenn er merkt, dass die Lage
brenzlig wird und er mit seiner Regierung angesichts der entstandenen
Probleme ziemlich nackt dasteht? Man wird's kaum glauben, er wird fromm. So
geschehen im April letzten Jahres. Die Pandemie hat auch Bayern fest im
Griff. Man hat's versemmelt. Kaum Masken, zu wenig Schutzkleidung. Das Virus
kann sich weitgehend ungehemmt ausbreiten. Die hektischen Maßnahmen halten
es nicht auf.

In dieser Situation kann nur noch Hilfe von ganz oben kommen. Schnell wird
ein Bitt-Event organisiert. Nach den Plänen der Organisatoren soll es die
größte Gebetsaktion werden, die Deutschland je gesehen hat. Als Schirmherr
stellt sich kein geringerer als der bayerische Ministerpräsident Markus
Söder zur Verfügung. Eine ungewohnte Rolle für einen, der sich bisher als
"harter Hund" gefiel. Der fromme Söder, Wolf im Schafspelz? Söder sieht das
anders: "Gemeinsam zu beten, verbindet über die Konfessionen, über die
Religionen hinweg. Das Unterhaken im Glauben, das Bekenntnis zu den Werten
des Glaubens, zu der Menschlichkeit, aber auch zur Göttlichkeit, ist das,
was uns alle verbindet..." und dann wird er noch persönlich:"Ich bete jeden
Tag. Ich bete eigentlich immer." Kein Wunder, dass es für ihn mit diesem
Bekenntnis im Ranking der Kanzlerkandidaten schnell aufwärts ging. An der
Aktion "Deutschland betet gemeinsam" sollen sich laut Veranstalter über eine
halbe Million Menschen beteiligt haben. Der Unterstützerkreis umfasste
viele, die man in diesem Land kennt. Die Bundesministerin Julia Klöckner,
Abgeordnete fast aller Parteien, Bischöfe, Prominente aus dem Showgeschäft
bis zu Samuel Rösch, Sänger, Gewinner von "The Voice of Germany".

Linke mögen derartige Vorgänge belächeln. Es lohnt sich aber, genauer
hinzuschauen. Während einerseits Parteien, Gewerkschaften und Großkirchen
seit Jahrzehnten an Bindungskraft einbüßen, entwickelt sich eine Bewegung
mit neuer, erheblicher Anziehung. Sie ist konservativ bis reaktionär und in
Teilen nach ganz rechts offen. Schlauere Teile dieser Bewegung geben sich
nach außen unpolitisch, nur religiös. Wer die organisierenden Personen aber
genauer unter die Lupe nimmt, wird sofort Zusammenhänge erkennen, die weit
über das Religiöse hinausreichen.

Hartls "Unternehmen" in Augsburg

Herausragendes Zentrum der neuen Bewegung ist das Gebetshaus Augsburg mit
seinem Leiter (Leader) Dr. Johannes Hartl, der auch die Aktion "Deutschland
betet gemeinsam" ins Leben gerufen und organisatorisch umgesetzt hat. Er ist
ein katholischer Laientheologe, der u.a. in den USA bei den Evangelikalen
das Rüstzeug erworben hat.

Hartls Augsburger "Unternehmen" beschäftigt etwa 50 Hauptamtliche und 100
Ehrenamtliche. Die Hauptamtlichen werden zumeist über Spenden finanziert.
Seine "Mitarbeiter" bezeichnen sich als Jünger. Einer von ihnen, Simon G.,
ein sog. Gebetsleiter, stellt sich wie folgt vor:"Ich liebe es Reich Gottes
und unternehmerisches Denken zu vereinen.". Seit 2011 wird ununterbrochen 24
Stunden gebetet ("We pray day and night."). Höhepunkte sind seit Jahren die
sog. ökumenischen MEHR-Konferenzen unter seiner Anleitung, zuletzt im Januar
2020 in der Messe Augsburg mit 12.000 Teilnehmenden, vorwiegend Jugendliche.

Worin besteht das Erfolgsmodell von Hartl? Um es kurz zusammenzufassen: Er
weiß, wie man Massen mit Sprache und Gefühlen fesseln und lenken kann. Dabei
vermeidet er es, zu konkret zu werden. "Gott ist gut" und "Gott bzw. Jesus
ist der Herr" sind zwei Standardformulierungen in seinen Vorträgen. Er
vermeidet Aussagen, die im konservativen christlichen Spektrum umstritten
sind und spaltend wirken könnten. Als Charismatiker zielt er ab auf eine
konfessionsübergreifende Strömung, die als Gegenbewegung zur Aufklärung
entstanden ist und sich wertkonservativ definiert. Da wird nicht über
unterschiedliche Standpunkte diskutiert. Auch die Arbeitswelt wird
ausgeklammert. Wer ununterbrochen dabei ist, Jesus mit Lobpreis für sich
einzunehmen, ist ausreichend beschäftigt. Neben seiner Tätigkeit in Augsburg
ist Hartl noch Dozent für Neuevangelisierung und Mitglied des Instituts für
Spirituelle Theologie und Religionswissenschaft an der
Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz. Dort tritt er häufig
auf. Bei einer Tagung im Januar dieses Jahres referierte er zum Thema:
"Brennen, um für Jesus zu entzünden. Praxistipps für Brandstifter." Trotz
der Wortwahl kein Grund für den Staatsschutz, aktiv zu werden. Man weiß, wie
es bei Hartl und Co. gemeint ist.

Ein Zisterzienserstift als Zentrum

Wer immer sich mit dem katholischen Fundamentalismus beschäftigt, stößt sehr
schnell auf das Stift Heiligenkreuz. Ein Stift ist ein Kloster.
Heiligenkreuz liegt 15 km westlich von Wien, inmitten des herrlichen
Wienerwalds. Im Unterschied zu anderen katholischen Klöstern, die vorwiegend
mit Zusammenlegung und Auflösung beschäftigt sind, haben die Zisterzienser
in diesem Stift diese Probleme nicht. Mit etwa 90 Mönchen und einem ziemlich
günstigen Altersdurchschnitt sind sie gut aufgestellt. Es lohnt sich, einen
genaueren Blick auf Heiligenkreuz zu werfen, weil hier viele Fäden
zusammenlaufen. So werden freiwerdende Bischofsstühle in Österreich gern mit
Personen besetzt, die einen engen Bezug zu Heiligenkreuz haben. Hier ist
eine Philosophisch-Theologische Hochschule angesiedelt, die nicht zufällig
den Beinamen Benedikt XVI. trägt. Sie ist stolz darauf, die größte
Priesterausbildungsstätte im deutschen Sprachraum zu sein. Die aktuell 323
Studierenden kommen zu jeweils einem Drittel aus Österreich, aus Deutschland
und das letzte Drittel aus vielen Ländern der Welt. Nur 58 davon sind
Frauen.

Das Stift kann sich sehen lassen. Es besteht aus einem beeindruckenden
Gebäudekomplex, dessen Finanzierung nicht ohne erhebliche Geldzuflüsse
möglich wäre. Heiligenkreuz hat einflussreiche Freunde und natürlich auch
Freundinnen, die sich sehr großzügig zeigen. Nehmen wir nur seine
Durchlaucht Hans-Adam II. Fürst von und zu Liechtenstein, Herzog von Troppau
und Jägerndorf, Graf zu Rietberg, Regierer des Hauses von und zu
Liechtenstein und seine Gemahlin Marie. Beide sind Ehrensenatoren der
Hochschule. Sie verfügen über Wald- und Schlossbesitz auch in der Umgebung.

Das Stift hatte bis vor wenigen Jahren einen Abt, der über beste
Verbindungen verfügt, einen Henckel von Donnersmarck. Die Adelsfamilie
Henckel von Donnersmarck war durch Handel und Bergbau in Oberschlesien zu
großem Reichtum gekommen. Vor seinem Klostereintritt war Ulrich Maria Karl
Graf Henckel von Donnersmarck als Diplomkaufmann Geschäftsführer der
Speditionsfirma Schenker & Co. in Barcelona.

In einer Kontroverse mit der Theologischen Fakultät der Universität Wien,
grenzte er die Tendenz seiner Hochschule als "knieende Theologie" ab. Was
die Lage Europas anbelangt, sieht er sie pessimistisch: "Der Europäer hat
sich durch Verhütung, Abtreibung, Ehescheidung, Gleichberechtigung anderer
sexueller Lebensformen tatsächlich in einen Suizid gestürzt." Äußerungen
dieser Qualität, für die der gebürtige Graf bekannt ist, machen ihn auch
nach seiner Demissionierung zu einem begehrten Referenten bei hochkarätigen
Anlässen.

Heiligenkreuz sieht sich nicht nur als eine Institution, die sich mit
religiösen Fragen beschäftigt. Hier werden gesellschaftspolitische
Entwicklungen beobachtet, analysiert und konkrete Handlungsmuster
entwickelt. Die Dozenten an der Hochschule prägen den Geist von
Heiligenkreuz. So zum Beispiel, die in extrem konservativen Kreisen
hochgeschätzte Professorin Gerl-Falkovitz, über die in der Online-Ausgabe
der katholischen Wochenzeitung Tagespost zu lesen war: "Unermüdlich
schreibend und vortragend ist Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz wie ein
Leuchtfeuer im Nebel der postmodernen Landschaft." Seit 2011 leitet die
Philosophin an der "Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI.
Heiligenkreuz" das "Europäische Institut für Philosophie und Religion"
(EUPHRat). Frau Gerl-Falkovitz ist die Schwiegertochter des ehemaligen
Familienministers im Kabinett Adenauer, Franz-Josef Wuermeling, der sein
Ministerium bei Amtsantritt 1953 zur Abwehrinstanz gegen die
Gleichberechtigung der Frau erklärt hatte.

Als bekennende Antifeministin, lehnt Frau Professor nicht nur
Schwangerschaftsabbrüche, sondern auch Verhütung ab, bezeichnet
nicht-heterosexuelle Beziehungen als Unzucht und vertritt ihre kruden
Vorstellungen bei einschlägigen Veranstaltungen, die nach ganz rechts offen
sind. Welches Welt-und Gesellschaftsbild die Studierenden von Heiligenkreuz
vermittelt bekommen, kann man sich lebhaft vorstellen.

Frau Gerl-Falkovitz trat im Februar 2016 in Stuttgart bei der DEMO FÜR ALLE
(DFA) auf. Organisatorin dieser DFA ist die umtriebige Magdeburgerin Hedwig
Freifrau von Beverfoerde. Sie kommt aus dem politischen Umfeld der Familie
von Storch und betreibt das Projekt DFA offiziell eigenständig: "Weder die
Partei AFD noch Beatrix von Storch" seien "an der Organisation von DEMO FÜR
ALLE beteiligt." Österreich war auf der Kundgebung nicht nur mit
Gerl-Falkovitz vertreten, auch der Weihbischof Andreas Laun aus der
Erzdiözese Salzburg ordnete die "Genderverschwörung" als gesamteuropäisches
Problem ein. Die Professorin und der Weihbischof trafen in Stuttgart auf
einen Bruder im Geiste: Raphael Bonelli, ein österreichischer
Psychotherapeut. Der vierfache Vater, verheiratet mit Victoria Fender (jetzt
Bonelli), die bei kath.net, einer rechtskatholischen Online-Plattform
beschäftigt war, ist in fundamentalistischen Kirchenkreisen gut vernetzt.
2009 organisierte er in Heiligenkreuz eine Tagung zu "Liturgie und Psyche".

Hochadel, Regierung und viel Geld

Raphael Bonelli hat durch verwandtschaftliche Beziehungen auch einen guten
Draht zur österreichischen Regierung, genauer gesagt zu Bernhard Bonelli,
Kabinettchef bei Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Frau von Bernhard
Bonelli, der vor seiner Heirat Adamec hieß, ist die Cousine von Raphael
Bonelli. Er soll mit dem Opus Dei und den Legionären Christi (Regnum
Christi) in Verbindung stehen. Bernhard Bonelli zählt zum Team Kurz, also
zum innersten Zirkel der ÖVP.

Über dieses Team schreibt der Journalist und Verfasser des Buches "Inside
Türkis", Klaus Knittelfelder: "Vor allem die inhaltlich relevanten Player
haben teilweise erzkonservative Denkansätze und sind der katholischen Kirche
sehr stark zugeneigt." Zu diesen relevanten Playern gehört Bernhard Bonelli,
Absolvent eines Philosophie-und Business-Administration-Studiums, der vor
seiner Tätigkeit für Kurz bei der Boston Consulting Group beschäftigt war.
Der überzeugte Neoliberale betreut auch das vom Wiener Kardinal Schönborn
mitbegründete International Catholic Legislators Network (ICLN), das sich
zur Aufgabe setzt, christlich engagierte Politiker international zu
vernetzen.

Auch im Alpenland gibt's inzwischen eine Initiative, die als "Österreich
betet gemeinsam" auftritt und von Johannes Hartl unterstützt wird. Eine
andere Unterstützerin ist Gudrun Kugler, Theologin und Juristin, außerdem
Nationalratsabgeordnete der ÖVP. Dass sie aktive Schützerin des ungeborenen
Lebens ist und alles vertritt, was in diesen Kreisen vertreten wird,
versteht sich von selbst.

Bekannt wurde Frau Kugler als Initiatorin der ersten katholischen
Heiratsplattform kathTreff. Wie kommen katholische Singles korrekt zusammen?
KathTreff bietet zwei Möglichkeiten: Eine sechstägige Singlewallfahrt nach
Medjugorje mit Lobpreis und täglicher heiliger Messe in deutscher Sprache.
Oder für Katholiken, die eher Italien affin sind: Eine Single-Wallfahrt zum
Hl. Antonius nach Padua. Verheiratet ist die Chefin mit dem Historiker
Martin Kugler, mit dem sie vier Kinder hat.

Zusammen mit seiner Frau leitet Martin Kugler die Kairos Consulting, ein
Firmengeflecht, das sich über mehrere Länder erstreckt. Sie berät und
unterstützt z.B. die Päpstliche Hochschule Heiligenkreuz in der
Öffentlichkeitsarbeit und im Fundraising. Martin Kugler war früher
Pressereferent von OPUS DEI. Als im Herbst 2020 die Pandemieentwicklung in
Österreich bedenkliche Ausmaße annahm und sich in Regierungskreisen eine
gewisse Hilf-und Ratlosigkeit breitmachte, luden der Parlamentspräsident
Sobotka (ÖVP) und die Bundesratspräsidentin Eder-Gitschthaler (ÖVP) zu einer
"adventliche(n) Gebetsfeier", moderiert von Gudrun Kugler. Es wurde nicht
nur gebetet, sondern auch referiert. Einer der beiden Referenten war Georg
Mayr-Melnhof, Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg und Gründer der sog.
Loretto-Gemeinschaft.

Apropos Mayr-Melnhof. Dieser fromme Mann kommt aus nicht gerade ärmlichen
Verhältnissen. Sein Vater war verheiratet mit einer Gräfin von
Orsini-Rosenberg. Im Besitz der Familie sind 7000 ha Grund und Boden in
Salzburg und Oberösterreich, dazu die Schlösser Glanegg und Kogl, Anteile an
der Mayr-Melnhof Karton AG und an einer Wohnungsgesellschaft. Da hatten die
alten Mayr-Melnhofs einiges zu vererben. Georg, das vierte von den zehn
Kindern, sollte die geistliche Laufbahn einschlagen, was aber dann doch
nicht zustande kam. Heute ist er Jugendleiter der Erzdiözese Salzburg und
Gründer sowie führender Kopf der Loretto-Gemeinschaft. Diese Organisation,
die sich charismatisch verortet, hat ihr geistliches Zentrum im bereits
erwähnten Medjugorje, einem Dorf in Bosnien-Herzegowina, wo seit 1981
regelmäßig Marienerscheinungen stattfinden sollen. Seither entwickelte sich
ein Tourismus, der dem Dorf und sonstigen Beteiligten durch inzwischen
jährlich bis zu einer Million Wallfahrern aus ganz Europa nicht zum Schaden
gereicht.

Eng vernetzt ist Georg Mayr-Melnhof mit der Home Base Salzburg, einem
Gebetshaus, das große Ähnlichkeiten mit dem Augsburger Gebetshaus des
Johannes Hartl aufweist. Allerdings stehen die Salzburger auf noch solideren
materiellen Füßen. Chef dieses Hauses ist nämlich der Unternehmer Patrick
Knittelfelder. Zusammen mit einem Compagnon betreibt er die Firma "Network
Touristik Management GmbH" unter dem Motto: "Lass uns die Feste des Lebens
feiern. Mehr Champagner braucht das Land!" Sie betreiben mit 150
Angestellten Hotels und Resorts, Gasthäuser und Cafes. Insgesamt sollen es
15 Einzelunternehmen sein. In der Home Base Salzburg leben mit der Familie
Knittelfelder 40 Jünger bzw. Jüngerinnen. Man mag sich fragen, wovon die
alle leben. Vielleicht von den Einkünften Knittelfelders? Sicher nicht. Das
Modell ist einfach. Auf der Website suche ich mir, sofern ich Bedarf habe,
einen Jünger oder eine Jüngerin meiner Wahl aus und überweise monatlich für
die ausgewählte Person einen Betrag ab 50 ? aufwärts. Diese Person kann ich
auch besuchen, sofern das Leitungsgremium zustimmt. Liebschaften werden
nicht geduldet.

Was läuft sonst noch so? Jährlich wird von Loretto in Salzburg zu Pfingsten
ein Jugendfestival organisiert, an dem zuletzt mehr als 8000 Jugendliche
teilnahmen. Außerdem expandiert das Konzept Home Base nach Passau. Dort
residiert der katholische Bischof Stefan Oster, ehemaliger Moderator des
Regensburger Senders Radio Charivari. Oster ist neben dem Regensburger
Bischof Voderholzer ein großer Freund der bisher erwähnten Bewegungen und
fördert sie, wo immer ihm das möglich ist. Er hat auch den in anderen
katholischen Diözesen unerwünschten mexikanischen Orden der Legionäre
Christi bei sich aufgenommen. Marcial Maciel, der Gründer der Legionäre,
musste vom Vatikan wegen diverser sexueller Verfehlungen (es waren nicht
wenige) aus dem Verkehr gezogen werden. Ein sicherlich schmerzlicher Akt, da
er als militanter Antikommunist dem inzwischen heilig gesprochenen
polnischen Papst Johannes Paul II. sehr ans Herz gewachsen war.

Ein weiterer Ableger der Salzburger Home Base soll gerade in der Steiermark
entstehen, wo auf Schloss Kindberg der blaublütige Loretto-Aktivist Eugen
"Schani" Waldstein einen Gebetskreis betreibt. Hauptberuflich war der Jurist
Pressesprecher von Missio-Österreich ("Wir helfen unseren Brüdern und
Schwestern in den ärmsten Ländern durch Gebet und Spende.") Und wer ist Chef
von Missio Österreich? Pater Karl Wallner, vormals Rektor der Hochschule in
Heiligenkreuz. Wallner ist omnipräsent. Wenn Heiligenkreuz das geistliche
Zentrum der neuen Bewegung ist, dann ist Wallner das personifizierte
Zentrum. Es würde den Rahmen des Artikels sprengen, auf die Aktivitäten des
umtriebigen Mönchs weiter einzugehen.

Laschets "Schatten"

Bleiben wir noch kurz bei Heiligenkreuz. Hier befindet sich ein modernes
Filmstudio. Die Leitung von Redaktion und Projektmanagement liegt in der
Hand von Elisabeth Doczy, die auch im Sprecherteam von Initiative Pontifex
ist. Diese Organisation hieß bis 2013 Generation Benedikt (!) und wurde
mitgegründet von Nathanael Liminski. Muss man sich diesen Namen merken? Ja.
Denn Liminski (35) ist als Staatssekretär Leiter der NRW-Staatskanzlei und
könnte für den Fall, dass Armin Laschet Bundeskanzler wird, als Laschets
"Schatten" Kanzleramtsminister in Berlin werden. Nathanael Liminski, ist
Mitglied des OPUS DEI und war früher Redenschreiber für Roland Koch in der
Hessischen Staatskanzlei. Sein Vater, der Journalist Jürgen Liminski,
schreibt in konservativen katholischen Zeitungen, aber auch regelmäßig in
der "Junge Freiheit". 2008 hielt er die Laudatio auf Ellen Kositza
anlässlich der Verleihung des Gerhard-Löwenthal- Preises. Ellen Kositza ist
die Lebensgefährtin des "gläubigen Katholiken" Götz Kubitschek, der in der
New York Times 2017 als "The Prophet of Germany's New Right" bezeichnet
wurde.

So steht vieles mit vielem in Verbindung. Damit soll nicht alles in einen
Topf geworfen werden. Viele Anhänger konservativer religiöser Gruppierungen
würden sich vehement dagegen verwahren, als rechts bezeichnet zu werden. Es
gibt aber - wie wir gesehen haben - nicht wenige inhaltliche und personelle
Überschneidungen. In den USA soll es inzwischen etwa 300.000
Religionsgemeinschaften geben und deren gesellschaftliche und politische
Bedeutung nimmt zu. Ohne sie hätte Trump 2016 die Wahl nicht gewonnen. Ohne
die massive Unterstützung durch neue religiöse Massenbewegungen hätte in
Brasilien Bolsonaro nicht Präsident werden können. 1982 war es zwischen dem
US-Präsidenten und dem polnischen Papst zu einer "Heiligen Allianz" gegen
den Kommunismus gekommen. Bei der Gelegenheit wurde auch die in
Lateinamerika aufkeimende Theologie der Befreiung ins Visier genommen und
weitgehend beseitigt. Mag auch der gegenwärtige Papst in Rom gelegentlich
harsche Worte gegen die Auswirkungen des Kapitalismus von sich geben ("Diese
Wirtschaft tötet"), stehen die Großkirchen und sonstige religiöse
Gruppierungen fest auf dem Boden des Dogmas von der Unantastbarkeit des
Privateigentums an Produktionsmitteln. Eugen Drewermann, einer der klügsten
Köpfe in der katholischen Kirche, entwickelte sich vom kritischen Theologen
zum Kapitalismuskritiker ("Wie der Kapitalismus uns ruiniert") und wurde aus
seiner Kirche verdrängt.

Schließen möchte ich mit Karl Kautsky, der in seiner 1908 erschienenen
Schrift "Der Ursprung des Christentums" das historische Grunddilemma
treffend benennt: "Wir haben gesehen, dass das Christentum erst zum Siege
gelangte, als es sich in das gerade Gegenteil seines ursprünglichen Wesens
verwandelt hatte; dass im Christentum nicht das Proletariat zum Siege
gelangte, sondern der es ausbeutende und beherrschende Klerus; dass das
Christentum siegte nicht als umstürzlerische, sondern als konservative
Macht, als neue Stütze der Unterdrückung und Ausbeutung, dass es die
kaiserliche Macht, die Sklaverei, die Besitzlosigkeit der Massen und die
Konzentration des Reichtums in wenigen Händen nicht nur nicht beseitigte,
sondern befestigte. Die Organisation des Christentums, die Kirche, siegte
dadurch, dass sie ihre ursprünglichen Ziele preisgab und deren Gegenteil
verfocht." Die herrschenden Klassen haben sich das Christentum einverleibt
und daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert.

(hd, Stand: 23.2.2021 / leicht gekürzt)


Quelle:
https://www.arbeiterstimme.org/archiv/106-2021/nr-211/60-die-christliche-rechte-im-aufwind



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