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  akin-Pressedienst.
  Aussendungszeitpunkt: Mittwoch, 26. Mai 2021; 11:00
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  Transformatorisches:
  
  > Initiative 'Rettet das Auto!'
  
  Alles wird jetzt elektrisch und die Welt ist gerettet.
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  Wenn der deutsche Automobilclub ADAC sich um etwas Sorgen macht, ist mir das
  als Radlfahrer üblicherweise bestenfalls egal. Oder ich reg mich wiedermal
  fürchterlich auf über die Autolobby. Im Fall der Aussendung, die mir aber da
  neulich über den Bildschirm huschte, wäre das eher ein Thema für Umwelt-NGOs
  oder die Grünen gewesen: Die Autos werden immer breiter! Ein VW Golf ist
  heute breiter als eine Luxuslimousine in den 1970ern, von den SUVs gar nicht
  zu reden.
  
  Gut, der ADAC hat hauptsächlich deswegen ein Problem damit, weil viele
  moderne Autos nicht mehr in deutsche Garagen passen, die fünfzig Jahre oder
  älter sind -- nona, ist ja der ADAC.
  
  Aber diese PKW-Adipositas hat ja auch andere Folgen, denn auch die Straßen
  können nicht so ohne weiteres breiter werden, vor allem nicht die in der
  Stadt. Und das betrifft mich dann eben schon als Radfahrer, denn mir kommt
  da ein Verdacht...
  
  Ganz generell muß man ja sagen, daß allein die Tatsache, daß es die SPÖ war,
  die in Wien in den 1980ern mit dem Radweg"bau" begonnen hat, einem
  klarmachen muß, daß Radwege nicht dazu da sind, das Radfahren zu
  attraktivieren, sondern um die Fahrbahn zur reinen MIV-Fahrbahn zu machen.
  Der "motorisierte Individualverkehr" sollte einfach nicht behindert werden.
  Die hiesigen Umwelt- und Fahrrad-NGOs haben das bis heute nicht kapiert --
  mit Ausnahme des VCÖ. Daß aber jetzt geradezu ein Boom an "Fahrradanlagen"
  passiert, kann schon etwas damit zu tun haben, daß der Platz für die Autos
  immer enger wird -- und das nicht gar so sehr, weil Stadtverwaltungen
  verkehrsberuhigende Maßnahmen setzen. Das sind (weltweit, aber speziell in
  Wien) doch nur ein paar Vorzeigeprojekte und das meistens in
  Touristengegenden und Einkaufsstraßen. Es liegt wohl auch nicht an den
  Straßenmalereien, die man Radwege nennt, weil die gehen immer noch
  hauptächlich zu Lasten derjenigen, die zu Fuß unterwegs sind. Es wird für
  den Autoverkehr enger, weil die Zahl der PKW immer noch ansteigt -- in Wien
  durchschnittlich um 5000 Stück mehr pro Jahr -- und weil diese Karren halt
  eben auch mehr Fahrbahnbreite beanspruchen. Das macht dann halt keinen Spaß
  mehr, wenn es sich nicht mehr ausgeht, einen Radfahrer zu überholen. Und
  dann fühlen sich die Autofahrer schlecht und das will ja keiner. Also
  pinselt man noch mehr Radwege auf die Gehsteige und alle sind zufrieden.
  Oder so.
  
  Autofahrer fühlen sich allerdings heutzutage noch aus einem anderen Grund
  schlecht -- weil sie sich vorhalten lassen müssen, Klimavergifter zu sein.
  Da hat man jetzt endlich überall Katalysatoren in den Autos und fährt
  bleifrei, aber man muß sich immer noch anhören, eine Umweltsau zu sein. Aber
  da kann man ja was machen, dafür gibts ja die Grünen und ihre Greta. Jetzt
  wird nämlich alles elektrisch und dann ist wieder alles in Ordnung. Okay,
  menschenwürdiger Lebensraum wird die Stadt dadurch nicht und Platz ist auch
  keiner und es werden wohl kaum weniger Radfahrer und Fußgänger von den
  Kraxen niedergeschoben werden, aber dafür ist alles klimafreundlicher. Oder
  so. Weil Klimaschutz = Umweltministerium + Elektrifizierung. Und der Strom,
  den wir ja jetzt auch zum Heizen verwenden sollen, kommt ganz
  umweltfreundlich aus der Steckdose. Nein, natürlich nicht, aus
  umweltfreundlicher Wasserkraft wie zum Beispiel aus Hainburg, ah, nein, das
  ist ja aus Umweltschutzgründen nicht gebaut worden. Oder aus Zwentendorf?
  Nein, auch nicht. Egal, wir pflastern alles zu mit Solaranlagen, das geht
  sich schon aus. Und für die Akkus aus seltenen Rohstoffen wird man bald auch
  noch was erfinden, die züchten wir demnächst in Plantagen, die wir mit
  Biomüll düngen, selbstverständlich nicht in Schwellenländern, sondern
  regional und biologisch abbaubar.
  
  Ja, ich bin polemisch. Aber letztendlich stellt sich heraus, daß
  ausgerechnet diejenigen, die den privaten Autoverkehr und die Industrielobby
  immer kritisiert haben, zu nicht unerheblichen Teilen jetzt der Meinung
  sind, sie müßten der Initiative "Rettet das Auto!" beitreten. Gegen Projekte
  wie den Lobautunnel kann man dann auch gar nichts mehr einwenden, weil der
  ist ja dann klimafreundlich und nur das zählt!
  
  Wenn sich jetzt noch das selbstfahrende Auto durchsetzt, dann sind die
  Autofahrer nicht einmal mehr an den Verkehrstoten schuld. Dann fühlen sie
  sich wohl und ihr Gewissen ist nicht nur sauber, sondern rein. Weil dann
  wars ja der Blechtrottel.
  
  Und schließlich: Gehts den Autofahrern und der Industrielobby gut, gehts uns
  allen gut.
  *Bernhard Redl*
  
  
  
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