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akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. Mai 2021; 10:43
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Zahl der Woche:
> 16%
Ein Gedankenexperiment
Die Wahlbeteiligung bei den ÖH-Wahlen war unterirdisch. Generell freute man
sich schon bislang bei den HochschülerInnenschaften, wenn die Beteiligung
über 30% ausfiel, diesmal aber halbierte sie sich in Relation zum
langjährigen Durchschnittswert. Das ist wohl corona-bedingt, denn auch
andere Körperschaftswahlen führten zu ähnlich katastrophalen Ergebnissen.
Dennoch ist das natürlich bedenklich.
Eine Userin auf Facebook meinte daher: "Ist eine NR-wahl ab 16% Beteiligung
eigentlich gültig? Klingt vielleicht blöd die Frage, aber wurde da
wahlarithmetisch irgendeine Untergrenze eingezogen?"
Hm, also formal findet sich in der Nationalratswahlordnung kein
Mindestquorum. Selbst wenn ganze Wahlkreise stimmlos blieben, gingen deren
zu vergebende Mandate in die weiteren Ermittlungsverfahren. Die Untergrenze
wäre wohl eine einzige Wahlstimme -- wenn die gültig ist, bekommt die von
ihr gewählte Partei 100 Prozent der Stimme(n). In diesem Regionalwahlkreis,
wo die Stimme abgegeben worden ist, würde sie zugeordnet, da die Wahlzahl
von dieser Partei erreicht wäre. Denn die Wahlzahl ergibt sich aus den
Stimmen dividiert durch die zu vergebenden Mandate, aufgerundet auf eine
ganze Zahl, in diesem Fall 1. Dennoch würde diese eine Stimme dann im
3. Ermittlungsverfahren (dem Reststimmenverfahren auf Bundesebene) wieder
auftauchen -- weil dort alle Stimmen gelten, auch die schon "verbrauchten",
und nur die schon vergebenen Mandate einer Partei abgezogen werden. Diese
eine Partei mit der einen Stimme hätte dann immer den größten Teiler -- weil
die anderen alle als Zähler null hätten. Das letzte Mandat würde damit dank
einer hundertzweiundachzigstel Stimme vergeben werden. Also mit d'Hondt
würden trotz der eher geringen Wahlbeteiligung 183 Abgeordnete in den
Nationalrat einziehen -- und die alle von der selben Partei.
Allerdings: Praktisch funktionieren würde das trotzdem nicht. Nicht, weil es
arithmetisch nicht möglich wäre oder politisch undenkbar, sondern weil es da
ein anderes Formalproblem gibt: Ein "einstimmiges" Wahlergebnis wäre nur
möglich, wenn diese einzige gültige Stimme eine von einem Haufen abgegebenen
Stimmen in genau diesem Wahlsprengel wäre, wenn alle anderen ungültig wären.
Denn bei nur einer einzigen abgegebenen Stimme müßte diese ungeöffnet
vernichtet werden, weil dann logischerweise das Wahlgeheimnis nicht mehr
gewährleistet ist.
Also müßten es wohl doch ein paar Stimmen mehr als nur die eine sein. Gegen
eine gültige Wahl bei einer Beteiligung von 1% spricht aber formal nichts.
Ob die politischen Verhältnisse zum Zeitpunkt eines solchen Wahlergebnisses
noch so wären, daß sich irgendwer um die Zusammensetzung des Parlaments
schert, sei dahingestellt. Darüber findet sich logischerweise nichts in der
Nationalratswahlordnung.
*Bernhard Redl*
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